Mit den in einer BfR-Studie gewonnenen Expositionsdaten zum Farbeintrag in den Körper können mögliche Gesundheitsrisiken von potentiell gefährlichen Chemikalien in der Tätowierfarbe zukünftig genauer bewertet und abgeschätzt werden. Foto: xartproduction/stock.adobe.com

Studie zu Tätowiermittel im Stoffwechsel: Wieviel Farbe kommt in den Körper?

In einer neuen, klinischen Studie haben Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) erstmals den Weg und den Stoffwechsel der flüssigen Bestandteile von Tätowiermitteln im Körper verfolgt. Die in der Zeitschrift Archives of Toxicology veröffentliche Studie zeigt, dass geringere Mengen der Mittel im Organismus verbleiben als bisher angenommen.

„Mit den Ergebnissen aus unserer Studie lassen sich die gesundheitlichen Risiken beim Tätowieren künftig genauer abschätzen und bewerten“, sagt die Leiterin der Studie, Dr. Ines Schreiver vom Studienzentrum Dermatotoxikologie am BfR.

Farbpigmente in den Lymphknoten – Tattoos unter Laborbedingungen

„Die Ablagerung von den Farbpigmenten aus Tätowierungen in den Lymphknoten ist seit langem bekannt und wurde auch durch unsere Studien hinreichend belegt“, erklärt Dr. Schreiver. Die Pigmente sind unlöslich und daher die festen Bestandteile der Farbe. Die Menge und Verteilung der flüssigen Bestandteile im Körper wurden bisher noch nicht betrachtet.

Für die Studie wurde 24 freiwilligen Teilnehmern jeweils ein Tattoo ihrer Wahl gestochen. Durchgeführt wurde die Tätowierung unter Laborbedingungen in Räumen der Berliner Charité von professionellen Tätowierern. Die einzelnen Tätowier-Sitzungen dauerten dabei im Durchschnitt knapp dreieinhalb Stunden. Vor, während und nach dem Tätowieren wurden Urin- und Blutproben genommen. Mit Hilfe sogenannter Marker-Substanzen konnte das BfR-Team nachvollziehen, wie sich die flüssigen Bestandteile aus den Tätowiermitteln im Körper verhalten und vom Stoffwechsel verarbeitet werden.

Überraschung beim Stoffwechsel über die Haut

Die Stoffwechselprodukte waren schon in der ersten Blutprobe kurz nach Beginn des Tätowierens nachweisbar. Dabei zeigte sich auch, dass der Stoffwechsel bei der Aufnahme über die Haut während einer Tätowierung teilweise anders funktioniert als erwartet. So wurde eine der verwendeten Marker-Substanzen im Körper häufiger in andere Stoffwechselprodukte umgewandelt als bei der oralen Aufnahme über die Nahrung. Das liegt an bestimmten Enzymen in den Hautzellen, wie in ergänzenden Versuchen per Zellkultur gezeigt werden konnte.

Es ist davon auszugehen, dass diese Enzyme auf ähnliche Stoffe vergleichbar wirken. Die so entstehenden Stoffwechselprodukte können dabei andere Wirkungen aufweisen als Stoffwechselprodukte, die über andere Aufnahmewegen entstehen.

Weniger Farbe als erwartet landet in der Haut

In der Studie wurde außerdem erfasst, wieviel Tätowiermittel bei der jeweiligen Sitzung verwendet wurde. So wurden zum einen die Farbfläschchen vor und nach der Sitzung exakt abgewogen. Zum anderen wurden auch alle verwendeten Nadeln, Tücher und Handschuhe eingesammelt und festgestellt, welche Menge an Farbresten an ihnen klebt. Im Durchschnitt landete nur circa ein Fünftel der verwendeten Farbe tatsächlich in der Haut. Ein Großteil davon wurde danach über die verheilende Wunde wieder ausgeschieden.

Mit den im Rahmen der Studie gewonnenen Expositionsdaten zum Farbeintrag in den Körper können mögliche Gesundheitsrisiken von potentiell gefährlichen Chemikalien in der Tätowierfarbe zukünftig genauer bewertet und abgeschätzt werden.

Infektionsrisiken durch Tätowierungen

Tätowierungen sind ein wachsender Trend. Schätzungen zufolge tragen in den westlichen Industrieländern zwischen 10 % und 25 % der Menschen mindestens ein Tattoo. Tätowierungen sind mit gesundheitlichen Risiken verbunden. „Unerwünschte Nebenwirkungen beinhalten nicht-infektiöse und infektiöse Reaktionen. Mit der wachsenden Zahl der durchgeführten Tätowierungen könnten die Nebenwirkungen zu einem zunehmenden Problem werden. Daher ist es erforderlich, die Risiken des Tätowierens eingehender zu beurteilen“, schreibt das BfR in einer Stellungnahme zum Thema „Infektionsrisiken durch Tätowierungen“.

Als häufigste nicht-infektiöse Reaktion treten Unverträglichkeiten (Allergien) gegen eines der applizierten Pigmente oder gegen in den Tätowierfarben enthaltene Schwermetalle wie Chrom oder Nickel auf. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass signifikante Mengen der Farbstoffe nicht stabil im Tattoo verbleiben, sondern in der Haut gespalten werden, in andere Körperregionen migrieren und dort unerwünschte Wirkungen entfalten können. Über die gesundheitlichen Langzeitfolgen dieser Prozesse liegen bislang kaum Erkenntnisse vor.

Schon kleinste Wunden eben Infektionen den Weg

Beim Tätowieren werden Farbpigmente mittels Nadeln in die Haut eingebracht, so dass kleinste Wunden entstehen. Diese sind Eintrittspforten für Keime, die zu infektiösen Reaktionen führen können. Es kann an der Wunde selbst zu Infektionen kommen, aber auch zu systemischen Infektionen des Körpers, da krankmachende Keime ins Blut gelangen können. Erreger werden über nicht sterile Arbeitsgeräte, die Haut des Tätowierten oder des Tätowierers, aber auch über kontaminierte Tätowiermittel in die Wunde eingetragen.

Risiko für immungeschwächte Menschen

Bei immungeschwächten Personen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion oder eine verlangsamte Wundheilung. Aus Sicht des BfR sollten Tätowierungen bei Personen, die unter Antibiotika- oder immunsuppressiver Therapie stehen oder andere Risikofaktoren aufweisen sowie bei Menschen mit Vorerkrankungen des Herzens, Diabetes oder Blutgerinnungsstörungen nicht oder nur nach ärztlicher Beratung vorgenommen werden. Dies gilt auch für Schwangere.

„Zur Vermeidung von Infektionen ist die Kenntnis und strikte Einhaltung von Hygieneregeln wichtig. Dies betrifft nicht nur den Tätowiervorgang, sondern auch die Art und Handhabung der Tätowiermittel ebenso wie die Nachbehandlung der Wunde“, schreibt das BfR. Professionelle Tätowierer in Deutschland haben sich in Dachverbänden zusammengeschlossen und orientieren sich an deren Leitlinien zu Anforderungen an die Hygiene beim Tätowieren.    pm

Info

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

Weitere Infos:

Link zur Studie

Risiko – Der BfR-Podcast: „Tattoos: Körperschmuck mit Nebenwirkungen?“