Sind Ärzte dazu bereit, beim Suizid zu assistieren? Die Bereitschaft, so deutet es ein Zwischenstand einer Umfrage unter Ärzten an, scheint hoch zu sein, wenn einige Voraussetzungen gegeben sind. Foto: Dan Race/stock.adobe.com

Hohe Bereitschaft bei Medizinern zum ärztlich assistierten Suizid

Von 444 Ärzten befürworten rund 82 % den ärztlich assistierten Suizid – etwa 18 % lehnen die Unterstützung beim Sterben gänzlich ab. So lautet das Zwischenergebnis einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) zum ärztlich assistierten Suizid.

Seit September 2022 ist die Umfrage online, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) mitteilt. Noch bis September 2023 können Ärzte teilnehmen. „Für uns als Versorgergesellschaft ist Ihre Teilnahme von immenser Bedeutung, um die Positionen von Patienten und behandelnden Ärzten auch auf der politischen Bühne mit einer fundierten Wissensgrundlage vertreten zu können“, richtet sich Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS, in der Zeitschrift „Schmerzmedizin“ an die Behandler.

Patienten haben keinen Anspruch auf ärztliche Hilfe beim Suizid

Bereits 2020 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht umfasst, sich das Leben zu nehmen und dabei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Damit wurde das Verbot einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig. Allerdings sind nach wie vor viele Fragen zum ärztlich assistierten Suizid offen. Um zu erfahren, welche Haltung Ärztinnen und Ärzte zu diesem Thema haben und um damit eine Diskussion anzustoßen, startete die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) diese Umfrage.

„Es gibt hier kein Richtig oder Falsch“, betont Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS und einer der Initiatoren der Umfrage. „Vielmehr geht es darum, ein reales Meinungsbild zu ermitteln.“ Sind Ärztinnen und Ärzte dazu bereit, beim Suizid zu assistieren? Sollen nur Palliativpatientinnen und Palliativpatienten das Anrecht auf unterstützten Suizid haben, oder auch chronisch somatisch und/oder psychisch Kranke, wenn Behandlungen keinen Erfolg zeigen? Oder haben auch gesunde Menschen einen Anspruch auf ärztliche oder nicht-ärztliche Unterstützung? Oder sollten sich Ärzte in diesem Bereich überhaupt nicht betätigen? Welche Patientinnen und Patienten bitten aktuell um Unterstützung?

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin betont in diesem Zusammenhang, dass Patienten keinen Anspruch darauf haben, dass ein Arzt sie beim Suizid unterstützt und dass kein Arzt dazu verpflichtet werden kann, Suizidhilfe zu leisten. Auf der anderen Seite sei die Selbständigkeit, Autonomie und Handlungsfähigkeit für schwerstkranke Patienten mindestens genauso wichtig wie eine gute Symptomkontrolle.

Hohe Bereitschaft zum ärztlich assistierten Suizid

Die Umfrage besteht aus insgesamt 16 Fragen – 10 davon zum ärztlich assistierten Suizid, 6 zu demographischen Daten der Teilnehmer. Neben der allgemein befürwortenden Haltung zeigt sich, dass Ärzte besonders nach erfolgloser Palliativversorgung bereit wären, beim Suizid zu unterstützen. Auch bei chronisch erkrankten Patienten wäre ein Großteil der befragten Ärzte zum ärztlich assistierten Suizid bereit. Bei psychiatrischen Erkrankungen würden in Ausnahmefällen bis zu 50 % den Suizid unterstützen.

Für Patienten mit akuten Erkrankungen lehnen die meisten Ärzte Suizidassistenz ab. Bezogen auf die verschiedenen Patientengruppen deckt sich ihre Bereitschaft zum ärztlich assistierten Suizid mit der Häufigkeit der Anfragen seitens der Patienten. In Deutschland ist die Zahl der Suizide seit Anfang der 80er-Jahre von etwa 18.000 auf mittlerweile rund 9200 Tote im Jahr (Quelle: Statistisches Bundesamt 2020) gesunken. Diese positive Entwicklung zeigt, dass sich die Versorgungssituation in den vergangenen 40 Jahren in Deutschland verbessert hat. Menschen mit Depression holen sich häufiger Hilfe, und die Ärzte erkennen Depressionen besser.

Kontroverse Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Hintergrund der Umfrage ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2020, dass das Verbot einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig ist. Da das Thema kontrovers diskutiert wird, soll die Umfrage die Haltung der behandelnden Ärzte erheben. Der Fragebogen ist anonymisiert und nimmt max. 10 Minuten Zeit in Anspruch. Ärztinnen und Ärzte können direkt über die > Website der DGS oder einen QR-Code teilnehmen.

Wunsch nach ärztlich assistiertem Suizid geht vom Patient aus

„Beim ärztlich assistierten Suizid geht die Handlung des Suizides nicht von Dritten aus, sondern der Patient selbst nimmt das tödlich wirkende Medikament ein, das ihm ein Arzt vorher verschrieben hat. Ein schwer kranker Krebspatient, der bereits alle Möglichkeiten der palliativen Versorgung erhalten hat, darf für sich selbst entscheiden, ob er mit ärztlicher unterstützender Hilfe aus dem Leben scheidet. Es klingt daher schon ein wenig paradox, die Patientenautonomie als ein sehr hohes und wichtiges Gut herauszustellen und in einer entscheidenden Frage den kranken Menschen nicht entscheiden zu lassen, was er für richtig oder für falsch hält“, schreibt Norbert Schürmann, Arzt und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V., in einer DGS-Stellungnahme zum Thema „Die Frage nach dem selbstbestimmten Sterben: Nehmen wir Ärzte den Patienten die Verantwortung hierfür ab?“

Und, so erklärt Schürmann weiter: „Eine Abgrenzung zwischen unterschiedlichen (schwerwiegenden) Erkrankungen zu ziehen, ist außerordentlich schwierig, rechtlich wie ethisch, da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes jeder Mensch, ob gesund oder krank, die gleichen Rechte auf Hilfe von Dritten hat. Viele chronisch kranke Patienten sind mit ihrer Erkrankung ebenso wenig heilbar wie Krebspatienten. Diese haben die gleichen Rechte. Dennoch sind Abstufungen auf Grund der Schwere einer Erkrankung dringend notwendig.“

Das ist die DGS

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) ist mit rund 4.000 Mitgliedern und 120 Schmerzzentren die führende Fachgesellschaft zur Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen. In enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Schmerzliga e. V. ist es ihr vorrangiges Ziel, die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern – durch eine bessere Diagnostik und eine am Lebensalltag des Patienten orientierte Therapie. Dafür arbeiten die Mitglieder der DGS tagtäglich in ärztlichen Praxen, Kliniken, Schmerzzentren, Apotheken, physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Einrichtungen interdisziplinär zusammen. Der von der DGS gestaltete jährlich stattfindende Deutsche Schmerz- und Palliativtag zählt seit 1989 auch international zu den wichtigen Fachveranstaltungen und Dialogforen. Aktuell versorgen etwa 1.321 ambulant tätige Schmerzmediziner die zunehmende Zahl an Patienten. Für eine flächendeckende Versorgung der rund 3,9 Millionen schwerstgradig Schmerzkranken wären mindestens 10.000 ausgebildete Schmerzmediziner nötig. Um eine bessere Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen zu erreichen, fordert die DGS ganzheitliche und bedürfnisorientierte Strukturen – ambulant wie stationär – sowie eine grundlegende Neuorientierung der Bedarfsplanung. dgp/pm/tok