Wenn die Geräusche im Ohr kein Ende nehmen, wenn man den Pfeifton nicht mehr aus dem Kopf bekommt, ist das ein Tinnitus. Die Ursache: noch ungeklärt. Die Therapie: langwierig, komplex und ohne Aussicht auf eine komplette Heilung, aber eine segensreiche Verdrängung aus dem Bewusstsein ist möglich. Foto: Andy Ilmberger/stock.adobe.com

Tinnitus: So kann man den Quälgeist in den Hintergrund drängen

Sie können manche zur Verzweiflung bringen: Ohrgeräusche, die nicht aufhören. Ärzte sprechen dann von einem Tinnitus. Typisch ist ein hoher Pfeifton, mal leise, mal laut. Die Ursache ist noch immer nicht geklärt. Aber es gibt Möglichkeiten, den Quälgeist im Ohr in den Hintergrund zu drängen, schreibt das Apothekenmagazin „Diabetes Ratgeber“.

Diabetes ist Risikofaktor für Tinnitus

Auch wenn die Datenlage nicht einheitlich ist, sprechen einige Studien dafür: „Diabetes ist ein Risikofaktor für Tinnitus“, sagt Prof. Dr. Birgit Mazurek, Leiterin des Tinnituszentrums an der Charité in Berlin. Dies gilt wahrscheinlich für beide Diabetes-Typen, wobei die Stoffwechselkrankheit sicher nicht an vorderster Stelle der Ursachen steht. Erhöhte Zuckerwerte können die feinen Blutgefäße schädigen, die das Innenohr versorgen, und auch die Nerven dort. Beides könnte bei Tinnitus eine Rolle spielen.

Oft steckt hinter den Störgeräuschen eine Schwerhörigkeit. Weil davon meist bestimmte Tonhöhen mehr betroffen sind als andere, verstärkt das Gehirn die fehlenden Frequenzen. Hörgeräte oder ein Cochlea-Implantat korrigieren dies. Wichtig ist dabei, die nötige Geduld aufzubringen, um sich an das neue Hören zu gewöhnen. „In manchen Fällen wird der Tinnitus wieder leiser oder weniger wahrgenommen“, erklärt Professorin Mazurek. Bisweilen verstopft auch Ohrenschmalz den Gehörgang und verursacht dadurch Tinnitus. Hals-Nasen-Ohren-Ärztinnen und -Ärzte können den Pfropf im Ohr beseitigen.

Die Krankheit verstehen kann Belastung mindern

Intensive ärztliche Aufklärung und Beratung sind wesentlich für eine gute Therapie. Dabei werden Themen besprochen wie „Was hat den Tinnitus ausgelöst?“, „Wie hoch ist die Belastung?“ oder „Gibt es Begleiterkrankungen, etwa eine Depression?“. Im Idealfall geschieht das in einem Zentrum, in dem Fachleute für Psychologie, Hörakustik und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde zusammenarbeiten. „Wer die Krankheit versteht und Techniken zum Umgang damit erlernt, kann die Belastung deutlich mindern“, sagt Birgit Mazurek.

Auch sonst können Betroffene viel tun: Ein aktiver und gesunder Lebensstil etwa ist wichtig. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung sowie möglichst wenig Stress und Lärm. Für Betroffene kann es sich lohnen, Techniken zur Stressminderung zu erlernen. Musiktherapie kann Tinnitus zwar nicht vertreiben, aber zumindest im Rahmen von Entspannungsmaßnahmen helfen. Das sollten Betroffene wissen: Bei akutem, plötzlichem Tinnitus, der manchmal mit einer Hörminderung einhergeht, kann Kortison lindernd wirken. Für mindestens drei Monate anhaltende Ohrgeräusche hingegen gibt es keine wirksamen Medikamente.

Langwierige Therapie ohne Heilungsversprechen

Die Deutsche Stiftung Tinnitus und Hören Charité erklärt: „Die wichtigste Säule jeder Therapie ist die individuelle Beratung und psychoedukative Aufklärung (Counseling).“ Erst mit diesem Verständnis und Wissen um Ursachen, Umstände und Verkettungen, die zu Tinnitus und gegebenenfalls seiner Verstärkung führen, könnten Patienten ihre eigene Situation neu bewerten, Ängste abbauen, den Leidensdruck verringern – und somit die Basis für weitere Maßnahmen legen.

Den Patienten muss klar sein, dass eine Tinnitus-Behandlung keine Heilung verspricht. „Sie kann aber dazu beitragen, die Lebensqualität der Patienten entscheidend zu verbessern. Ein Erfolgsfaktor ist, dass Betroffene nicht länger passiv Leidende sind, sondern aktiv etwas zur eigenen Gesundung oder Gesundheitsverbesserung beitragen können“, ist auf der Webseite der Deutschen Stiftung Tinnitus und Hören Charité zu lesen. Geduld ist gefragt: Eine Tinnitus-Therapie dauert ein bis zwei Jahre. Ziel ist die Gewöhnung an den Tinnitus (Habituation) und seine Beherrschung im Alltag. Glücklicherweise funktioniert diese Verdrängung aus dem Bewusstsein unabhängig von der möglichen Ursache.

Folgende Therapien und Hilfsgeräte können zum Erfolg einer Tinnitus-Therapie beitragen:

  • Kognitive Verhaltenstherapie
  • Hörgeräte
  • Cochlea-Implantate
  • Aufmerksamkeits- und Hörtraining
  • Entspannungsübungen und Physiotherapie
  • Selbsthilfe

Info

Die Deutsche Stiftung Tinnitus und Hören Charité entstand am Tinnituszentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Von der Überzeugung getragen, dass Tinnitus und Hörstörungen bestmöglich therapiert werden müssen und dass gleichzeitig jeder Einzelne sehr viel tun kann, um sich selbst zu schützen, wurde 2011 die Deutsche Stiftung Tinnitus und Hören Charité (bis 2019: Deutsche Tinnitus-Stiftung Charité) gegründet. Das Europäische Tinnitus Netzwerk EUTINNET wurde 2019 unter dem Dach der Stiftung gegründet, um Selbsthilfeorganisationen aus Europa besser zu vernetzen und Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis zu bauen. Mehr zum Thema unter https://stiftung-tinnitus-und-hoeren-charite.org/                  pm/tok