Wenn ein Mensch schwer erkrankt und am Ende seines Lebens steht, sehen sich Angehörige und Ärzte häufig vor die Aufgabe gestellt, das medizinisch Machbare gegen den mutmaßlichen Willen und das Wohl des Patienten abzuwägen. In solchen Fällen unterstützt und berät das Klinische Ethikkomitee am Helios Klinikum Pforzheim Patienten, Angehörige und Mitarbeitende. Foto: venusvi/stock.adobe.com

Was tun an der Schwelle des Todes? Klinisches Ethikkomitee hilft Angehörigen und Klinikpersonal

Was ist medizinisch noch machbar in diesem einen Notfall, der eine ganze Familie bewegt? Was hätte sich das regungs- und sprachlos in der Intensivstation liegende Unfallopfer gewünscht? Hat er jemals seinen Willen bekundet, was in so einer emotionalen Extremsituation zu tun sei? Seit über zehn Jahren unterstützt das Klinische Ethikkomitee am Helios Klinikum Pforzheim Patienten und Mitarbeitende in ethisch herausfordernden Situationen.

Knifflige Frage: Ist eine Organspende möglich?

Dieses wichtige Gremium, das während der Coronapandemie weiter an Bedeutung gewonnen hat, wird auch in anderen medizinischen Grenzsituationen, beispielsweise beim Thema Organspende, immer wieder einbezogen. Wenn ein geliebter Mensch schwer erkrankt und am Ende seines Lebens steht, sehen sich Angehörige und Ärzte häufig vor die Aufgabe gestellt, das medizinisch Machbare gegen den mutmaßlichen Willen und das Wohl des Patienten abzuwägen. Bei schweren Hirnschädigungen, beispielsweise nach einem Unfall, kann die Frage nach einer Organspende aufkommen.

Infrage kommt dies nur, wenn ein irreversibler Ausfall aller Hirnfunktionen nachgewiesen werden kann. Bei einem erheblichen Anteil der Patienten ist dies auf Grund von Restfunktionen des Hirns nicht der Fall. In Situationen wie diesen steht das Klinische Ethikkomitee des Helios Klinikum Pforzheim Patienten, Angehörigen und Mitarbeitenden zur Seite und kann für eine ethische Fallbesprechung hinzugezogen werden.

Dauereinsatz in der Coronapandemie

2011 wurde das Klinische Ethikkomitee gegründet, ein Gremium, das in medizinischen Grenzsituationen Orientierungs- und Entscheidungshilfen auf Basis anerkannter ethischer Prinzipien geben kann. Heute sind ethische Fallbesprechungen zwischen Ärzten, Pflegenden und Angehörigen, beispielsweise aufgrund einer fehlenden Patientenverfügung, fester Bestandteil des Klinikgeschehens. „Die Corona-Pandemie hat zwar unsere Jubiläumsfeier verhindert, dafür aber unsere Kompetenz in besonderem Maße gefordert. Mit unseren Handlungsempfehlungen konnten wir den Kollegen im ganzen Haus mehr Sicherheit geben“, blickt Dr. Thomas Ringle, Chefarzt der Kinderchirurgie und Vorsitzender des Klinischen Ethikkomitees, zurück. Sein Dank gilt den aktuell rund 20 Mitgliedern, die sich neben ihren Aufgaben im Klinikalltag für das Ethikkomitee engagieren, sowie den ehemaligen Vorsitzenden und Mitgliedern.

Im Vortrag „Zahlt sich Ethik aus? Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus“ erläuterte Prof. Dr. Georg Marckmann von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München anhand eindeutiger wissenschaftlicher Belege, wie sich ein aktives Wertemanagement auf Basis ethischer Prinzipien langfristig auf die Patientenversorgung sowie auf Mitarbeitermotivation und Personalakquise auswirkt. Der renommierte Medizinethiker begleitet das Klinische Ethikkomitee am Helios Klinikum Pforzheim seit der ersten Stunde und arbeitet eng mit dem Gremium zusammen.

Individuelle Empfehlungen nach ethischen Prinzipien

Mit seinen geschulten Mitgliedern aus allen Berufsgruppen, unter anderem Ärzten, Pflegenden, Seelsorgenden und Kollegen des Sozialdienstes, arbeitet das Klinische Ethikkomitee interdisziplinär und unabhängig. Wöchentlich sind die Mitglieder des Komitees bei der sogenannten Ethik-Visite auf der Intensivstation als Teil des interdisziplinären Behandlungsteams präsent. Zudem werden Empfehlungen für die klinische Patientenversorgung, wie Schwerpunkte im Falle einer Sterbebegleitung oder Leitlinien während der Corona-Pandemie, erarbeitet.

Vier Mitarbeitende haben die Zusatzqualifikation „Ethikberater:in im Gesundheitswesen“ und sind damit zur sogenannten „Prinzipienorientierten ethischen Fallbesprechungen“ berechtigt. In Situationen mit ethischer Relevanz kann das Klinische Ethikkomitee von Patienten, Angehörigen oder Mitarbeitenden angerufen werden und gibt individuelle Empfehlungen zu einer Vorgehensweise, die im konkreten Fall den ethischen Prinzipien Wohltun und Nichtschaden, Patientenselbstbestimmung und Gerechtigkeit am ehesten entspricht.   pm/tok

Kompetenter Wegbegleiter: Seit seiner Gründung arbeitet das Klinische Ethikkomitee am Helios Klinikum Pforzheim um den Vorsitzenden und Chefarzt der Kinderchirurgie, Dr. Thomas Ringle (rechts), eng mit dem renommierten Medizinethiker Prof. Dr. Georg Marckmann zusammen. Foto: Alexandra Jahnke

Info

Das Helios Klinikum Pforzheim ist ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung mit 500 Planbetten. Hinzu kommt eine Privatklinik mit 18 Planbetten. Als Akademisches Lehrkrankenhaus der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg verfügt das Helios Klinikum Pforzheim über 15 Kliniken, zwei medizinische Institute und ist mit hochmodernen medizinischen Geräten ausgestattet.