Viele Menschen in Deutschland schwören auf homöopathische Mittel. Die Finanzierung durch gesetzliche Kassen ist umstritten. Foto: Annette Riedl/dpa

Petition für Naturheilkunde und gegen Lauterbach-Plan: „Diese Sparidee bringt doch nichts“

Pforzheim ist eine Hochburg der Naturheilkunde in Deutschland und Heimat des größten Naturheilvereins in Deutschland. Pharmaunternehmen für pflanzliche Medikamente konzentrieren sich in Baden-Württemberg. Hier ist die Aufregung groß, weil Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant, die Erstattung von homöopathischen Arzneimitteln durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu streichen. Das beklagt Peter Emmrich, Vorsitzender des Naturheilvereins 1892 Pforzheim, im Gespräch mit Vital-Region.de.

Herr Emmrich, warum will Karl Lauterbach Homöopathie nicht mehr als Teil der Satzungsleistungen der GKV erlauben?

Peter Emmrich: Ich vermute, dass es ihm einfach ums Prinzip geht. Er kann in der Naturheilkunde und Homöopathie offenbar keine medizinische Notwendigkeit sehen. Dabei hätte er nur Umfragen lesen müssen, um zu erkennen, dass sich eine überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine integrative Medizin wünscht, also eine Kombination aus konventioneller und komplementärer Medizin. Komplementär heißt: Naturheilkunde, Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophische Medizin. Darauf greifen große Teile der Bevölkerung regelmäßig oder gelegentlich zurück. Diese Menschen haben damit gute Erfahrungen gemacht, und viele Ärzte können das bestätigen.

Spricht denn die wissenschaftliche Evidenz für diese Idee?

Peter Emmrich: Es gibt genügend wissenschaftliche, klinische Studien, die für einzelne Therapien und Medikamente eine Wirksamkeit belegen. Wichtig ist doch aber, dass diese Erfahrungsmedizin ganz real seit vielen Generationen Menschen hilft. Natürlich sage ich als Diplom-Biologe und Facharzt für Allgemeinmedizin, dass es Krankheiten gibt, bei denen ich klassische Antibiotika oder moderne Medikamente aus den Hightech-Forschungslaboren verschreiben muss. Aber bei den vielen funktionellen Störungen, die Menschen im Alltag beeinträchtigen, sind pflanzliche Mittel oft die bessere, gesündere und günstigere Wahl.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) warnt angesichts von Engpässen in der Arzneimittelversorgung davor, erprobte Therapieoptionen aus dem GKV-Katalog zu streichen

Peter Emmrich: Das ist jetzt schon der zweite Winter in Folge, in dem die Naturheilkunde mit pflanzlichen Medikamenten Versorgungslücken geschlossen hat – und nicht nur bei Kindern mit Husten oder Fieber. Die Bevölkerung fordert mehrheitlich die Vielfalt und Verfügbarkeit von Therapieoptionen. Eine schnelle Selbstmedikation mit Arznei aus der Naturheilkunde hat neben den Vorteilen für den Patienten auch positive Folgen für Hausarztpraxen und falsch genutzte Notfallambulanzen, die alle wegen Rezeptwünschen überfüllt sind.

Bleibt noch der Einspareffekt bei den Gesundheitsausgaben. Um welche Summen geht es hierbei?

Peter Emmrich: Diese Sparidee bringt doch nichts. Bei einem Gesamtarzneimittelbudget von 50 Milliarden Euro würde das Streichen von homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln aus den Satzungsleistungen der GKV etwa 22 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Das sind 0,04 Prozent des Budgets. Wenn der Bundesgesundheitsminister viel Geld sparen will, gibt es mit Sicherheit andere, bessere Wege, die nicht zu Lasten der Patienten gehen.

Wie wehren Sie sich dagegen?

Peter Emmrich: Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte hat, unterstützt durch andere Verbände, eine Bundestagspetition erstellt. Die Petition soll bis zum 7. März 50.000 Unterschriften sammeln, um die Streichpläne vom Tisch zu bringen. Ich schätze, dass wir das bereits in den nächsten Tagen erreicht haben werden – und das gilt nur für online gesammelte Unterschriften. Ich habe in meiner Praxis, wie viele Kollegen auch, Unterschriftenlisten liegen, bei denen man sich der Petition anschließen kann. Der Unmut meiner Patienten über diese Streichpläne zeigt, wie sehr sie der Naturheilkunde vertrauen.

Peter Emmrich, Diplom-Biologe und Facharzt für Allgemeinmedizin, macht sich stark für eine integrative Medizin, also eine Kombination aus konventioneller und komplementärer Medizin.



Infos und Links zur Petition

Den Link zur Bundestagspetition finden Sie hier: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2024/_01/_27/Petition_162857.nc.html

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter vital-region.de/news/petition

Zur Person

1963 in Pforzheim geboren, studierte Peter Emmrich Biologie (Diplom) und Chemie, danach Medizin. Später erwarb er den Abschluss Biologische Medizin an der WHO-Universität Mailand und den Master in Komplementärmedizin und Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. 2006 ließ sich Emmrich in der Pforzheimer Nordstadt als Facharzt für Allgemeinmedizin nieder.

Seit 1997 ist er Vorsitzender des Naturheilvereins 1892 Pforzheim und seit 2016 Präsident des Europäischen Naturheilbundes und Vizepräsident des Zentralverbandes für Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin. Ferner hat Emmrich einen Lehrauftrag für Allgemeinmedizin an der Universität Tübingen und ist Fachgutachter bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg.

Als Autor von 14 Büchern und regelmäßiger Gast beim Schweizer Gesundheitsfernsehen QS24 wurde Emmrich weithin bekannt. Für sein ehrenamtliches Engagement erhielt er die Portus-Medaille der Stadt Pforzheim.

Foto: Jacqueline Glogg QS24.TV Schweiz

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