Neuartige Lebensmittel wie Insekten sind im Gegensatz zur Massentierhaltung nachhaltig und ernährungsphysiologisch vorteilhaft. Nur trauen sich noch die wenigsten Zeitgenossen, Insekten zu probieren. Foto: weerapat1003/stock.adobe.com

Vorurteile halten Menschen vom Verzehr von Insekten und gezüchtetem Fleisch ab

Der Zustand unseres Planeten – Klimawandel, Artensterben, dramatischer Anstieg der Weltbevölkerung – macht eine Abkehr von der konventionellen Lebensmittelproduktion hin zu nachhaltigeren Lebensmittelsystemen unumgänglich. Es gibt bereits Alternativen zu Fleisch aus Massentierhaltung. Insekten sind klimafreundlicher als Fleisch. Deshalb werden nach und nach immer mehr alternative Lebensmittel von den Aufsichtsbehörden zugelassen. Doch die Akzeptanz auf dem Markt ist noch gering. Warum das so ist, wollten Bayreuther Forscher wissen.

Ein Team der Universität Bayreuth hat den Einfluss von Halbwissen, Vorurteilen und anderen psychologischen Faktoren auf die Wahrnehmung von neuartigen Lebensmitteln – also von Lebensmitteln aus Insekten oder Zuchtfleisch – durch Verbraucher untersucht: Die Hauptfaktoren für die Ablehnung neuartiger Lebensmittel sind negative Emotionen, insbesondere Ekel und Angst, in Verbindung mit Persönlichkeitsmerkmalen und bestimmten kulturellen Normen. 

Halbwissen, Vorurteile, Emotionen, kulturelle Normen

Veröffentlicht wurde die Metastudie jetzt im Fachjournal „Appetite“, wie das DeutschesGesundheitsPortal berichtet. Forscher der Universität Bayreuth und der Universität Wien haben eine systematische Übersicht über fast 200 Artikel erstellt und diese aus lebensmittelrechtlicher und ernährungspsychologischer Sicht analysiert. Sie untersuchten, inwieweit Halbwissen, Vorurteile, Emotionen und kulturelle Normen die Wahrnehmung von neuartigen Lebensmitteln beeinflussen.

„Wir wollten sehen, wie Heuristiken – also mentale Abkürzungen, um Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen – und andere psychologische Aspekte beeinflussen, wie Verbraucher neuartige Lebensmittel sehen“, sagt Alessandro Monaco, Nachwuchswissenschaftler am Lehrstuhl für Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth. „Dazu haben wir einen interdisziplinären Ansatz gewählt, indem wir eine juristische Perspektive eingenommen haben, um den Umfang der Forschung zu definieren und zu analysieren, wie sich die psychologischen Reaktionen der Verbraucher in den für neuartige Lebensmittel geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln – letztendlich haben unsere Ergebnisse Auswirkungen auf die Politik.“

Ekel und Angst und Misstrauen gegenüber Konzernen

Die analysierten Artikel konzentrierten sich vor allem auf Insekten und Fleisch aus Zellkulturen. Monaco weiß: „Ekel und Angst veranlassen die Verbraucher dazu, neuartige Lebensmittel wie Insekte abzulehnen, selbst wenn diese Lebensmittel wünschenswerte Eigenschaften haben, z. B. nachhaltiger oder ernährungsphysiologisch vorteilhaft sind. Ebenso neigen die Verbraucher dazu, Produkte zu bevorzugen, die von kleineren, lokalen Unternehmen stammen, statt von multinationalen Konzernen – die aktuell die Treiber im Novel Food Markt sind – weil diese als nicht vertrauenswürdig wahrgenommen werden.“

Darüber hinaus bevorzugen die Verbraucher Lebensmittel, die als natürlich und nicht durch künstliche oder menschliche Eingriffe verändert wahrgenommen werden. „Interessanterweise zeigt die jüngste politische Debatte in der EU, dass die negative Wahrnehmung von neuartigen Lebensmitteln selbst dann stark bleibt, wenn die Produkte zugelassen und nachweislich sicher sind. Dies ist wahrscheinlich auf die Komplexität des Zulassungsverfahrens zurückzuführen, das von der Mehrheit der Bevölkerung nicht ausreichend verstanden wird“, erklärt Monaco.

Positive Emotionen provozieren

Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Akzeptanz der Verbraucher steigt, wenn positive Emotionen wie Neugierde ausgelöst werden und die Vertrautheit mit den neuartigen Lebensmitteln zunimmt. „Auch wenn die Regulierungsbehörden Emotionen und soziale Normen nicht direkt durch die Gesetzgebung beeinflussen können, so können sie doch einen indirekten Einfluss ausüben, indem sie die notwendigen Bedingungen schaffen, die zur Bildung solcher Normen beitragen“, schlussfolgern die Forscher.    DGP/tok