Für Menschen, die Windpocken hatten – über 95 Prozent der über 60-Jährigen – besteht in einer Impfung die einzige Möglichkeit der Vorsorge gegen eine Gürtelrose (Herpes Zoster) und eine mögliche Post-Zoster-Neuralgie. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung allen Menschen ab 60 Jahren. Foto: kittisak/stock.adobe.com
SPRECHZEIT-Leseraktion: Komplikationen bei einem Drittel der Gürtelrose-Fälle
Am Beginn können Fieber und Unwohlsein stehen, gefolgt von der Entwicklung eines einseitigen Hautausschlags, begleitet von brennenden oder stechenden Nervenschmerzen – so oder ähnlich kann eine Gürtelrose verlaufen. Oftmals ist es mit dem Abheilen des Ausschlags jedoch nicht vorbei. Die Nervenschmerzen können über Wochen, Monate oder bis zu Jahren anhalten und die Lebensqualität der Erkrankten stark einschränken.
Ursache der Gürtelrose ist die Reaktivierung von Windpockenviren, die hierzulande fast jeder Mensch über 60 in sich trägt. Über Krankheitsverlauf, Behandlung und Vorsorge informierten Experten des „Forum Impfen e. V.“ in der SPRECHZEIT-Telefonaktion. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen:
Ansteckung und Risikogruppen
Wie kann ein Virus zwei Erkrankungen verursachen?
Dr. med. Markus Frühwein: Beide Erkrankungen gehen auf das Varizella-Zoster-Virus zurück, das zur Familie der Herpes-Viren zählt. Die ursprüngliche Ansteckung erfolgt meist im Kindesalter und bedingt eine Windpocken-Erkrankung. Ist diese überstanden, ziehen sich die Viren in Nervenknoten nahe des Rückenmarks zurück und verbleiben dort ein Leben lang. Ist die Immunkompetenz beeinträchtigt, können diese Viren auch nach Jahrzehnten wieder aktiviert werden. Dann bewegen sich die Viren entlang der betroffenen Nervenbahnen in Richtung Hautoberfläche, und die Gürtelrose – medizinisch Herpes Zoster genannt – nimmt ihren Lauf.
Warum tritt Gürtelrose so häufig bei Menschen ab 60 auf?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Wir wissen, dass eine Schwächung der Immunabwehr ein Grund für die erneute Aktivierung der Varizella-Zoster-Viren ist. Diese Schwächung kann vorübergehend sein, etwa aufgrund einer anderen Erkrankung oder sie kann durch Medikamente bedingt sein, die sich auf die Immunkompetenz auswirken. Ein wesentlicher Faktor ist jedoch das Alter: Mit zunehmendem Lebensalter lässt die Immunabwehr nach, auch bei Menschen, die sich gesund ernähren und ansonsten fit fühlen. Und da fast jeder, der heute 60 Jahre oder älter ist, als Kind Windpocken hatte, ist das Erkrankungsrisiko entsprechend hoch und steigt im Laufe des Lebens weiter an. Insgesamt erkrankt einer von drei Menschen im Laufe seines Lebens an Gürtelrose.
Wer hat sonst noch ein erhöhtes Risiko für Gürtelrose?
Dr. med. Markus Frühwein: Eine Schwächung des Immunsystems kann auf verschiedene Ursachen zurückgehen, darunter bestimmte Erkrankungen, die Behandlung mit Medikamenten, die das Immunsystem beeinflussen oder auch starker Stress. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt Menschen mit Vorerkrankungen eine Impfung gegen Gürtelrose bereits ab dem 50. Lebensjahr, darunter zum Beispiel eine angeborene oder erworbene Immundefizienz, rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen.
Kann ich Gürtelrose auch bekommen, wenn ich keine Windpocken hatte?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Ohne eine Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus und eine anschließende Windpockenerkrankung kann sich eine Gürtelrose nicht entwickeln. Wer Gürtelrose bekommt, war zuvor in seinem Leben erkennbar oder unbemerkt an Windpocken erkrankt. Umgekehrt gilt: Wer Windpocken hatte, kann auch an Gürtelrose erkranken – und das sind über 95 Prozent aller Menschen über 60. Übrigens: Auch Menschen, die gegen Windpocken geimpft wurden, können später Gürtelrose bekommen, selbst wenn ihr Risiko niedriger ist.
Ich bin Mitte 60 und weiß nicht mehr, ob ich als Kind Windpocken hatte oder geimpft wurde. Lässt sich das durch eine Untersuchung feststellen?
Dr. med. Markus Frühwein: Man geht davon aus, dass fast jeder über 50 eine Windpockenerkrankung durchgemacht hat. Aufgrund der hohen Zahl an Betroffenen empfiehlt die Ständige Impfkommission bei gesunden Personen vor einer Impfung gegen Gürtelrose keine Laborkontrolle.
Wenn es sich um das gleiche Virus wie bei Windpocken handelt: Ist Gürtelrose ansteckend?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Windpocken gelten als hochinfektiös – daher der Name und die weite Verbreitung. Aber auch Gürtelrose ist potenziell ansteckend: Die Flüssigkeit in den Bläschen enthält Viren, die bei nicht-immunisierten Kontaktpersonen zu einer Windpocken-Ersterkrankung – jedoch nicht zu einer Gürtelrose – führen können. Die Ansteckungsgefahr endet, wenn alle Bläschen abgeheilt und die letzten Krusten abgefallen sind.
Symptome, Krankheitsverlauf, Behandlung
Was sind sichere Anzeichen einer Gürtelrose?
Dr. med. Markus Frühwein: Der genaue Krankheitsverlauf ist von Mensch zu Mensch verschieden. Meist kommt es anfangs zu unspezifischen Beschwerden wie Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen. Dann kann ein juckender, brennender oder stechender Schmerz in der betroffenen Körperregion auftreten, bevor es zu Hautrötungen mit kleinen Knötchen kommt, aus denen sich bald Bläschen bilden, die jucken können. Meist breitet sich Gürtelrose am Rumpf einseitig wie ein Streifen aus – daher der Name. Es können jedoch auch andere Körperpartien betroffen sein, etwa Brustkorb, Arme, Gesicht oder Kopf.
Sollte ich bei Verdacht auf Gürtelrose zu einem Facharzt gehen?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Sie sollten möglichst schnell Ihre hausärztliche Praxis aufsuchen, um eine Diagnose stellen zu lassen. Die zeitnahe Diagnose ist wichtig, damit eine etwaige antivirale Therapie innerhalb von 72 Stunden nach Auftraten des Hautausschlags begonnen werden kann. Durch den Einsatz von Virostatika kann die Heilung beschleunigt und das Risiko von Komplikationen gesenkt werden.
Ist die Gürtelrose mit Abheilen der Bläschen ausgestanden?
Dr. med. Markus Frühwein: In vielen Fällen ist die Gürtelrose mit dem Abheilen der letzten Bläschen nach etwa zwei bis vier Wochen ausgestanden. Doch bei bis zu 30 Prozent der Betroffenen kommt es zu Komplikationen im Krankheitsverlauf. Meist handelt es sich dabei um Nervenschmerzen, die auch nach Abheilen des Hauausschlags bestehen bleiben. Dauern sie länger als drei Monate an, sprechen wir von einer Post-Zoster-Neuralgie (PZN). Wegen der Schmerzintensität und -dauer kann eine PZN eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität bedeuten.
Wie lange kann eine Post-Zoster-Neuralgie andauern?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Eine PZN kann über Wochen, Monate oder sogar über Jahre andauern – das lässt sich nicht vorhersagen. Wir wissen allerdings, dass das Risiko einer PZN mit dem Alter weiter zunimmt. Da mit zunehmendem Alter auch oftmals mehrere Medikamente eingenommen werden, wird die Behandlung der PZN dann schwieriger.
Was hilft gegen die Nervenschmerzen bei Gürtelrose?
Dr. med. Markus Frühwein: Die Schmerzen bei einer Gürtelrose sollten grundsätzlich intensiv behandelt werden. Halten die Schmerzen nach Abheilen der Bläschen an, muss die Schmerztherapie fortgesetzt oder ausgeweitet werden. Je nach Stärke und Lokalisation der Schmerzen können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen, darunter auch krampf- und angstlösende Medikamente oder Schmerzmittel, die lokal aufgetragen werden. Es kann durchaus sinnvoll sein, sich bei anhaltenden Schmerzen zur Behandlung an ein spezialisiertes Schmerzzentrum oder eine Schmerzklinik zu wenden.
Kann man nach einer überstandenen Gürtelrose erneut erkranken?
Prof. Dr. med. Jörg Schelling: Tatsächlich kann in seltenen Fällen eine Gürtelrose wiederholt auftreten – eine durchgestandene Gürtelrose schützt nicht vor einer erneuten Erkrankung. Eine Impfung gegen Gürtelrose ist daher auch für jene Personen sinnvoll, die bereits einmal an Gürtelrose erkrankt waren.
Vorsorge
Was sind die Vorsorgemöglichkeiten bei Gürtelrose?
Dr. med. Markus Frühwein: Für Menschen, die Windpocken hatten – über 95 Prozent der über 60-Jährigen – besteht in einer Impfung die einzige Möglichkeit der Vorsorge gegen eine Gürtelrose und eine mögliche Post-Zoster-Neuralgie. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung allen Menschen ab 60 Jahren. Liegen Vorerkrankungen vor oder ist das Immunsystem geschwächt, gilt die Empfehlung bereits ab dem 50. Lebensjahr.
Weitere Informationen unter:
• Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.impfen-info.de
• GlaxoSmithKline: www.impfen.de
• Robert Koch Institut: www.rki.de
Die Experten in der SPRECHZEIT-Telefonaktion waren:
• Dr. med. Markus Frühwein; Facharzt für Allgemeinmedizin, Reise- und Tropenmedizin, Ernährungsmedizin, Dr. Frühwein & Partner, Praxis für Allgemeinmedizin, Tropenmedizin, Reisemedizin, München
• Prof. Dr. med. Jörg Schelling; Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin, Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Martinsried