
Musik kann starke Gefühle auslösen und somit auch eine Heilung unterstützen. Wenn sie nicht fachgerecht eingesetzt wird, kann sie aber auch schaden. Deshalb fordert die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaf ein Berufsgesetz, damit der therapeutische Umgang mit Musik in qualifizierten Händen liegt. Foto: Pixel-Shot/stock.adobe.com
Musik kann Heilung fördern, aber auch schaden: Musiktherapie-Ausbildung muss geregelt werden
Schätzungsweise an jeder dritten deutschen Klinik sind Musiktherapeuten beschäftigt, vor allem in psychiatrischen und psychosomatischen Abteilungen. Obwohl die Therapeuten oft mit vulnerablen Patienten arbeiten, sind die Anforderungen an die Ausbildung zur Musiktherapeutin immer noch vollkommen ungeregelt. Das will die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (DMtG) dringend ändern.
Eine Auswertung der Klinik-Qualitätsberichte im Jahr 2010 ergab, dass 31 Prozent der deutschen Krankenhäuser Musiktherapie vorhalten. Auch wenn die meisten Musiktherapeuten stationär in der Psychiatrie arbeiten, ist die Spanne der Anwendungsgebiete breit – sie reicht von Depression und Demenz über Frühgeburt, Krebs und Schlaganfall bis hin zu chronischen Schmerzen. Genaue Zahlen, wie viele Musiktherapeuten bundesweit tätig sind, liegen nicht vor. „Im Verband DMtG sind 1.600 Musiktherapeuten organisiert“, berichtet Beatrix Evers-Grewe, Vorstandsmitglied der DMtG und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien (BAG KT). „Damit sind jedoch nicht alle erfasst, die Musiktherapie anbieten.“
Erstattungsfähigkeit durch GKV durch G-BA-Beschluss blockiert
Dies gilt insbesondere für den ambulanten Bereich, der derzeit nur von Selbstzahlenden in Anspruch genommen werden kann. Denn Musiktherapie wird zwar als stationäre Leistung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet, nicht aber im ambulanten Bereich. „Das muss sich ändern, denn viele Patientinnen und Patienten, die in der Klinik oder Reha von der Musiktherapie profitierten, stehen nach ihrer Entlassung vor Problemen“, so Evers-Grewe.
Für die Regelung der Erstattungsfähigkeit ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig. Dort tut sich jedoch eine Hürde auf: Der G-BA hatte die Musiktherapie vor Jahrzehnten von der Erstattung ausgeschlossen – wie dies nun wieder rückgängig gemacht werden kann, ist unbekannt. „Wir benötigen deshalb einen Anstoß aus der Politik, damit der G-BA eine eigene Richtlinie für die Musiktherapie erlässt“, sagt Evers-Grewe.
Ausbildung zum Musiktherapeuten durch Berufsgesetz regeln
Ebenso wichtig wie die Erstattungsfähigkeit der Musiktherapie ist den beiden Expertinnen Evers-Grewe und Mona Dittrich die berufsrechtliche Regelung der Profession. „Heute kann sich im Prinzip jede und jeder nach einem Wochenend-Seminar Musiktherapeut*in nennen und ein Zertifikat vorlegen“, sagt Dittrich, Vorstandsmitglied der DMtG und Musiktherapeutin am SRH Klinikum Sigmaringen. „Unser Ziel ist deshalb, ein Berufsgesetz für die Musiktherapie auf den Weg zu bringen, eine klar definierte, geschützte Berufsbezeichnung mit bindenden Ausbildungsanforderungen.“ Ein solches Berufsgesetz könnte parallel zur G-BA-Richtlinie durch die Politik eingebracht werden.
Mindestanforderung an die Ausbildung sollte der Bachelor-Abschluss sein. „Inhaltlich umfasst die Ausbildung unter anderem Gesprächsführung, Entwicklungspsychologie, klinische Psychologie und Selbsterfahrung“, berichtet Dittrich. „Dazu kommt die musikalische Ausbildung in verschiedenen Instrumentengruppen und die Vermittlung, wie man Instrumente gezielt musiktherapeutisch einsetzt.“ Derzeit bieten die SRH University of Applied Sciences Heidelberg und die Medical School Hamburg Bachelor-Studiengänge für Musiktherapie an. Die Studiengebühren für die gesamte Studiendauer belaufen sich auf einen fünfstelligen Betrag.
Musik kann Heilung fördern, aber auch schaden
Ein Berufsgesetz, betont Dittrich, diene in erster Linie der Sicherheit der Patienten. „Musik ist ein unglaublich kraftvolles Medium, sie kann starke Gefühle auslösen“, erläutert die Musiktherapeutin. „Und Menschen in akuten Krisen sind auf der emotionalen Ebene besonders angreifbar.“ So hätten Menschen mit Fluchterfahrung, etwa Kinder aus der Ukraine, oft negative Erfahrungen mit Lautstärke gemacht, bei Demenzerkrankten wiederum könne Musik belastende Erinnerungen an Kriegslieder oder Gesänge in der NS-Zeit aktivieren, viele Patienten in der Akutpsychiatrie seien darüber hinaus suizidgefährdet oder traumatisiert. „Musik kann Heilung unterstützen, aber auch schaden, wenn sie nicht fachgerecht eingesetzt wird“, fasst Dittrich zusammen. Der therapeutische Umgang damit gehöre unbedingt in qualifizierte Hände.
Info
Informationen zum Programm des 13. Europäischen Musiktherapie-Kongresses finden Sie unter www.emtc2025.de.