Für den Großteil der neuen Syphilis-Fälle in Deutschland (76,3 %) wird zum wahrscheinlichen Infektionsweg MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) angegeben. Bei Frauen ist die Erkrankung in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen mit 3,2 Infizierten pro 100.000 Frauen am höchsten. In allen Fällen können Kondome beim Sex weitgehend vor einer Infektion schützen. Foto: dream@do/stock.adobe.com

Comeback der „Lustseuche“: Syphilis-Zahlen in Deutschland steigen drastisch an

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat neue Zahlen zu Syphilis in Deutschland im Epidemiologischen Bulletin 7/24 vorgestellt: Noch nie wurden so viele Erkrankungsfälle registriert, wie im Jahr 2022. Die Infektion tritt vor allem in Großstädten auf.

Seit Ende der 1970er-Jahre bis Anfang der 1990er-Jahre war ein Rückgang der Syphilis-Meldungen zu verzeichnen, der sich mit dem Auftreten von AIDS (Mitte der Achtzigerjahre) weiter beschleunigte. Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) am 1. Januar 2001 müssen neu diagnostizierte, behandlungsbedürftige Syphilis-Infektionen an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet werden – zuvor wurden diese über das Meldewesen der DDR erhoben. Während sich zwischen den Jahren 2004 und 2008 die Syphilis-Meldezahlen auf einem Niveau von etwa 4000 pro Jahr stabilisierten, steigt die Anzahl der gemeldeten Syphilis-Fälle seit 2010 bis 2019 annähernd kontinuierlich an.

Rückgang in den Corona-Jahren – 2022 zeigt Höchststand

Während der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 kam es erstmals gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu einem Rückgang der Syphilis-Meldungen. Mit einem Anstieg um 23,1 % (8305 Fälle) erreichte die Anzahl der Syphilis-Fälle in 2022 in Deutschland allerdings nun einen neuen Höchststand. Die seit 2010 zu beobachtende deutliche Zunahme der Fallzahlen setzt sich also weiter fort. 

Auftreten in Großstädten und bei Männern höher

Die Syphilis tritt vor allem in den Großstädten auf. Bei Frauen ist die Erkrankung in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen mit 3,2 pro 100.000 am höchsten. Die höchste Inzidenz wies bei den Männern die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen mit 41,8 Fällen pro 100.000 auf. Im Jahr 2022 wurden 6 Fälle einer konnatalen Syphilis gemeldet – solche Fälle sind wegen des (freiwilligen) Screenings von Schwangeren auf Syphilis sehr selten geworden.

Für den Großteil der neuen Syphilis-Fälle in Deutschland (76,3 %) wird zum wahrscheinlichen Infektionsweg MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) angegeben. Der Anteil der Männer unter den Betroffenen ist von 60 % in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf über 85 % angestiegen.

Hauptinfektionsweg: ungeschützter Geschlechtsverkehr

Die Syphilis ist eine bakterielle, durch die Spirochätenart Treponema pallidum verursachte Erkrankung, die nur beim Menschen vorkommt und sexuell, durch Blut und intrauterin von der Mutter auf das Kind übertragbar ist. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit einer infizierten Person, in der Regel beim ungeschützten Geschlechtsverkehr mit kleinsten Verletzungen der Schleimhaut oder der Haut. Daher zeigen in der Regel der Genital- und Analbereich und selten auch die Mundhöhle die typischen, anfangs schmerzlosen Wunden.

Wird die Bakterieninfektion rechtzeitig erkannt, kann sie durch Antibiotika geheilt werden. Erneute Infektionen sind aber nicht ausgeschlossen. Unbehandelt verläuft die Krankheit in drei Stadien, wobei wiederholte Infektionen möglich sind. Im ersten Syphilis-Stadium sind die Wunden am Infektionsherd zu sehen. In Phase II leiden die Erkrankten unter Ausschlag, Fieber, Erschöpfung, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. Gefährlich wird es bei einer unbehandelten Syphilis in Phase III: Hier können die Bakterien zum Beispiel das Gehirn schädigen, das Rückenmark, die Aorta oder auch andere Organe. Daraus ergeben sich dann Folgen wie starke Schmerzen, offene Hautgeschwüre, knotige Entzündungsherde, Schäden an Knochen oder Gelenken, Lähmungen. Nervenschäden am Gehirn (Neurosyphilis) können ebenso auftreten wie Demenz. Lebensbedrohlich wird es, wenn als Syphilisfolge die Hauptschlagader oder andere entzündete Blutgefäße geschädigt werden und es zu inneren Blutungen kommt.

Woher kommt die Syphilis?

Die Syphilis ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit. Vor einem Vierteljahrhundert (1999) schätzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Neuerkrankungen auf weltweit etwa zwölf Millionen Fälle jährlich, von denen über 90 % in Entwicklungsländern anfielen. Das Problem bei der Ursprungssuche liegt zum Beispiel darin, dass frühe medizinische Berichte in Europa bei der Schilderung von Symptomen nicht eindeutig auf die Syphilis verweisen, dass damit eben auch andere Geschlechtskrankheiten gemeint sein könnten.

„Der erste dokumentierte Ausbruch der Syphilis in Europa geschah im Jahr 1494 oder 1495 in Neapel, Italien, während der französischen Invasion im Italienischen Krieg von 1494–98. Damals wurde angenommen, dass die Krankheit durch die französischen Truppen verbreitet worden sei, weshalb die Krankheit zunächst unter dem Namen Franzosenkrankheit (später auch Franzosenseuche) bekannt wurde“, heißt es bei Wikipedia. Es sieht aber auch so aus, als hätten Seeleute nach der Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Kolumbus die Bakterien nach Europa eingeschleppt. Gut möglich, dass sich Erreger aus dem südamerikanischen Raum mit ähnlichen in Europa bereits bestehenden Bakterien zum heutigen Treponema pallidum entwickelt haben.

Rabiate Therapie mit Quecksilber  

Über viele Jahre hinweg gab es verschiedene und zumeist nutzlose Therapien. Salbungen mit Quecksilber, das auch oral gegeben wurde, galten lange als probates Mittel gegen die „Lustseuche“. Das Problem dabei: Die Geschlechtskrankheit führte bei Patienten oft zum Tod – durch eine Schwermetall-Vergiftung. 1909 hatte der deutsche Chemiker Paul Ehrlich die Idee, Spirochäten, zu denen auch die Syphilis-Erreger zählen, mit Arsen zu bekämpfen. Durch diesen Therapie-Weg konnten rund zwei Drittel der Erkrankten erfolgreich behandelt werden.

Das erstmals 1942 bei alliierten Soldaten eingesetzte Penicillin verhalt dann zum Durchbruch. Danach gingen zwar nicht unbedingt die Infektionen, dafür aber die Erkrankungszahlen deutlich zurück. International haben Behandlungsprogramme der WHO weltweit segensreich gewirkt.  pm/tok