In den Berufsgruppen mit dem größten Fachkräftemangel lag der Krankenstand deutlich über dem Durchschnitt. Die Hälfte der Arbeitnehmer, die von Personalmangel im Betrieb betroffen sind, ist komplett erschöpft. Foto: Quality Stock Arts/stock.adobe.com

Personalmangel im Job: Total erschöpfte Mitarbeiter erhöhen Krankenstand

In Baden-Württemberg erleben 42 Prozent der Beschäftigten in ihrem Arbeitsalltag regelmäßig Personalmangel. Bei besonders betroffenen Berufsgruppen ist der Krankenstand deutlich höher als im Landesdurchschnitt, denn viele sind erschöpft oder arbeiten trotz Krankheit weiter.

Krankenkasse warnt vor einem Teufelskreis

Der DAK-Gesundheitsreport „Gesundheitsrisiko Personalmangel“ dokumentiert auch die gesundheitlichen Folgen durch den zunehmenden Druck bei ständigen Personalengpässen: Die Hälfte der Arbeitnehmer ist komplett erschöpft, viele leiden unter Beschwerden wie Kopfschmerzen. 71 Prozent der Beschäftigten mit regelmäßigem Personalmangel im Job haben in den vergangenen Monaten auch krank gearbeitet. Die DAK-Gesundheit warnt vor einem Teufelskreis und fordert die Arbeitgeber auf, das Potenzial von Betrieblichem Gesundheitsmanagement besser zu nutzten.

Für den Gesundheitsreport wurden die Daten von rund 275.000 erwerbstätigen DAK-Versicherten in Baden-Württemberg ausgewertet und 1000 erwerbstätige Männer und Frauen im Land repräsentativ durch das Forsa-Institut befragt. Laut Studie erlebt die Hälfte der Befragten regelmäßig Personalmangel im Job mit deutlichen körperlichen und psychischen Folgen.

„Die Ergebnisse sollten ein Weckruf sein“, sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg. „Der Personalmangel kann durch Stress und Belastungen den Krankenstand hochtreiben, was wiederum zu mehr Fehltagen führt und die Situation weiter verschärft. So droht ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss.“

Euerle schlägt den Arbeitgebern eine Offensive im Betrieblichen Gesundheitsmanagement vor: „Arbeit muss so organisiert werden, dass die Beschäftigten auch bei einer dünnen Personaldecke die Chance haben, gesund zu bleiben.“

Personalmangel beeinflusst Krankenstand

Laut Gesundheitsreport gibt es in den Berufsgruppen, in denen die Personalnot am größten ist, auch die meisten Fehltage unter den Arbeitnehmern. Zwar war nach den Auswertungen der Krankenkasse das dritte Pandemiejahr 2022 in Baden-Württemberg generell das Jahr mit dem höchsten Krankenstand seit 25 Jahren. Doch die Auswertung aller Krankschreibungen von DAK-versicherten Beschäftigten zeigt: In den Berufsgruppen mit dem größten Fachkräftemangel lag der Krankenstand noch deutlich über dem Durchschnitt von 4,7 Prozent.

So waren es bei den Beschäftigten, die Fahrzeuge fahren, 6,5 Prozent – im Schnitt waren dort also an jedem Tag des Jahres 65 von 1000 Beschäftigten krankgeschrieben. In der Kinderbetreuung lag der Krankenstand bei 5,8 Prozent und in der Krankenpflege bei 5,4 Prozent.

Erschöpfung, Schlafstörungen, Schmerzen

„Der Trend hin zu ständigem Personalmangel ist alarmierend, denn diese Überlastung kann die Gesundheit entscheidend beinträchtigen“, sagt Euerle. Laut Befragung zum Gesundheitsreport stehen die Betroffenen unter starkem Termin- und Leistungsdruck, machen Überstunden und versäumen Pausen. Wer regelmäßig Personalmangel erlebt, kann in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichtet auf Sport und findet wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde.

In der Folge ist die Hälfte der Befragten ständig müde und erschöpft. Auch andere Beschwerden treten in der Gruppe häufig oder sehr häufig auf: 35 Prozent haben Schlafstörungen, 33 Prozent Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems wie Rückenschmerzen und etwa jeder Fünfte (22 Prozent) leidet unter Kopfschmerzen.

Hang zur Präsenz trotz Krankheit

Einige Beschäftigte in Baden-Württemberg haben aus der problematischen Situation bereits für sich Konsequenzen gezogen. Sechs Prozent haben ihre Arbeitszeit reduziert und 17 Prozent erwägen, dies zu tun – was die Arbeitslast der übrigen Kollegen noch weiter erhöhen dürfte. Diejenigen, die bleiben, neigen verstärkt zum Hang, präsent sein zu wollen, indem sie auch bei Krankheit arbeiten. Je ausgeprägter der Personalmangel ist, desto häufiger zeigt sich dieses Verhalten.

Die große Mehrheit (71 Prozent) derjenigen, die regelmäßig Personalmangel erleben, hat in den vergangenen zwölf Monaten auch krank gearbeitet. In Belegschaften ohne erlebten Personalmangel gilt dies nur für gut ein Drittel.

Gesundheitsaspekte bei täglicher Arbeit oft verdrängt

Die Befragung zum Report zeigt auch, dass in den Betrieben der Gesundheitsschutz bei Personalmangel noch nicht ausreichend Thema ist. Von den Beschäftigten mit regelmäßigem Personalmangel haben nur 24 Prozent den Eindruck, dass in ihrem Betrieb bei täglichen Aktivitäten und Entscheidungen grundsätzlich Gesundheitsaspekte berücksichtigt werden. Bei den Beschäftigten ohne Personalmangel ist es hingegen 42 Prozent.

„Gerade wenn betriebliche Aufgaben unter den Zwängen des Mangels zu meistern sind, sollten die Arbeitgeber und Unternehmen die gesundheitliche Dimension stärker in den Fokus rücken“, sagt Euerle. Dabei könne das Potenzial von Betrieblichem Gesundheitsmanagement noch viel mehr genutzt werden. „Vorausgesetzt, alle Beteiligten sind bereit, sich neuen Wegen zu öffnen und die vorhandenen Angebote zu nutzen“, sagt Euerle.

Die DAK-Gesundheit plädiere für ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement. „Wir unterstützen Unternehmen dabei, Arbeit so zu organisieren, dass sie für Führung und Beschäftigte möglichst gut zu bewältigen ist. Es geht unter anderem um eine Reduktion von Stress und um eine gute Balance von Arbeit, Erholung und privaten wie gesellschaftlichen Aufgaben.“ pm