Eine offizielle Zahl zu Revisionsoperationen und Notfallbehandlungen nach ästhetisch-plastischen Eingriffen existiert nicht. Dennoch werden allein bei den Mitgliedern der DGÄPC jährlich Revisionsoperationen im mittleren dreistelligen Bereich durchgeführt. Gut die Hälfte hiervon stammt aus dem Ausland. Foto: New Africa/stock.adobe.com
Wo liegen die Risiken bei Schönheitsoperation im Ausland?
2800 Euro für eine Brust-OP mit All-Inklusive Aufenthalt für fünf Tage oder ein komplettes Mummy Make-over mit drei chirurgischen Eingriffen innerhalb einer Operation? Sparen durch Schönheitsoperation im Ausland? Das Risiko dabei ist hoch.
Alles auf einmal verschönern und dann auch noch zum Dumpingpreis – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, endet aber für viele Patientinnen meist in einem Alptraum. Fakt ist: Eine offizielle Zahl zu Revisionsoperationen und Notfallbehandlungen nach ästhetisch-plastischen Eingriffen existiert nicht. Dennoch werden allein bei den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie e.V. (DGÄPC) jährlich Revisionsoperationen im mittleren dreistelligen Bereich durchgeführt. Gut die Hälfte hiervon stammt aus dem Ausland.
Qualifizierte, gut ausgebildete Fachärzt*innen für Plastische und Ästhetische Chirurgie gibt es auf der ganzen Welt, auch in den für Auslands-OPs beliebten Ländern wie Tschechien, Polen und der Türkei. Dennoch bleibt die Zahl sogenannter Revisionsbehandlungen von Patient*innen, bei denen die Wunschoperation im Aus- und Inland einen nicht optimalen Verlauf genommen hat – teils sogar mit schwerwiegenden Folgen – signifikant hoch. Die Gründe hierfür sind dabei vielfältig.
Günstigere Behandlungskosten und der Social-Media-Druck
„Sicherlich spielen die Behandlungskosten eine große Rolle, denn in Deutschland unterliegen plastisch-chirurgische Operationen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), und auf die rein ästhetischen Eingriffe muss eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben werden, was nur einen kleinen Spielraum bei der Preisgestaltung zulässt“, so Dr. med. Helge Jens, Mitglied des Vorstands der DGÄPC und Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. „Zudem bieten die Social-Media-Plattformen den Anbietern aus dem Aus- und Inland ganz neue Möglichkeiten, sehr leicht ihre Zielgruppe zu erreichen.“
Eine WDR-Recherche ergab unter anderem, dass aggressive Bewerbung mit Rabattcodes und Specials, Kooperationen mit Influencern, die sich teils sogar in geschlossene Patienten-Facebookgruppen einschleusen und für bestimmte Ärzte werben, zur gängigen Praxis gehören. Gepaart mit besonders günstig wirkenden All-in-one-OPs, die seriöse Fachärzt*innen aus medizinischen Gründen niemals anbieten würden und der Darstellung von Vorher-Nachher-Bildern stellen einen großen Anziehungspunkt für Patient*innen dar.
Letztere sind in Deutschland für die Darstellung operativer Ergebnisse per Gesetz verboten, dürfen aber von im Ausland ansässigen Ärzten und Kliniken werblich genutzt werden. All das ist für potenzielle Patient*innen sehr verlockend und sorgt dafür, dass die Zahlen für „Pfusch-OPs“ über die letzten drei Jahre stetig hoch geblieben sind.
Infos und Tipps vom DGÄPC-Vorstandsmitglied Dr. med. Helge Jens
Die DGÄPC hat es sich als Deutschlands älteste und erste Fachgesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie zur Aufgabe gemacht, Patient*innen auf dem Weg zu ihrer Operation zu begleiten und darüber aufzuklären, was es alles bei der Vorbereitung und der Auswahl des Arztes/der Ärztin zu beachten gibt, um Komplikationen zu vermeiden.
Dr. med. Helge Jens, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie aus Aachen, ist bereits seit neun Jahren Vorstandsmitglied der DGÄPC und beobachtet diesen Trend gemeinsam mit seinen fachärztlichen Kollegen seit langem. Er weiß, worauf man der Planung der Wunsch-Operation achten sollte und was Patient*innen hellhörig machen sollte.
Arztauswahl – Woran kann ich erkennen, ob der gewählte Arzt seriös ist?
Dr. med. Helge Jens: „Die erste wichtige Frage, die man sich stellen sollte, bevor man sich auf den Weg zu einem Arzt oder sogar in ein fremdes Land macht, ist: Sind der ausgewählte Arzt und das Angebot überhaupt seriös? Das Hauptproblem ist, dass viele Patienten und Patientinnen wenig darüber aufgeklärt sind, welche Ärzte sich für ästhetisch-plastische Operationen eignen und wo sie zum Beispiel eine Art Register hierfür finden können. Gleich vorneweg: Ist kein Facharzttitel für Plastische und Ästhetische Chirurgie oder Plastische Chirurgie im Lebenslauf vorhanden, oder fehlt dieser gänzlich auf der Website des Arztes, empfehle ich, sich auf die Suche nach einem anderen Arzt zu machen. Das gilt insbesondere für Ärzte im Ausland. In Deutschland gibt es zudem die Möglichkeit der Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“, die Fachärzte der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie erlangen können.“
Aber hier ist noch mehr Recherche angebracht, so Dr. med. Helge Jens: „Das zweite Problem ist, dass manche Ärzte möglicherweise Falschaussagen zu deren Mitgliedschaften in seriösen Fachgesellschaften treffen. Hier muss man als Patient seine Hausaufgaben machen und einfach bei den Fachgesellschaften selbst in deren Mitgliedsregistern nachsehen. Ein sehr seriöser Anlaufpunkt, um qualifizierte Ärzte in jedem Land dieser Welt zu finden, ist die ISAPS – die International Society of Aesthetic Plastic Surgery.“
Woran erkenne ich im Beratungsgespräch, ob der Arzt der Richtige für mich ist?
Dr. med. Helge Jens: „Ein ausführliches und aufklärendes Beratungsgespräch, vor allem die Risiken eines Eingriffs betreffend, sind das A und O in der Patientenvorbereitung. Alleine deshalb sollte der oder die Operateur/in die gleiche Sprache sprechen oder mindestens ein Übersetzer vorhanden sein. Während in Deutschland rein rechtlich zwischen Beratung und größeren operativen Eingriffen mindestens 48 Stunden liegen müssen, bei kleineren Eingriffen müssen es mindestens 24 Stunden sein, ist die Gesetzeslage im Ausland für Patienten eher undurchsichtig.“
Und wie sieht das in der Realität aus? „Bei den zahlreichen Fällen, die unsere Mitglieder über das Jahr hinweg in ihren Praxen und Kliniken behandeln, hört man häufig einen ähnlichen Verlauf. Demnach hat eine Beratung zwischen Arzt und Patient im Vorfeld gar nicht stattgefunden oder lediglich direkt vor der OP“, so Dr. med. Helge Jens. Und: „Eine Aufklärung erfolgte wenn, dann nur via Vermittlungsagentur per Videokonferenz oder in den schlimmsten Fällen wurde die OP anhand von eingesendeten Fotos der Patient*innen geplant und per Mail, per WhatsApp oder über Instagram und Facebook kommuniziert.“
Für Dr. med. Helge Jens steht fest: „Unter seriösen Fachärzten im In- wie auch im Ausland, ist so ein Vorgehen absolut unüblich. Eine Beratung erfolgt stets persönlich, denn nur dann kann man sich ein umfassendes Bild vom tatsächlichen Befund des Patienten/der Patientin machen, und nur so gibt man den Patienten und Patientinnen die Möglichkeit, Vertrauen zum Behandler aufzubauen.“
Und wie lange geht so eine Beratung? „Bei unseren Mitgliedern dauert eine Beratung in der Regel 60 Minuten. Es kann auch etwas schneller gehen, denn manche Patienten sind schon sehr gut informiert. Dennoch gilt, alles, was unter 30 Minuten liegt, ist ungenügend. Auch die Sprachbarriere wird bei Verständnisfragen oft zum Problem. Denn meist treffen sich sowohl Arzt als auch Patient in einer Sprache, die auf beiden Seiten nicht der Muttersprache entspricht.“
„All-in-one“-OPs – wie gefährlich sind sie für Patient*innen?
Dr. med. Helge Jens warnt: „Es hat seine Gründe, warum sogenannte All-in-one-OPs, wie zum Beispiel ein Mummy-Make-over mit Bauchdeckenstraffung, Brust-OP, Brazilian Butt Lift und großer Liposuktion (Fettabsaugung) von qualifizierten Fachärzten nicht innerhalb eines Eingriffs durchgeführt werden. Jede einzelne dieser Operationen hinterlässt große Wundflächen, die verheilen müssen. Zudem bringt jeder einzelne Eingriff Risiken mit sich. Summiert man nun also die Eingriffe, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Risiken zu echten Problemen werden, teils sogar lebensbedrohlich. Der Körper braucht sehr lange, um zu regenerieren. Das sollte man sich immer vor Augen halten.“
Heimreise kurze Zeit nach einer OP – Welche Gefahren und Risiken birgt das?
„Wenn man sich im Ausland einer solch großen OP aussetzt, und dann sehr kurze Zeit später wieder im Flieger nach Hause sitzt, mit Gepäck und allem, was dazu gehört, obwohl man sich eigentlich mindestens zwei Wochen schonen sollte, dann sind Komplikationen vorprogrammiert“, gibt Dr. med. Helge Jens zu bedenken.
Und: „Hier gilt es zudem zu klären, wer das Ziehen der Fäden und die operative Nachsorge übernimmt und wer im Notfall für den Patienten/die Patientin da ist. Das vermeintliche Schnäppchen wird dann schnell sehr teuer. Denn wenn man wieder zurück in Deutschland ist und dann Komplikationen entstehen, bleibt nur der Gang zum Facharzt vor Ort – und dieser rechnet natürlich dann auch für seine Leistung ab.“
Wer übernimmt die Haftung im Schadensfall?
„Behandlungen im Ausland sollten immer gut überlegt und auch vorbereitet sein. Denn eine Nachbehandlung, selbst wenn es nicht direkt zu einem Schaden gekommen ist, sondern schlichtweg das Ergebnis nicht den eigenen Ansprüchen genügt, ist allein wegen der Entfernung schon schwierig und mit hohen Reisekosten verbunden“, sagt Dr. med. Helge Jens.
Fest steht: „Tritt ein Schadensfall ein, ist der Gerichtsstand immer der Ort, an dem die Operation durchgeführt wurde. Die Gewährleistung – etwa bei auftretenden Komplikationen – muss daher vor der Behandlung schriftlich, möglichst nach deutschem Recht festgelegt werden. Das kann über einen privaten Behandlungsvertrag mit dem ausländischen Arzt und/oder der Klinik geregelt werden. Hierauf werden sich die Ärzte, die üblicherweise werblich in Deutschland sehr aktiv sind, aber erfahrungsgemäß nicht einlassen“, so Dr. med. Helge Jens.
Immerhin gibt es einen rechtlichen Lichtblick: „Dennoch hat man eine kleine Chance, erfolgreich zu sein. Nämlich dann, wenn die ausländische Klinik oder der Arzt in Deutschland nachweislich werblich aktiv ist (zum Beispiel Anzeigen in Print/Social Media). Dann gilt auch deutsches Recht. Bei Problemen innerhalb der EU hilft das unabhängige, EU-weit tätige Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) mit einer Beratung“, erklärt Dr. med. Helge Jens.
Was tun im Schadensfall?
Dr. med. Helge Jens listet hier ein paar elementare Tipps auf: „Wer sich im Ausland operieren lassen will, sollte ein Erinnerungsprotokoll anfertigen und sich eine Kopie von allen Dokumenten besorgen. Das betrifft vor allem den Aufklärungsbogen, den Behandlungsvertrag und Einverständniserklärungen. Findet die Kommunikation im Vorfeld über Soziale Medien oder andere Kanäle statt, sollte man unbedingt Screenshots mit seinem Handy davon anfertigen. Zahlungen sollten aufgrund der Nachweisbarkeit auch niemals in bar getätigt werden, sondern immer per Überweisung.“
Auch im Ausland gibt es qualifizierte Ärzte – wie können Patienten diese finden?
„Es ist uns als Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie mit internationalen Beziehungen zu fachärztlichen Kollegen wichtig, zu unterstreichen, dass es in nahezu jedem Land dieser Erde kompetente und erfahrene Ärzte gibt. Wer sich also im Ausland operieren lassen möchte, der sollte sich vorab auf der Website der ISAPS oder der betreffenden Fachgesellschaft für Plastische Chirurgie informieren, wer sich für die gewünschte Operation im jeweiligen Land eignet und von dort aus seine Suche weiterführen“, so Dr. med. Helge Jens.
Zugleich lenkt er auch den Blick auf die deutsche Schönheits-OP-Szene: „Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern hat ergeben, dass rund 50 Prozent aller Revisions-Operationen aus Deutschland stammen.“ Das bedeutet, dass es auch hierzulande „fachfremde Kollegen“ gebe, die unter dem Deckmantel des nicht geschützten Begriffs des „Schönheitschirurgen“ nicht fachgerecht operieren und behandeln würden. „Auch hier gibt es unseriöse und undurchsichtige Schönheitsklinikketten, die mit aggressiver Werbung vorschnell in den Fokus der Patienten geraten“, sagt Dr. med. Helge Jens.
Infos zur DGÄPC
Die DGÄPC wurde 1972 gegründet und ist Deutschlands erste und älteste Fachgesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Seit bereits 50 Jahren steht der Name der Gesellschaft für qualitative Standards in der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie.
Ziele der DGÄPC sind seit der Gründung im Jahr 1972 die Qualitätssicherung bei ästhetisch-plastischen Behandlungen und Operationen mit intensivem fachlichem Austausch unter Kollegen, die Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich, sowie die Unterstützung auch bei betriebswirtschaftlichen Fragen der Mitglieder.