Gleichgewichtstraining kann Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion hervorrufen. Ein optimiertes Training könnte wohl die Reservekapazität des Gehirns gegen Krankheiten wie Demenz erfolgreich mobilisieren. Foto: Robert Kneschke/stock.adobe.com

Wie man mit Gleichgewichtstraining die Leistungsgrenzen des alternden Gehirns verschiebt

Ältere Menschen können durch ein auf sie abgestimmtes regelmäßiges Gleichgewichtstraining ihre sensomotorische Leistungsfähigkeit verbessern. Das zeigen erste Ergebnisse einer interdisziplinären Studie von Sportwissenschaftlern und Neurowissenschaftlern der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Sie untersuchen, wie durch gezielte Trainingsprogramme neuronale Ressourcen des alternden Gehirns optimal stimuliert werden können.

Gleichgewichtsprobleme erhöhen Risiko von schweren Sturzfolgen

„Unser Gehirn hat zwar natürliche Leistungsgrenzen, was das Gedächtnis, unsere Aufmerksamkeit und Sensomotorik angeht, aber durch Training können wir diese Grenzen in Teilen verschieben“, erklärt Professor Dr. Marco Taubert vom Lehrstuhl Trainingswissenschaft, Schwerpunkt Kognition und Bewegung der Uni Magdeburg und Leiter der Studie. Das sei insofern gesellschaftlich relevant, da Defizite in der Gleichgewichtsleistung bei älteren Menschen nicht selten mit einem erhöhten Risiko für Stürze und einer damit einhergehenden erhöhten Sterblichkeit verbunden seien, so der Sportwissenschaftler weiter.

In dem mit Dr. Gabriel Ziegler vom Institut für Kognitive Neurologie und Demenzforschung der Uni Magdeburg gemeinsam geleiteten Forschungsprojekt „Dynamische Modellierung einer trainingsbedingten und leistungsoptimierenden Mobilisierung neuraler Ressourcen“ untersucht ein interdisziplinäres Team in zwei Studien die Auswirkungen verschiedener Trainingsansätze auf die Gehirnleistung der Probanden.

Gleichgewichtstraining mit unterschiedlichen Aufgaben

Die 90 Teilnehmer zwischen 60 und 75 Jahren absolvierten wöchentlich ein Gleichgewichtstraining mit unterschiedlichen Aufgabenanforderungen: Unterforderung, optimale Anforderung und Überforderung. Über den Verlauf des Trainings erfolgten Aufnahmen des Gehirns im Magnetresonanztomografen (MRT), um Informationen über mögliche strukturelle und funktionelle Veränderungen zu erhalten. „Die ersten Ergebnisse an 30 Versuchspersonen zeigen größere Effekte auf die motorische Leistung in der Trainingsgruppe mit optimaler Aufgabenanforderung im Vergleich zu den Trainingsgruppen mit Unter- bzw. Überforderung sowie tendenziell bessere kognitive Leistungen“, so Sportwissenschaftler Taubert.

Die Ergebnisse der Hauptuntersuchung an 60 Versuchspersonen würden aktuell ausgewertet und würden Aufschluss darüber geben, wie sich das optimierte Gleichgewichtstraining auf die Gehirnstruktur und -funktion auswirkt, erklärt Taubert weiter. „Es ist bereits bekannt, dass Gleichgewichtstraining Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion hervorrufen kann“, erzählt der Magdeburger Professor. „Wir wollten aber überprüfen, ob ein auf den aktuellen Leistungsstand der Person angepasstes Gleichgewichtstraining das Gehirn besonders schnell oder stark zu strukturellen Veränderungen anregen kann.“

Reserven im Gehirn mobilisieren

Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse könnten zukünftig helfen, Maßnahmen zu entwickeln, welche die Reservekapazität des Gehirns gegen Krankheiten wie Demenz erfolgreich mobilisieren, so Taubert. „Wenn wir die Anpassungsprozesse in unserem Gehirn besser verstehen, können wir langfristig maßgeschneiderte Trainingsprogramme entwickeln, die unser Gehirn ein Leben lang unterstützen und damit unsere Gesundheit und Lebensqualität erhalten oder verbessern.“

Das Forschungsprojekt ist Teil eines Sonderforschungsbereiches SFB 1436: Neuronale Ressourcen der Kognition. Mehr als 40 Wissenschaftler untersuchen am Standort Magdeburg und darüber hinaus in insgesamt 22 Einzelprojekten, welches Potenzial das menschliche Gehirn hat und welche neurobiologischen Prozesse es daran hindern, es auszuschöpfen. Ziel ist es, in Zukunft Gedächtnisleistungen im Allgemeinen verbessern zu können, beziehungsweise die Auswirkung von Störfaktoren und „versteckten“ Krankheitsprozessen zu verstehen und damit zu überwinden. Zudem sollen die Reservemechanismen, die dem Gehirn zur Verfügung stehen, mobilisiert werden.       pm

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