
Wer liefert mehr Vitamin C – Zitrusfrüchte wie Zitronen oder Orangen oder Gemüse wie rote Paprika? Das Rennen um den Vitamin-C-Gehalt gewinnt die Paprika mit 140 mg Vitamin C pro 100 g Paprika. Zitronen kommen nur auf 53 mg/100 g. Foto: keke – KI-generiert/stock.adobe.com
Vitamin C – was hinter dem Power-Vitamin für Abwehr, Zellen und Alltag steckt
Als die Europäer mit ihren Segelschiffen fremde Länder und Kontinente entdeckten, war Skorbut (Mundfäule) eine Haupt-Todesursache bei Seeleuten. Der britische Schiffsarzt James Lind zeigte 1754 in einer Studie, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen. 1795 verfügte die britische Admiralität, dass an die Besatzung von Schiffen der Royal Navy täglich eine Ration Zitronensaft ausgegeben werden solle. Damals wusste noch niemand, was Vitamine sind, aber man setzte im Kampf gegen Skorbut auf die vorbeugende Wirkung von Zitrusfrüchten, beziehungsweise von Sauerkraut bei den norddeutschen Handelsschiffern. Erst 1932 wurde Vitamin C (Ascorbinsäure) als ursächlicher Faktor für Skorbut entdeckt.
Seit jenem Jahr hat man diesem Vitamin immer wieder Gesundheitswunder zugesprochen. Das wurde wohl auch dadurch gefördert, dass Vitamin C scheinbar vor allem in den beliebten Zitrusfrüchten zur Verfügung steht, und diese nach den Wirtschaftswunderjahren überall und recht günstig zu kaufen waren. Heute gibt es Vitamin C in exotischen Säften aller Art und in sauer schmeckenden Kügelchen, die man aus einem Tütchen auf die Zunge schüttet. Die Obst- und Gemüsetheken liefern uns das ganze Jahr über Vitamin C und kaum ein Nahrungsergänzungsmittel (NEG) kommt ohne den „Gesundmacher“ aus. Schon unsere Großmütter wussten, dass Zitrusfrüchte in der Erkältungszeit helfen sollen. Doch was steckt wissenschaftlich dahinter?

Kein Unterschied zwischen natürlichem und künstlichem Vitamin C
In der Natur kommt Vitamin C in Zitrusfrüchten wie Zitronen, Orangen, Limonen oder Grapefruits vor. Doch die Seeleute mit Skorbut, denen das Zahnfleisch schmerzte und die Zähne ausfielen, die über Erschöpfung, schlechte Wundheilung, Hautentzündungen, Muskelschwund, Knochenschmerzen, Gelenkentzündungen oder Fieber klagten, wären damals besser mit Paprika, Brokkoli, Sanddorn, Hagebutten oder schwarzen Johannisbeeren bedient gewesen. Diese Gemüse- und Obstsorten zählen zu den reichhaltigsten Vitamin-C-Quellen – und da nehmen die klassischen Zitrusfrüchte keine Spitzenstellung ein.
Gut für Pharmaunternehmen und NEG-Hersteller aller Art: Industriell hergestellte Ascorbinsäure ist chemisch identisch mit natürlichem Vitamin C – der Körper erkennt keinen Unterschied. Und so wird natürliches und künstlich hergestelltes Vitamin C gleichberechtigt im Dünndarm über spezielle Transporter aufgenommen. Dabei gibt es allerdings eine Obergrenze: Ab etwa 200 mg pro Einzeldosis sinkt die Aufnahmequote deutlich. Viel hilft also nicht viel, denn Überschüsse scheidet der Körper über die Nieren wieder aus.
Schutzschild gegen freie Radikale und Risikosenker für Krebs im Verdauungstrakt
Wenn es draußen nass und kalt wird und Erkältungen drohen, greifen viele automatisch zu Vitamin-C-Tabletten oder -Pulvern, um ihr Immunsystem aufzupäppeln. In der Tat dient die Ascorbinsäure der Aktivierung von weißen Blutkörperchen und der Unterstützung der Abwehrkräfte. Für Bindegewebe und Haut ist das Vitamin unerlässlich, wenn es um die Bildung von Kollagen geht. Außerdem verbessert es die Aufnahme und Verwertung von pflanzlichem Eisen. Vitamin C als Schutzschild – so sehen es nicht nur die Marketingexperten der NEG-Produzenten. Ascorbinsäure hat tatsächlich eine antioxidative Wirkung, fängt freie Radikale ab. Das sind zellschädigende Verbindungen, die unter anderem durch UV-Strahlung, aber auch bei normalen Stoffwechsel-Prozessen, im menschlichen Körper entstehen und sogenannten oxidativen Stress verursachen. So schützt das Vitamin die Körperzellen.
Im therapeutischen Einsatz wird es zur Prävention genutzt: Die regelmäßige Zufuhr stärkt das Immunsystem, vor allem in Erkältungszeiten. Doch da geht noch mehr: Hochdosis-Infusionen werden in der Onkologie erforscht, bislang hat diese Vitamin-C-Therapie aber noch keine klare Zulassung. In der Sportmedizin wird das Vitamin unterstützend bei Regeneration und Stressbelastungen eingenommen.
Funfacts
- Seefahrer im 18. Jahrhundert luden ihre Schiffe mit Zitronen und später Limetten, um Skorbut zu verhindern – daher der Spitzname „Limeys“ für britische Matrosen. Ob das englische Wort „Krauts“ für Deutsche aus der Zeit stammt, in denen auf norddeutschen Handelsschiffen Sauerkraut als Skorbut-Prophylaxe gegessen wurde, ist nicht ganz klar.
- Unbedingt Orangen oder Mandarinen essen? Leichter geht die Vitamin-C-Versorgung mit Paprika, denn die Beerenfrucht, die kulinarisch unter Gemüse läuft, enthält dreimal so viel Vitamin C wie Orangen.
- Wie praktisch: Ziegen können, wie andere Tiere auch, Vitamin C selbst herstellen. Der Mensch hat diese Fähigkeit offenbar im Laufe der Evolution verloren. Immerhin konnte er künstliches Vitamin C entwickeln.
Die Einnahme von Vitamin C – im Idealfall über die Nahrung – könnte das Risiko für Krebserkrankungen des Verdauungstrakts signifikant senken, wie ein systematischer Review mit Metaanalyse über 32 Studien zeigte. Diese Risikosenkung umfasst Krebs von Mundhöhle, Rachen und Speiseröhre, Magenkrebs und Darmkrebs. In einer randomisierten Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von einer Chemotherapie mit und ohne hochdosiertem Vitamin C verglichen. Die Studie zeigte keine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, der objektiven Ansprechrate oder der Gesamtüberlebensrate durch die intravenöse Zugabe von Vitamin C. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse war bei beiden Behandlungen ähnlich. Eine Untergruppenanalyse bot jedoch eine Überraschung. Bei Patienten mit RAS-Mutation ergab sich eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch die Zugabe von hochdosiertem Vitamin C.
Die Folgen eines Vitamin-C-Mangels
Ein echter Mangel ist selten, kann aber auftreten bei stark unausgewogener Ernährung, Alkoholabhängigkeit oder schweren Erkrankungen. Chronische Müdigkeit kann zum Beispiel auf zu wenig Vitamin C hinweisen. Auch eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, erhöhte Erschöpfbarkeit oder Reizbarkeit sind mögliche Symptome. Frühsymptome sind neben der Müdigkeit auch Muskelschwäche und Infektanfälligkeit.
Ein schwerer Mangel an Vitamin C endet dann wieder mit der typischen Seemannskrankheit vergangener Jahrhunderte – mit Skorbut und Krankheitsbildern wie Zahnfleischbluten, Wundheilungsstörungen und Knochenproblemen.
Zuviel des Guten?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 95 mg Vitamin C pro Tag für Frauen und 110 mg für Männer – leicht zu erreichen mit frischem Obst und Gemüse. Ein Glas Orangensaft plus eine Paprika decken den Bedarf bereits.
Da Vitamin C wasserlöslich ist, wird ein Zuviel meist zügig ausgeschieden. Sehr hohe Dosen (über 2 g pro Tag) können allerdings Durchfall, Bauchschmerzen und Nierensteine begünstigen.
Aber sind wir heutzutage nicht bestens mit Vitamin C versorgt? Überraschenderweise nein: Obwohl Gemüse und Obst ganzjährig verfügbar sind, nimmt dennoch jeder dritte Deutsche zu wenig des lebenswichtigen Vitamins zu sich, so die II. Nationale Verzehrsstudie des Max Rubner-Instituts Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel aus dem Jahr 2008 (mehr zum Thema fehlende Studien zur Vitaminversorgung lesen Sie hier). Dabei wäre es doch so einfach. Man muss eben konsequent statt Fastfood und ultrahochverarbeitete Industrie-Lebensmitteln etwas öfter und etwas mehr frisches Obst oder einen Salat oder, wie damals die norddeutschen Handelsschiffer, Sauerkraut essen. tok