• Gesundheitliche Unterschiede nach Armutslage sind bei Kleinkindern sehr viel stärker ausgeprägt als bei Säuglingen. Foto: EvaHM/stock.adobe.com
Armut bremst Entwicklung: So gesund sind kleine Kinder in Deutschland
Bei 78 Prozent der Säuglinge und Kleinkinder in Deutschland ist der Gesundheitszustand „sehr gut“ – so lautet das Ergebnis der repräsentativen Studie „Kinder in Deutschland 0-3 2022“ (KiD 0-3) des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH). Die neuen Daten zeigen aber auch: Die Chancen auf ein gesundes und entwicklungsförderliches Aufwachsen sind ungleich verteilt.
Die Corona-Pandemie hat diese bestehenden Ungleichheiten weiter vertieft. Negative Effekte der Pandemiezeit stellen Kinderärzte vor allem bei der sozialen und affektiven Entwicklung von Kleinkindern fest. Die Studienergebnisse unterstreichen auch, wie wichtig die Angebote der Frühen Hilfen sind.
Arm und krank: Soziale Unterschiede wirken sich aus
Der Gesundheitszustand von Kindern, die in einem armutsbelasteten Familienumfeld aufwachsen, ist im Vergleich nur bei 64 Prozent „sehr gut“. 21 Prozent der Kinder, deren Familien von Armut betroffen sind, sind überdies nicht altersgerecht entwickelt. Negative Effekte der Corona-Pandemie stellen Kinderärzte vor allem bei der sozialen und affektiven Entwicklung von Kleinkindern fest.
Die Studienergebnisse unterstreichen auch, wie wichtig die Angebote der Frühen Hilfen sind: 92 Prozent der Eltern, die von einer Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegenden oder einer Familienhebamme zu Hause begleitet wurden, bewerten das Angebot als „(sehr) hilfreich“.
Gesundheit/Entwicklung von kleinen Kindern: Zahlen
- Insgesamt geht es kleinen Kindern in Deutschland sehr gut. Die Chancen auf ein gesundes und entwicklungsförderliches Aufwachsen sind jedoch ungleich verteilt.
- Der Gesundheitszustand von 78 Prozent der Kinder ist aus ärztlicher Sicht »sehr gut«.
- Eine Grunderkrankung liegt bei 10 Prozent der Kinder vor, 14 Prozent sind mindestens teilweise nicht altersgerecht entwickelt.
- Bei Kindern, die in Armut aufwachsen, ist der Gesundheitszustand weniger häufig »sehr gut« (64 Prozent). Sehr viel häufiger stellen Ärzte bei diesen Kindern eine nicht altersgerechte Entwicklung fest (21 Prozent). Gesundheitliche Unterschiede nach Armutslage sind bei Kleinkindern sehr viel stärker ausgeprägt als bei Säuglingen.
- Früh alleinerziehend zu sein ist besonders herausfordernd, was sich in einigen Familien auch im Gesundheitszustand der Kinder abbildet: Der Anteil der Kinder mit sehr gutem Gesundheitszustand liegt mit 62 Prozent bei Alleinerziehenden um 17 Prozentpunkte unter dem Anteil der sehr gesunden Kinder in Paarfamilien (79 Prozent).
- Kinder, die in einem Familienumfeld mit psychisch belastetem Elternteil aufwachsen, werden von Kinderärzten häufiger als nicht altersgerecht entwickelt eingeschätzt (20 Prozent gegenüber 14 Prozent aus Familien, die psychisch nicht belastet sind).
Gesundheit/Entwicklung von kleinen Kindern: Stimmen
Lisa Paus, Bundesfamilienministerin: „Die Studie KiD 0-3 liefert uns wertvolle repräsentative Daten zur Gesundheit und Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern in Deutschland und füllt damit eine Leerstelle. Dass das Aufwachsen in Armut die Entwicklung bereits von so kleinen Kindern nachweislich beeinträchtigt, ist nicht hinnehmbar. Diesen Trend hat die Pandemie nochmals verstärkt. Mit den Angeboten der Frühen Hilfen erreichen wir insbesondere Familien mit kleinen Kindern in prekären Lebensverhältnissen und können negativen Entwicklungen frühzeitig entgegenwirken. So kommen wir unserem Ziel näher, allen Kindern in Deutschland ein chancengerechtes und gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.“
Mechthild Paul, Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH): „Die Ergebnisse der Studie KiD 0-3 geben uns ein viel genaueres Bild davon, wie es Familien in Deutschland und vor allem in bestimmten Lebenssituationen geht. KiD 0-3 bekräftigt, dass Familien in Armutslagen den größten Unterstützungsbedarf haben. Bei ihnen kommen viele Belastungen zusammen und führen dazu, dass ihre Kinder von Anfang an viel geringere Chancen in allen Lebensbereichen haben. Mit diesen Daten können wir die Angebote noch bedarfsgerechter gestalten.“
Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ): „Familien mit Hilfebedarf sind gleichermaßen angewiesen auf ärztliche und sozialpädagogische Unterstützung. Je früher wir Familien in belasteten Lebenslagen passende Hilfsangebote machen können, desto besser sind die Chancen für ihre Kinder. Hier ist die gezielte Ansprache von Familien in unseren Praxen unverzichtbar. Dass Frühe Hilfen weiterhin verlässlich in zahlreichen kommunalen Netzwerken etabliert sind, dafür setzen wir uns mit vielen Partnern ein.“
Die Befragung
Für die Studie wurden von April bis Dezember 2022 insgesamt 7818 Mütter und Väter befragt. 258 Kinderärzte haben sich beteiligt. Die Erhebungen fanden im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen U3 bis U7a statt. Die Eltern gaben Auskünfte zu ihren Belastungen und vorhandenen Ressourcen sowie zur Inanspruchnahme und Bewertung von Unterstützungsangeboten. Parallel dazu füllten die Ärzte für jede teilnehmende Familie einen Dokumentationsbogen zur Gesundheit und Entwicklung des Kindes aus. Dieser Bogen wurde in enger Kooperation mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) entwickelt.
Die Daten der Befragungen bilden eine wichtige Grundlage, um sowohl aus Elternsicht als auch aus kinderärztlicher Einschätzung die Situation von Familien mit kleinen Kindern in Deutschland nachzuzeichnen und ihren Unterstützungsbedarf zu ermitteln.
Ergebnisse und Informationen zur Studie lesen Sie > hier <.
Nationales Zentrum Frühe Hilfen
Träger des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut e. V. (DJI). Das NZFH wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Es unterstützt seit 2007 die Fachpraxis dabei, familiäre Belastungen und Ressourcen frühzeitig zu erkennen, qualitätsgesicherte bedarfsgerechte Angebote bereitzustellen und die Vernetzung der unterschiedlichen Berufsgruppen zu fördern. pm