
Mindestmengen an Operationen in Krankenhäusern haben das Ziel, dass besonders anspruchsvolle, komplizierte und planbare Operationen und Behandlungen nur in Kliniken durchgeführt werden, die über ein Mindestmaß an Erfahrung und Spezialeinrichtungen verfügen. Foto: Damian/stock.adobe.com
Wo Herzinfarkt oder Brustkrebs behandeln lassen? Qualitätsmonitor macht Klinikversorgung transparent
Mindestmengen an bestimmten schwierigen Operationen in Kliniken sind ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in Deutschland. Sie dienen dazu, die notwendige Erfahrung bei hochkomplexen Leistungen sicherzustellen und damit das Risiko für Patienten zu minimieren. Schließlich kann von der praktischen Erfahrung der Ärzte, der technischen Ausrüstung wie etwa Herzkatheterlaboren (HKL) sowie einer spezifischen pflegerischen Qualität das Leben von Patienten abhängen.
Das zeigt sich zum Beispiel in Kliniken mit vielen Herzinfarkt- oder Brustkrebs-Operationen. Die Einführung zusätzlicher Mindestmengen für Operationen etwa bei Darmkrebs, Herztransplantationen oder Hüftprothesen-Implantationen ist aus Sicht der AOK sinnvoll. Bei all diesen Indikationen würden immer noch zu viele Kliniken mit zu wenig Routine und zu geringen Fallzahlen operieren. Die Folgen für die behandelten Patienten sind mitunter fatal: Sie reichen von häufigeren Komplikationen bis zu erhöhten Sterblichkeitsraten.
Komplexe Speiseröhren-OPs auf Spezialkliniken konzentriert
Bei komplexen Operationen an der Speiseröhre hat es durch die Anhebung der Mindestmenge von 10 auf 26 Eingriffe im Jahr 2023 eine deutliche Konzentration der Leistungen auf weniger Klinik-Standorte mit höheren Fallzahlen gegeben. Das machen heute aktualisierte Daten im Online-Portal „Qualitätsmonitor“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) transparent: Während 2022 noch 42 Prozent der Fälle in Kliniken mit weniger als 26 Eingriffen pro Jahr behandelt wurden, waren es im Jahr der Mindestmengen-Anhebung 2023 nur noch 23 Prozent.
„Die Daten bestätigen den positiven Trend, der auch in der Mindestmengen-Transparenzkarte der AOK sichtbar ist“, sagt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. „Dass trotz höherer Fallzahl-Vorgaben trotzdem noch etwa jede vierte Speiseröhren-OP in Kliniken unterhalb der Mindestmenge durchgeführt wurde, ist durch Ausnahme- und Übergangsregelungen zu erklären, die im Einzelfall auch fallzahlschwächeren Kliniken auf Basis einer positiven Prognose die Operationen erlauben.“ Die größten Fortschritte bei der Konzentration der Leistungen gab es laut Qualitätsmonitor in Hessen: Während hier 2022 nur 13 Prozent der Behandlungen in Kliniken mit mehr als 26 Fällen pro Jahr durchgeführt wurden, waren es 2023 bereits 75 Prozent.
Stagnation bei Steuerung von Herzinfarkt-Patienten in geeignete Kliniken
Für alle sechs im Qualitätsmonitor abgebildeten Indikationen sind heute die Kennzahlen und Daten für das Jahr 2023 ergänzt worden. Sie erlauben eine längerfristige Betrachtung der Entwicklung bei bestimmten Qualitätsthemen, die auch mit der anstehenden Krankenhausreform adressiert werden. So ist bei den Herzinfarkt-Behandlungen in Kliniken ohne Herzkatheterlabor nach einem positiven Trend in den vergangenen Jahren nun eine gewisse Stagnation sichtbar: Der Anteil der Patienten mit einem Herzinfarkt, die in einer Klinik ohne HKL-Verfügbarkeit behandelt wurden, lag sowohl 2022 als auch 2023 relativ konstant bei knapp 5 Prozent.
„Wir verzeichnen für 2023 insgesamt 8430 Herzinfarkt-Fälle, die nicht leitliniengerecht versorgt wurden. Damit können die Verantwortlichen im Bund und in den Ländern nicht zufrieden sein, zumal wir Kliniken mit unklaren Angaben zum Herzkatheterlabor oder ohne tägliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung hier noch gar nicht eingerechnet haben. Die Einführung der Leistungsgruppen im Rahmen der Krankenhausreform kann zur Reduzierung dieser Fehlversorgungsrate beitragen, wenn sie konsequent umgesetzt wird.“
WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber
Mindestmengen haben das Ziel, dass besonders anspruchsvolle, komplizierte und planbare Operationen und Behandlungen nur in Kliniken durchgeführt werden, die über ein Mindestmaß an Erfahrung verfügen. Dass es bei der besseren Steuerung der Notfallpatienten in die „richtigen“ Kliniken noch Potenzial gibt, macht auch der Vergleich der Bundesländer im Qualitätsmonitor deutlich: In Hamburg liegt der Fehlversorgungsanteil bei 0,6 Prozent. Gerade einmal 26 Herzinfarkt-Patienten sind dort in Kliniken ohne Herzkatheterlabor gelandet. Im Saarland dagegen waren es 291 Fälle, was etwa 10 Prozent aller Herzinfarkt-Behandlungen in diesem Bundesland entspricht.
11 Prozent der Brustkrebs-Patientinnen nicht in Brustkrebs-Zentren behandelt
Auch hinsichtlich der operativen Behandlung von Brustkrebs in Krankenhäusern, die als Brustkrebs-Zentrum zertifiziert sind, zeigt der Qualitätsmonitor nach einem positiven Trend in den letzten Jahren zuletzt kaum noch Bewegung: Weiterhin werden mehr als 11 Prozent der Patientinnen mit Brustkrebs in nicht-zertifizierten Kliniken operiert. Auch im Ländervergleich zeigen sich kaum Fortschritte: So wird in Sachsen-Anhalt nach wie vor mehr als jede vierte Frau mit Brustkrebs in einer Klinik operiert, die nicht von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert ist.
„Die Einführung und jüngste Anhebung der Mindestmengen für Brustkrebs-Operationen ist sicherlich ein Fortschritt und wird die Konzentration der Versorgung fördern. Allerdings sollte der Fokus der Politik noch mehr auf einer Zentralisierung der Behandlungen in zertifizierten Kliniken liegen, die neben der Mindestmenge viele weitere Struktur- und Prozesskriterien erfüllen. Die Behandlung in diesen Zentren bietet laut Studienlage klare Überlebensvorteile für die betroffenen Patientinnen“, betont Jürgen Klauber.
Qualitätsmonitor macht Qualität der Krankenhausversorgung transparent
Das Online-Portal „Qualitätsmonitor“ macht Struktur- und Qualitätsunterschiede in der stationären Versorgung transparent. Es ermöglicht Auswertungen nach verschiedenen Qualitäts- und Strukturindikatoren zu den Indikationen Herzinfarkt, Brustkrebs, Lungenkrebs, Versorgung von Schenkelhalsbrüchen sowie zu komplexen chirurgischen Eingriffen an der Bauchspeicheldrüse und der Speiseröhre. Zudem bietet des Portal Zeitreihen zur Darstellung der Entwicklung bei verschiedenen Qualitätsthemen, regionale Vergleiche zwischen den Bundesländern und Daten zu einzelnen Kliniken. Die Nutzer haben die Möglichkeit, die Qualitätskennzahlen in Karten oder Diagrammen zu visualisieren und herunterzuladen. Die Daten im Qualitätsmonitor werden jährlich aktualisiert. pm