Mit weniger als 200 Nanometern sind Herpesviren zu klein, um von den Fresszellen des Immunsystems schnell erfasst zu werden. Ein neues Material kann die Viren an sich binden und so für das Immunsystem sichtbar machen. Foto: Cherries/stock.adobe.com

Hoffnungsschimmer: Neuer Wirkstoff soll Herpesviren vollständig immobilisieren

Erst kribbelt es auf der Haut, dann bilden sich schmerzhafte Bläschen: Einmal mit Herpesviren infiziert, bleibt der Erreger ein Leben lang im Körper und kann immer wieder zu Infektionen führen. Medikamente wie Zinksalben lindern zwar die Symptome, beseitigen das Virus aber nicht dauerhaft. Doch es gibt Hoffnung.

Professor Rainer Adelung von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) forscht seit über zehn Jahren an speziellen Zinkoxidpartikeln und ihren Anwendungsmöglichkeiten. In einer Kooperation mit der Phi-Stone-AG, einer Ausgründung der CAU, entwickelte er aus den Partikeln einen antiviralen Wirkstoff, der Herpesviren vollständig immobilisiert. Dafür hat die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung den Materialwissenschaftler und den Wirkstoffhersteller aus Mielkendorf jetzt mit dem zweiten Platz im Wettbewerb um den Innovations-Transfer-Preis ausgezeichnet, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) berichtet. Die Stiftung ehrt damit zukunftsweisende Produkte, die Wissenschaft und Wirtschaft in Schleswig-Holstein gemeinsam entwickelt haben.

Viren unter dem Radar

Mit weniger als 200 Nanometern sind Herpesviren zu klein, um von den Fresszellen des Immunsystems schnell erfasst zu werden – sie verschwinden gewissermaßen unter dem Radar. Normalerweise kann das Immunsystem sie erst bekämpfen, wenn sie sich im Körper ausgebreitet und bereits Bläschen gebildet haben.

„In unserem Ansatz geben wir der Körperabwehr sozusagen eine ‚Brille‘, damit sie die Herpesviren frühzeitig erkennt und ausschaltet“, fasst Rainer Adelung, Professor für Funktionale Nanomaterialien, die Rolle ihres „tetrapodalen Zinkoxids“ zusammen. Auf den ersten Blick sieht das weiße, weiche Material aus wie Watte. Erst unter einem hochauflösenden Elektronenmikroskop wird seine besondere Struktur sichtbar: Ein dicht verzweigtes Netzwerk aus vierarmigen Partikeln, sogenannte Tetrapoden. Ihre Form verleiht dem Material ungewöhnliche Eigenschaften. Sie können besonders kleinen Herpesviren an sich binden und so für das Immunsystem sichtbar machen.

Kieler Tetrapoden imitieren gesunde Zellen

Dazu lösten die Forschenden einzelne Sauerstoffmoleküle aus der Oberfläche der Tetrapoden heraus. „Diese Löcher imitieren die Stellen von gesunden Zellen, an denen Herpesviren normalerweise ansetzen, um sie zu infizieren. Ihre Glukoproteingruppen docken hier an und sitzen fest. So kann die Immunabwehr die Viren finden und eine antivirale Immunantwort auslösen“, erklärt Adelung.

Adelung und sein Team haben dieses Prinzip in einer Reihe von Experimenten mit unterschiedlichen Herpesviren nachgewiesen und mehrere Studien in internationalen Fachzeitschriften dazu veröffentlicht. Kolleginnen und Kollegen aus der Mikrobiologie und der Immunologie der University of Illinois, Chicago, stellten außerdem eine schnelle Abheilung von Herpes-Entzündungen am Mausmodell fest. Nach der Behandlung mit tetrapodalem Zinkoxid waren die Tiere ausnahmslos immunisiert.

Gemeinsam zur Marktreife entwickelt

Bereits bei der Herstellung des tetrapodalen Zinkoxids arbeiteten die Kieler Materialforschenden eng mit der Uni-Ausgründung zusammen. Die Phi-Stone AG entwickelte das Verfahren weiter und konnte die Produktion in einem eigens dafür eingerichteten Reinraumlabor hochskalieren. Das schuf die Voraussetzungen für die Marktreife, die offizielle Zulassung als medizinischer Zusatzstoff und schließlich als Medizinprodukt.

„Ohne den engen Austausch und die seit über zehn Jahren bestehende Kooperation wäre so eine schnelle Translation von der ersten Erforschung einer neuen Wirksubstanz bis zu einem Medikament nicht möglich gewesen“, blickt Adelung zurück.

Mit seinen ungewöhnlichen Eigenschaften lässt sich tetrapodales Zinkoxid auch für andere, technische Anwendungen nutzen, etwa als Zusatzstoff zur Verstärkung von Kunststoffen oder als innovatives Filtermaterial. Eine weitere Produktionsstätte in Flintbek ist bereits im Aufbau.  DGP




Herpes-Tipps: Auf Hygiene achten und keine Babys küssen

Wer sich einmal mit den Herpesviren angesteckt hat, ist vor Ausbrüchen mit Bläschen an den Lippen nicht sicher. Stresssituationen, Erkältungen, mangelnde Abwehrkräfte – vieles kann dazu führen, dass diese Bläschen immer wieder ausbrechen. Beim ersten Jucken oder bei Spannungsgefühlen an den Lippenrändern sollte man gleich reagieren. In der Apotheke gibt es verschiedene Präparate, die den Ausbruch der Bläschen eindämmen können.
In der Regel nimmt man eine spezielle Creme oder Salbe, die man am besten nicht mit den Fingern, sondern zum Beispiel mit einem Wattestäbchen auf die juckenden, offenen Stellen aufträgt. Händewaschen davor und danach ist ratsam, um nicht Viren auf andere Körperstellen wie Augen oder Genitalien zu übertragen.  
Besondere Vorsicht bei einem Herpesausbruch wird beim Umgang mit Babys empfohlen. Das Immunsystem ist bei Säuglingen noch nicht vollständig entwickelt, weshalb Küsse mit Lippenherpes gefährlich werden können. In der Schwangerschaft ist Herpes, der auf den Mund beschränkt bleibt, weder für die werdende Mutter noch für das Kind dramatisch. Cremes und Salben aus der Apotheke können ohne Bedenken angewendet werden. tok