Das Zittern ist wohl das typischste Symptom der Parkinson-Krankheit. Dann müssen es oft zwei Hände sein, um den Löffel so ruhig zu halten, dass der Patient damit essen kann. Foto: weyo/stock.adobe.com
Parkinson-Therapie regelmäßig überprüfen – und bei Bedarf anpassen
Wer an Parkinson erkrankt ist, weiß, wie sehr die Symptome die Lebensqualität bestimmen können. Was eine optimale Parkinson-Therapie ausmacht und wie sich die Lebensqualität trotz der Erkrankung verbessern lässt, dazu informierten am SPRECHZEIT-Lesertelefon Experten der Parkinson Stiftung. Die wichtigsten Fragen und Antworten gibt es im Überblick auf Vital-Region.de.
Solange die Medikamente den Dopaminmangel gut ausgleichen können, ist ein Leben fast ohne Zittern und Bewegungseinschränkungen möglich – besonders in den ersten Jahren nach der Diagnose. Doch eine gute Symptomkontrolle lässt sich auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erreichen. Voraussetzung dafür ist es, die gesamte Bandbreite der heute verfügbaren, gut wirksamen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieverfahren individuell auszuschöpfen.
Warum verändert sich die Wirkung der Parkinson-Medikamente mit der Zeit?
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder: Es verändert sich nur die Wirkung der Präparate, die den Wirkstoff Levodopa enthalten. Der Grund: Im Laufe der Erkrankung wird immer weniger körpereigenes Dopamin im Gehirn produziert und gespeichert. Das in den Tabletten enthaltene Levodopa, das durch eine weitere chemische Veränderung in Dopamin umgewandelt wird, ersetzt das eigene Dopamin. Doch das weitere Fortschreiten der Erkrankung bewirkt, dass auch das zugeführte Dopamin nicht mehr gut gespeichert und bei Bedarf freigesetzt werden kann. Es wird dann sofort ohne Regulierung wirksam und der Wirkspiegel fällt relativ abrupt wieder ab – so entstehen Wirkschwankungen. Da die Bindungsstellen der Dopaminwirkung im Gehirn überempfindlich werden, kann es zudem zu unwillkürlichen Überbewegungen kommen.
Wie bekommt man Wirkungsschwankungen der Medikamente in den Griff?
Prof. Dr. med. Lars Wojtecki: Um Wirkungsschwankungen und ihre Folgen zu behandeln, ist zunächst eine genaue Analyse sinnvoll. Dazu kann man ein Tagebuch führen oder neue, digitale Messmethoden nutzen. Die Ergebnisse der Aufzeichnungen besprechen Sie dann mit Ihrem behandelnden Neurologen. Ein möglicher erster Schritt wäre, darauf zu achten, dass die Medikamente mit ausreichendem Abstand zu den Mahlzeiten eingenommen werden, damit sie gleichmäßig wirken können. Unter Umständen kann auch eine Änderung der Medikation sinnvoll sein. Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die eine Glättung von Schwankungen herbeiführen können. Wichtig ist, die Medikation niemals ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt zu verändern.
Wann und wie oft sollte die Medikation überprüft werden?
Prof. Dr. med. Carsten Eggers: Für die Anpassung der Medikation gibt es keine festen Intervalle. Vielmehr sollte die Überprüfung sich an den individuellen Symptomen der Erkrankten orientieren. Bei einigen Menschen ist dieses Intervall kürzer, bei einigen länger. Alle drei bis sechs Monate sollten Patienten jedoch auf jeden Fall Kontakt zu ihrem behandelnden Neurologen aufnehmen, damit die Symptomatik überprüft und bei Bedarf Anpassungen vorgenommen werden können.
Ich schlafe in letzter Zeit nachts sehr schlecht, wache oft mit Beinkrämpfen auf. Kann das mit meiner Medikation zusammenhängen?
Prof. Dr. med. Lars Wojtecki: Schlafstörungen bei Parkinson können verschiedene Ursachen haben, insbesondere wenn sie mit Beinkrämpfen einhergehen. Die Beschwerden können ein Hinweis darauf sein, dass die Medikamente nicht ausreichend eingestellt sind. Es kann sich aber auch um eine Schlafstörung mit häufigen Beinbewegungen handeln. Ihre Neurologin oder Ihr Neurologe hilft Ihnen sicher, das herauszufinden.
Wie verändert sich die Therapie bei fortgeschrittener Erkrankung?
Prof. Dr. med. Dirk Woitalla: Im Laufe der Erkrankung treten zunehmend Begleiterkrankungen auf, die eine Anpassung der Therapie erfordern – insbesondere im höheren Lebensalter. In der frühen Phase der Erkrankung kommen häufig Dopaminagonisten zum Einsatz, die die Wirkung von Dopamin im Gehirn nachahmen. Im weiteren Verlauf steht der Wirkstoff Levodopa im Vordergrund, der im Körper zu Dopamin umgewandelt wird. Je nach Ausprägung der Symptome können auch intensivierte Therapieverfahren erwogen werden, darunter beispielsweise die stationäre Parkinson-Komplextherapie. Wichtig zu wissen ist, dass sich für die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten durch eine angepasste medikamentöse Therapie auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien eine ausreichende Wirkung auf die Beweglichkeit erzielen lässt.
In letzter Zeit höre ich häufig, dass ich sehr leise spreche. Mir fällt das gar nicht auf. Was kann ich tun?
Prof. Dr. med. Georg Ebersbach: Die Wahrnehmung für die eigene Sprechlautstärke kann bei Parkinson reduziert sein. Meistens ist es den Betroffenen möglich, deutlich lauter zu sprechen, wenn sie sich darauf konzentrieren. Insofern sind Hinweise von anderen hilfreich, solange dies auf freundliche und einfühlsame Weise geschieht. Ein spezielles logopädisches Therapieverfahren namens Lee Silverman Voice Treatment (LSVT) kann eine Verbesserung der Lautstärke bewirken. Hierfür zertifizierte Logopäden bieten diese Methode als vierwöchige intensive Einzeltherapie mit 16 Behandlungsstunden an.
Wie kann ich lernen, flüssiger zu gehen?
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder: Das flüssige Gehen hat mehrere Komponenten, darunter Geschwindigkeit, Gleichgewicht und Symmetrie. Entsprechend breit muss die Therapie gefasst werden. Wichtig ist eine ausreichende dopaminerge Medikation in Kombination mit Physiotherapie, Gang- und Gleichgewichtstraining. Hilfe beim flüssigeren Gehen können Walkingstöcke geben, ein gleichmäßiger Rhythmus von außen – zum Beispiel mit Musik – sowie eine vermehrte Konzentration auf die Bewegungsabläufe.
Wie hilft die Therapie, das Risiko von Depression und Demenz zu senken?
Prof. Dr. med. Carsten Eggers: Eine gut eingestellte medikamentöse und vor allem auch nicht-medikamentöse Therapie – also Bewegungs-, Physio- und Ergotherapie – können das Risiko einer Depression verringern. Hier wird einmal mehr deutlich, wie wichtig der Kontakt zu einem behandelnden Neurologen ist, der die Therapie regelmäßig überprüft. Was das Thema Demenz betrifft, so gibt es bis heute keine Medikamente zur Senkung des Risikos. Wissenschaftlich belegt ist jedoch, dass regelmäßiges körperliches Training das Risiko für die Entwicklung einer Demenz sowohl bei Parkinson-Erkrankten als auch bei Gesunden reduziert.
Ich habe gehört, dass Tai Chi für Parkinson-Betroffene gut ist. Stimmt das?
Prof. Dr. med. Georg Ebersbach: Hochwertige wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Tai Chi eine Verbesserung des Gleichgewichts bei Menschen mit Parkinson bewirken kann. Hinzu kommt, dass diese Methode auch zur Verbesserung von Körperwahrnehmung, Selbstsicherheit und Entspannung beitragen kann.
Wie kann ich sicherstellen, dass ich alle Therapieangebote ausschöpfen kann?
Prof. Dr. med. Lars Wojtecki: Nehmen Sie die fachkundige Beratung eines Neurologen in Anspruch, der sich mit der Behandlung von Parkinson gut auskennt. Wir sind Ihnen bei der Parkinson Stiftung gerne behilflich, entsprechende Kontakte zu knüpfen. Sie können bei uns auch Informationsmaterial anfordern.
Was kann ich selbst tun, um mit der Krankheit besser zu leben?
Prof. Dr. med. Georg Ebersbach: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein aktiver Lebensstil mit regelmäßiger sportlicher Aktivität, die Pflege sozialer Kontakte und die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten den Umgang mit der Erkrankung erleichtern. Hinzu kommt, dass regelmäßige sportliche Aktivität auch den langfristigen Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen kann. Allerdings fällt es vielen Betroffenen schwer, der Tendenz zur Passivität entgegenzuwirken, die leider oft mit Parkinson einhergeht. Sich einer Gruppe anzuschließen kann helfen, diese Hürde zu überwinden.
Ist eine Heilung von Parkinson in absehbarer Zukunft möglich?
Prof. Dr. med. Dirk Woitalla: Noch gibt es keine Möglichkeit, Parkinson zu heilen. Allerdings arbeitet eine Vielzahl von Wissenschaftlern an Medikamenten, um den Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen, ihren Ausbruch zu verzögern oder sie sogar heilen zu können. Derzeit verfolgen mehrere medikamentöse Studien diese Ziele. Mit den ersten Ergebnissen rechnen wir bereits für das Jahr 2025.
An welchen Therapiemöglichkeiten wird konkret geforscht?
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder: Die Forschung verfolgt mehrere Strategien: Ein Ansatz konzentriert sich auf die Entwicklung von Antikörpern gegen einen Eiweißstoff, der an der Entwicklung der Erkrankung beteiligt ist – eine Art Impfung gegen Parkinson. Ein anderer arbeitet an Substanzen, die den entzündlichen Prozess bei Parkinson aufhalten sollen. Intensiv geforscht wird auch an Molekülen, die den Sauerstoffstoffwechsel in den Nervenzellen verbessern sollen, sowie an genetischen Einflussfaktoren von Parkinson. Auch zur Behandlung der Symptome wird geforscht, zum Beispiel zu Zelltransplantationen, die den Dopaminmangel bekämpfen.
Wird auch an der Früherkennung von Parkinson geforscht?
Prof. Dr. med. Carsten Eggers: Es gibt äußerst intensive Forschungsbemühungen zum Thema Früherkennung der Parkinson-Krankheit – weltweit und vor allem auch in Deutschland. Aus gutem Grund, denn die Erkrankung beginnt bereits Jahre bevor die ersten Symptome auftreten. Konkret wird beispielsweise an der Entwicklung eines einfach anzuwendenden Tests geforscht, der Risikopatienten zuverlässig erkennt. Aktuell sind Verfahren dazu noch sehr aufwendig und mit Risiken verbunden, weshalb sie für eine breite Anwendung bisher nicht geeignet sind.
Wo bekomme ich verlässliche Informationen zu Parkinson?
Prof. Dr. med. Dirk Woitalla: Wissenschaftlich gesicherte und unabhängige Informationen finden Sie auf den Internetseiten der Parkinson Stiftung und der Deutschen Parkinson Gesellschaft. Das Angebot richtet sich zum Teil ausdrücklich auch an Nicht-Mediziner und bereitet Inhalte verständlich in Form von Videos und Wortbeiträgen auf. Informationen zur Teilnahme an Medikamentenstudien können über das Kompetenznetz Parkinson eingeholt werden. Am 22. April richtet die Parkinson Stiftung zudem den digitalen Welt-Parkinson-Tag aus, zu dem Betroffene, Angehörige und Interessierte herzlich eingeladen sind.
Weitere Informationen unter
Digitaler Welt-Parkinson-Tag mit Frank Elstner am 22. April
Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages veranstaltet die Parkinson Stiftung am Montag, 22. April 2024, ab 15 Uhr, mit Partnern und Unterstützern einen digitalen Informationstag, um auf die Situation von Betroffenen hinzuweisen und konkrete Ansätze in der Therapie und Forschung zu diskutieren.
Nach den Themen „Bewegung“ im Jahr 2022 und „Ernährung“ im vergangenen Jahr stehen dieses Mal die aktuell vielversprechendsten Ansätze aus der Forschung im Mittelpunkt. Neben der Frage, ob und vielleicht sogar wie die Parkinson-Krankheit einmal heilbar sein wird, wird es auch um die psychologischen Herausforderungen gehen, mit denen sich Betroffene unabhängig ihres Alters konfrontiert sehen.
Wie im vergangenen Jahr präsentieren zusätzlich drei Experten aus der Medizin in kurzweiligen Vorträgen verschiedene Themen und beantworten im Anschluss die Fragen der Zuschauenden.
In diesem Jahr unter anderem mit dabei: Frank Elstner (Moderatorenlegende und Botschafter der Parkinson Stiftung), Dilar Kisikyol (Box-Weltmeisterin im Leichtgewicht) und Claudia Eyd (Moderatorin von „Bewegte Angelegenheiten – Der Podcast der Parkinson Stiftung“).
Weitere Informationen unter www.parkinsonstiftung.de
Hier geht es zur Registrierung für den Online-Infotag.
Die Experten der Parkinson Stiftung am Lesertelefon waren:
- Prof. Dr. med. Georg Ebersbach; Vorstandsmitglied der Parkinson Stiftung, Facharzt für Neurologie, Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson, Beelitz-Heilstätten
- Prof. Dr. med. Carsten Eggers; Vorstandmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG), Facharzt für Neurologie, Direktor Neurozentrum und Chefarzt der Klinik für Neurologie, Knappschaftskrankenhaus Bottrop
- Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder; Vorstandsmitglied der Parkinson Stiftung, Fachärztin für Neurologie, Leiterin Kompetenznetz Parkinson der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel und ehemalige Präsidentin der International Parkinson and Movement Disorder Society
- Prof. Dr. med. Dirk Woitalla; Vorstandsmitglied der Parkinson Stiftung, Facharzt für Neurologie, Chefarzt Neurologische Klinik der Katholischen Kliniken der Ruhrhalbinsel, Essen (St. Josef-Krankenhaus Kupferdreh)
- Prof. Dr. med. Lars Wojtecki; Facharzt für Neurologie; Ärztlicher Direktor; Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation, Hospital zum Heiligen Geist Kempen