Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert in einem Standpunkt-Papier, Cannabis zu legalisieren, Alkohol deutlich stärker zu besteuern und beides ausschließlich über staatlich lizenzierte Geschäfte abzugeben. Foto: H_Ko/stock.adobe.com
Bundes-Suchtbeauftragter und Psychotherapeuten: Cannabis legalisieren – Alkohol ist gefährlicher
Alkohol ist die gefährlichste Droge, warnt Burkhard Blienert (SPD), der Suchtbeauftragte der Bundesregierung. Er spricht sich für klare Grenzen bei Sponsoring und Marketing von Alkoholanbietern aus. Aber was ist mit Cannabis, das ebenfalls Schäden für die Gesundheit verursachen kann?
Warum die Bundesregierung die Droge legalisieren möchte und dies für ihn kein Widerspruch zu Werbebeschränkungen bei Alkohol ist, erläutert Blienert im Gespräch mit dem Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“.
Ziel ist die Regulierung des Schwarzmarktes
Das Verbot von Cannabis führe nicht dazu, dass weniger konsumiert wird, so Blienert. „Wir sehen eher gesundheitliche Schäden durch Verunreinigungen synthetischer Cannabinoide, die Menschen auf dem Schwarzmarkt kaufen. Darum setze ich auf drei Dinge: Gesundheitsschutz, Jugendschutz und Regulierung des Schwarzmarkts.“
Burkhard Blienert verdeutlicht die Dimension: Zurzeit werden mit Cannabis auf dem Schwarzmarkt bis zu acht Milliarden Euro im Jahr umgesetzt. „Das möchte ich bekämpfen. Der Gesundheitsschutz wäre gewährleistet, indem Cannabis nur in Fachgeschäften verkauft wird.“ Dort werde man vor dem Kauf darüber aufgeklärt, was in den psychoaktiven Substanzen drin ist und was sie bewirken, so der Bundesdrogenbeauftragte. Außerdem wolle man bei Cannabis keine Werbung und kein Sponsoring zulassen.
Frei ab 18, obwohl sich das Hirn noch entwickelt
Obwohl Studien belegen, dass die Entwicklung des Frontalhirns erst ab Mitte 20 abgeschlossen ist und bis dahin das Gehirn sehr empfindlich auf Drogen reagiert, soll Cannabis nach den Plänen der Bundesregierung schon ab 18 Jahren erlaubt sein. „Das stimmt“, räumt Blienert ein. Darum müsse es Produkte mit einem niedrigeren Gehalt der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) geben. „Synthetische Cannabinoide, die es häufig auf dem Schwarzmarkt gibt, haben viel höhere Werte“, erklärt Burkhard Blienert.
„Ich finde, 18 ist eine Größenordnung, die man akzeptieren kann. Auch vieles andere ist ja ab 18 Jahren erlaubt“, sagt der Suchtbeauftragte der Bundesregierung. Und damit legt er den Finger auf die Wunde beim legalen Alkoholgenuss: Jugendliche unter 16 Jahren dürfen weder Alkohol kaufen noch in der Öffentlichkeit Alkohol konsumieren. Aber: Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ist ihnen ab 14 Jahren gestattet, wenn sie in Begleitung eines Personensorgeberechtigten, etwa Vater oder Mutter, sind.
Alkoholgenuss für Jugendliche ist schon früh ganz offiziell möglich
Das heißt: Jugendliche können ab 14 Jahren schon an den Alkoholgenuss gewöhnt werden und das Trinken von Alkohol als gesellschaftliches Ereignis, als Ritual erfahren, das unter Umständen das Rauscherlebnis akzeptabel erscheinen lässt und dann auch zur Abhängigkeit führen kann.
Jugendliche ab 16 Jahren dürfen dann Bier, Wein oder Sekt in der Öffentlichkeit trinken und kaufen – es sei denn, sie sind erkennbar betrunken. Immerhin: Getränke und Lebensmittel, die Spirituosen, also Hochprozentiges enthalten, dürfen sie weder konsumieren noch kaufen. Dies gilt nicht nur zum Beispiel für Schnaps, sondern für alle Mixgetränke mit Spirituosen, auch dann, wenn der Alkoholgehalt nicht höher liegt als bei Bier oder Wein.
Das Problem ist nur: Genau diese Mixgetränke mit Hochprozentigem wie Wodka sind bei Jugendlichen sehr beliebt – und wenn dann noch der süße Geschmack den eigentlichen Alkoholgeschmack übertönt, ist ein Vollrausch schnell erreicht. Die jugendlichen Komatrinker sind nicht selten deutlich jünger als 16 Jahre.
Deutsches Jugendinstitut: Mehr Gewalttaten nach Alkoholgenuss
Das Deutsche Jugendinstitut (DJI), eines der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute Europas, hat im zweijährigen und 2017 veröffentlichten Forschungsprojekt „Gewaltdelinquenz und Alkohol im Jugendalter – Herausforderungen für die Jugendhilfe“ den Fokus deutlich auf die negativen Folgen des Alkoholgenusses gelegt.
Projektmitarbeiterin Carina Seidl erklärte dazu in einem Interview: „Zumindest ist aus der Polizeilichen Kriminalstatistik belegt, dass Gewalttaten im Jugendalter sehr häufig unter Alkoholeinfluss begangen werden. Das wurde uns letztlich auch in unserem Projekt von den Jugendlichen und den Fachkräften bestätigt. Alkohol zu konsumieren ist heute bei vielen Jugendlichen beziehungsweise Jugendgruppen eine nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit. Drogenkonsum ist da noch einmal ein anderes Phänomen und hat für die meisten Jugendlichen nicht die alltagsweltliche Relevanz wie es Alkohol hat.“
Psychotherapeuten: Cannabis ist nicht harmlos, aber Alkohol ist gefährlicher
„Cannabis ist nicht harmlos: Es kann, anders als früher angenommen, auch körperlich abhängig machen und birgt insbesondere das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Alkohol ist deutlich gefährlicher als Cannabis. Alkohol kann tödlich sein. In Deutschland sterben jedes Jahr 14.000 Personen an Alkoholerkrankungen und Leberschäden“, schreibt die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in einem Standpunkt-Papier vom Juni 2022.
Weiter heißt es dort: „Alkohol fördert aggressives und gewalttätiges Verhalten. Jede vierte Gewalttat erfolgt unter Alkoholeinfluss. Alkohol erhöht das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, deutlich. Er wird von vielen Expert*innen aufgrund seiner leichten Verfügbarkeiten, seinen massiven gesundheitlichen Schäden und gesellschaftlichen Kosten als „die gefährlichste aller Drogen“ eingeschätzt. Cannabis gilt als eine moderat schädliche Droge.“
BPtK fordert Cannabis-Legalisierung und höhere Alkoholsteuer
Was fordert die BPtK? Eine grundsätzliche Neuausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik. „Statt auf Verbot und Kriminalisierung sollte sie auf Regulierung, Prävention und aufgeklärten, kompetenten und eigenverantwortlichen Gebrauch von Drogen setzen. Das ist der beste Schutz vor Drogenmissbrauch und -abhängigkeit“, heißt es im Standpunkt-Papier. Konkret würde das dann bedeuten: Cannabis zu legalisieren, Alkohol deutlich stärker zu besteuern und beides ausschließlich über staatlich lizenzierte Geschäfte abzugeben.
Und, so der BPtK: „Werbung ist für alle legalen Drogen zu verbieten. Die Abgabe an Minderjährige muss stärker als bislang sanktioniert werden. Unverzichtbar ist außerdem der gezielte Ausbau von Aufklärungsangeboten ebenso wie von professionellen Angeboten zur Früherkennung, Behandlung und Rehabilitation von Suchterkrankungen, insbesondere für Kinder und Jugendliche.“ pm/tok