„Mit der CLE können wir erstmals die Fehlfunktion in der Darmbarriere unter 1000facher Vergrößerung sichtbar machen“, erklärt Professor Jost Langhorst. An der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde in Bamberg wird die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) bei funktionellen Darmbeschwerden wissenschaftlich evaluiert. Bildrechte/Foto: medizin-reporter.blog/André Berger
Dank neuer Diagnosemethode lange und qualvolle Reizdarm-Jahre beendet
Gut ging es Maja S. (39) nur, wenn sie nichts aß. Unterwegs mied sie jede Art von Nahrung. Auch im Büro verzichtete sie auf das Mittagessen. Gegessen wurde meist hinter verschlossenen Türen. Zu Hause, wo sie sich hinlegen konnte und eine Toilette in der Nähe war. „Seit über 20 Jahren leide ich unter funktionellen Darmbeschwerden“, erzählt die Nürnbergerin.
„Immer wieder musste ich deshalb zu Magen- und Darmspiegelungen. Dazu kamen diverse Ultraschalluntersuchungen, Atem-, Blut- und Stuhltests. Gefunden wurde nie etwas.“
Konfokale Laserendomikroskopie entdeckt
Erst als Maja S. sich schon fast mit der Ausschlussdiagnose „Reizdarm“ abgefunden hatte, stieß sie Anfang 2014 auf eine neue Untersuchungsmethode: An der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde in Bamberg wird die sogenannte konfokale Laserendomikroskopie – kurz CLE – bei funktionellen Darmbeschwerden wissenschaftlich evaluiert. „Um endlich Klarheit über meine Verdauungsbeschwerden zu bekommen, habe ich meine Hausärztin um Überweisung gebeten!“
„Die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) ist eine neue Untersuchungsmethode mit deren Hilfe wir die Darmbarriere in ihrer Funktion in Echtzeit beobachten und beurteilen können,“ erklärt der Gastroenterologe Professor Langhorst (58). „Beim gesunden Menschen sorgt dieser eng miteinander verbundene Zellverband dafür, dass Flüssigkeit und nützliche Nähr- und Mineralstoffe aus dem Verdauungstrakt in den Blutkreislauf gelangen können, während giftige Eiweißmoleküle und schädliche Mikroorganismen weiter im Darm verbleiben und Richtung Ausgang transportiert werden.“
Entzündungen, Stress, Medikamente (Antibiotika, Schmerzmittel), aber auch Nahrungsmittel können zu einer Schädigung der Schleimhaut-Barriere führen, so die medizinische Erklärung, die auch Leaky Gut genannt wird.
Fehlfunktion der Darmbarriere sichtbar machen
„Mit der CLE können wir erstmals die Fehlfunktion in der Darmbarriere unter 1000facher Vergrößerung sichtbar machen. Dazu führen wir im Rahmen einer Magenspiegelung das Endoskop bis in den Zwölffingerdarm vor, applizieren nacheinander potenziell problematische Nahrungsmittel, wie Soja, Hefe, Weizen, Milch. Gleichzeitig geben wir ein Kontrastmittel in die Vene. Tritt das Kontrastmittel nach Gabe eines der fünf bis sechs Testnahrungsmittel aus der Schleimhaut in den Darm aus, können wir das live mit dem Lasermikroskop verfolgen. Das ist wichtig, denn die Störung der Darmbarriere ist kein Dauerzustand. Schon nach 15 Minuten kann die Darmbarriere wieder vollkommen normal aussehen.“
Das Problem: In diesem Zeitfenster können Reizstoffe durch die Darmwand dringen und das Immunsystem provozieren können. Es beginnt ein sogenannter Nicht-IGE-gesteuerter Prozess. Ohne den körpereigenen Botenstoff „Immunglobulin E“ ist dieser Prozess zwar keine klassische allergische Reaktion, führt aber zu den typischen Verdauungsbeschwerden eines Reizdarms.
Mit Diät identifizierte Reizstoffe meiden
„Um unseren Patienten zu helfen, empfehlen wir zunächst eine mehrwöchige Karenz – also das Meiden – des oder der identifizierten Reizstoffe. Erste Studienergebnisse zeigen, dass eine solche Diät bei jedem zweiten Patienten die Darmbarriere so weit stabilisiert, dass der ehemalige Reizstoff im weiteren Verlauf wieder problemlos vertragen wird“, erklärt Professor Dr. Jost Langhorst.
Parallel dazu wird in Bamberg die Darmbarriere klassisch naturheilkundlich behandelt. „Der Grund dafür ist, dass für funktionelle Darmbeschwerden in der Schulmedizin kaum nachhaltig wirksame und nebenwirkungsarme Medikamente zur Verfügung stehen,“ so Langhorst. „Dagegen ist beispielsweise die positive Wirkung der Arzneipflanze Myrrhe bei Durchfall, Blähungen und Krämpfen nicht nur traditionell seit langem bekannt, sondern inzwischen auch durch mehrere Studien wissenschaftlich belegt. Die Wirkung ist dabei so stark, dass Myrrhe in Kombination mit Kamille und Kaffeekohle zur Behandlung der schubfreien Phase bei Colitis ulcerosa – einer chronischen Entzündung des Darms – sogar in die offiziellen medizinischen Behandlungsleitlinien aufgenommen wurde.“
Zusätzlich kommen während des stationären Aufenthaltes von Maja S. mit entkrampfenden Bauchwickeln mit Kümmelöl, einer umfassenden Ernährungsberatung, verschiedenen Entspannungstechniken wie Chi Gong und Yoga weitere Naturheilverfahren zum Einsatz. „In meinem Fall konnte mit Hilfe der konfokalen Laserendomikroskopie die pathologische Reaktion auf eines der getesten Lebensmittel nachgewiesen werden. Der Erfolg der Therapie stellte sich bereits Tage später ein. Statt bis zu zehnmal pro Tag musste ich nur noch ein- bis zweimal auf die Toilette“, freut sie sich. „Zum ersten Mal kann ich mich richtig auf das Essen freuen und auch mit Appetit zugreifen. Nach zwanzig Jahren habe ich meine Verdauungsbeschwerden endlich im Griff!“
Reizdarm: Frauen sind doppelt so häufig betroffen
Frisches Obst, knackiger Salat, leckeres Gemüse – davon können mehr als zehn Millionen Deutsche können davon nur träumen. Vielen bereiten gerade „gesunde“ Lebensmittel Bauchschmerzen: Obwohl keine medizinisch diagnostizierbaren Veränderungen vorliegen, leiden sie unter Völlegefühl, Übelkeit, Blähungen, Durchfall oder sogar Verstopfung. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Typisch ist, dass seelische oder körperliche Belastungen die Beschwerden verstärken. Als Ursache vermuten Experten unter anderem eine angeborene Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems.
Wichtig: Manche Schmerzmittel lähmen den Darm und verstärken so die Beschwerden. Wärmflasche und feuchte Wickel lösen dagegen Verspannungen und Krämpfe. Außerlich aufgetragenes Kümmelöl wirkt ebenfalls lindernd. Bewegung lockert die verspannte Muskulatur, stärkt die Darmfunktion.
Info
Die stationäre Behandlung in der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde am Klinikum Bamberg wird von den Krankenkassen übernommen. Die komplette Patientenreportage finden Sie unter https://ots.de/7BDsIb
Vier Fragen an Magen-Darm-Experte Professor Dr. Jost Langhorst
Warum setzen Sie als Gastroenterologe und Schulmediziner auf die Naturheilkunde?
Professor Dr. Jost Langhorst: Bei chronischen Verdauungsstörungen wie funktionellen Darmbeschwerden ist die Dauertherapie mit synthetischen Medikamenten oft nicht nachhaltig wirksam und mit relevanten Nebenwirkungen verbunden. Grund dafür ist unter anderem die empfindlich Darmflora, die so genannte Mikrobiota mit ihren rund 100 Billionen Bakterien. Mindestens 500 verschiedene Arten bilden hier ein empfindliches Gleichgewicht, das durch synthetische Medikamente empfindlich gestört werden kann.
Was belastet unseren Darm sonst noch?
Langhorst: Oft sind es ungesunde Ernährung, Umweltgifte, aber auch psychische Belastungen wie Stress oder Angst die sich auf die Verdauung auswirken. Neueste Forschungen zeigen, dass jeder einzelne Faktor eine Rolle spielen kann. Die Folgen reichen von kurzfristigen Verdauungsbeschwerden nach einer üppigen Mahlzeit bis hin zu chronischen Darmerkrankungen.
Welche phytotherapeutische Alternative können Sie Ihren Patienten anbieten?
Langhorst: Kombinationspräparate mit Myrrhe zum Beispiel sind eine gut verträgliche Unterstützung bei entzündlichen Erkrankungen. Die gute Verträglichkeit ermöglicht auch die Langzeitbehandlung mehrerer Beschwerden gleichzeitig (Durchfall, Blähungen, Krämpfe).
Wie wirkt die Heilpflanze?
Langhorst: Myrrhe wirkt adstringierend, das heißt sie zieht die äußeren Schichten der Schleimhaut zusammen. Außerdem wirkt sie entzündungshemmend, kann Darmkrämpfe lindern, eine gestörte Darmbarriere wieder abdichten und die Versorgung der Darmschleimhaut verbessern. Dies geschieht unter anderem durch eine Stabilisierung der Schleusen der Darmschleimhaut, der so genannten „Tight Junktions“. pm