„Schon beim Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 war klar, dass dieses Gesetz nur ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Stärkung der Rechte der Patientinnen und Patienten sein konnte“, sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Bis 2024 hat es jedoch zum Wohl der Patienten keine Änderung oder Weiterentwicklung gegeben. Foto: momius/stock.adobe.com

Patientenrechtegesetz: Defizite der aktuellen Rechtslage zum Nachteil fehlerhaft behandelter Kranker

Vor elf Jahren, am 26. Februar 2013, ist das aktuell geltende Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Die notwendige Weiterentwicklung dieses Gesetzes ist seitdem in vielen Sonntagsreden beschworen, aber in keinem Punkt umgesetzt worden, kritisiert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.

Kein einziger Änderungsvorschlag umgesetzt

„Schon beim Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 war klar, dass dieses Gesetz nur ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Stärkung der Rechte der Patientinnen und Patienten sein konnte. Trotz anderslautender Versprechungen im Koalitionsvertrag der Ampel und zahlreicher Beteuerungen lässt das dringend erforderliche Patientenrechtegesetz 2.0 weiter auf sich warten“, fordert Dr. Carola Reimann.

Und sie legt nach: „Von den Änderungsvorschlägen, die der Patientenbeauftragte zum zehnjährigen Jubiläum vor einem Jahr formuliert hat, ist seitdem nicht ein einziger umgesetzt worden. Daher erneuern wir zum elften Jahrestag unsere Forderung nach einer Weiterentwicklung des Gesetzes und einer Stärkung der Patientenrechte.“

AOK fordert Beweiserleichterungen für Betroffene

Aktuell müssten Patienten nicht nur den Beweis dafür führen, dass ein Fehler und ein Schaden vorliegt, so die AOK-Bundesvorsitzenden. Die Patienten müssten auch belegen, dass der Behandlungsfehler diesen Schaden verursacht hat. „Da es derzeit keine generelle Pflicht für Behandelnde gibt, Patientinnen und Patienten ohne deren Nachfrage über einen möglichen Fehler zu informieren, ist bereits der Fehlernachweis häufig eine kaum überwindbare Hürde. Daher braucht es dringend Beweiserleichterungen für die Betroffenen: Zum Nachweis der Kausalität sollte künftig eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent ausreichen“, schlägt Reimann vor.

Nicht nur bei Behandlungs- und Pflegefehlern, sondern auch bei Schäden durch Arzneimittel oder fehlerhafte Medizinprodukte seien Nachbesserungen notwendig, betont Reimann. Und: „So ist seit der Neureglung des Arzneimittelgesetzes im Jahre 2002 kein einziger Arzneimittelhersteller in Deutschland zu Schadensersatzleistungen an geschädigte Patientinnen oder Patienten verurteilt worden – obwohl es zum Beispiel im Fall des 2004 vom Markt genommenen Schmerzmittels Vioxx schwere Schadensfälle gab.“

Konkret heißt das für die Betroffenen: „Anders als in den USA erhielten die Patientinnen und Patienten, die wegen der Einnahme des Medikamentes Schlaganfälle oder Herzinfarkte erlitten, in Deutschland bis heute keine Entschädigung“, so die AOK-Bundesvorsitzende.

Neue Herausforderung: Künstliche Intelligenz in der Medizin

Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizin schaffe zusätzliche Herausforderungen für das bestehende Haftungssystem: Patientinnen und Patienten müssten nachvollziehen können, ob ein Schaden kausal auf einen Behandlungs- oder Anwendungsfehler des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin oder auf einen herstellerbedingten Mangel der eingesetzten KI-Systeme zurückzuführen ist. Für Reimann steht fest: „Neben den notwendigen Anpassungen und Neuregelungen bei den Patientenrechten muss es auch darum gehen, Fehler zu vermeiden. Ein wichtiger Ansatz dafür ist die gesetzlich verpflichtende Meldung sogenannter Never Events – also schwerwiegender, aber sicher vermeidbarer Schadensereignisse.“

AOK: Vom Reden ins Handeln kommen

„Unsere Vorschläge zur Weiterentwicklung der Patientenrechte liegen seit Jahren auf dem Tisch. Sie basieren auf den praktischen Erfahrungen aus dem Behandlungsfehlermanagement, das die elf AOKs ihren Versicherten seit fast 25 Jahren anbieten. Allein die AOK-Gemeinschaft prüft jährlich etwa 15.000 von den Versicherten gemeldete Fälle vermuteter Behandlungs- und Pflegefehler. In der Prüfung der Verdachtsfälle und der Unterstützung von Betroffenen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zeigen sich täglich die Defizite der aktuellen Rechtslage. Diese Erfahrungen zeigen uns, dass wir bei diesem Thema dringend vom Reden zum Handeln kommen müssen“, erklärt Reimann.    AOK