
Fast alle Masernfälle in Deutschland betreffen ungeimpfte Menschen. Umso wichtiger ist es daher, dass Kinder schon früh eine sichere und langanhaltend schützende MMR-Impfung erhalten und auch die zweite Impfung bis zum zweiten Lebensjahr gegeben wird. Foto: Prostock-studio/stock.adobe.com
Masernfälle in den USA steigen rasant an, in Baden-Württemberg sinken sie wieder
In der kühlen Jahreszeit rücken Masern auf der Nordhalbkugel wieder in den Fokus. Nach den großen Masernausbrüchen mit mindestens drei Todesfällen im ersten Halbjahr 2025 in den USA (vor allem in Texas) schreckten im Oktober neue Masernfälle in South Carolina auf. Wie groß ist das Risiko in Deutschland? Wer braucht welchen Schutz und was gilt in Kitas und Schulen?
In South Carolina wurden laut dem Gesundheitsministerium des Bundesstaats zwölf Fälle direkt mit einem Ausbruch in Spartanburg County in Verbindung gebracht. Im Rahmen dieses jüngsten Ausbruchs wurden über 139 ungeimpfte Schüler unter Quarantäne gestellt, nachdem sie Kontakt mit Erkrankten hatten. Die Quarantäne-Maßnahmen scheinen bislang ein größeres Ausbruchsgeschehen verhindert zu haben.
Insgesamt aber haben die Maserninfektionen in 2025 ein für die USA erschreckend hohes Ausmaß angenommen, zumal die Krankheit dort bereits zu den Infektionskrankheiten gezählt wurde, die man unter Kontrolle zu haben schien. Das war jedoch bevor sich die US-Regierung unter Präsident Donald Trump und seinem fragwürdigen Gesundheitsminister und bekennenden Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. aus ideologischen Gründen von wissenschaftlich fundierten und funktionierenden Impf- und Präventionsprogrammen verabschiedet hatte.
Auch in der Europäischen Region steigen 2024 die Maserninfektionen
Aber der Blick auf unser direktes Umfeld stimmt auch nicht gerade optimistisch. 2024 wurden in der Europäischen Region 127.350 Masernfälle gemeldet — doppelt so viele wie 2023. Das war die höchste Infektionsrate seit 1997, so eine Analyse von WHO und UNICEF. Und auch in Deutschland muss man sich Gedanken machen, wie man solche massenhaft auftretenden Masernfälle verhindert, trotz hoher Impfrate und weitgehender Herdenimmunität.
Die Zahl der Masern-Fälle in Baden-Württemberg näherte sich mit 72 Fällen in 2024 wieder dem Niveau der Vor-Corona-Jahre an. Im Jahr 2024 waren 72 Prozent aller in Baden-Württemberg gemeldeten Masernpatienten unter 14 Jahre alt. Davon waren 98 Prozent nicht gegen Masern geimpft. „Eine Impfung ist der beste Schutz gegen Masern. Wer geimpft ist, schützt sich und andere“, betonte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha. Allerdings sagt er auch: „Wir sehen weiterhin Masern-Ausbruchsgeschehen im Land – vor allem durch Ausbrüche in Einrichtungen mit niedrigen Impfquoten.“
2025 gibt es bislang relativ wenig Masernfälle in Baden-Württemberg
Die Masernzahlen liegen 2025 in Deutschland bis zur Kalenderwoche 36 mit 183 Fällen deutlich unter dem Niveau von 2024, als bis zum gleichen Zeitpunkt schon über 380 Fälle gemeldet waren. Der Rückgang um rund 50 Prozent deutet auf eine Stabilisierung nach dem deutlichen Anstieg in 2024 hin. Ursache ist laut Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) vermutlich eine Kombination aus
- verstärkten Impfkampagnen nach den hohen Fallzahlen 2024 (viele Nachimpfaktionen in Kitas und Schulen)
- verbesserter Melde- und Sensibilisierungsarbeit (viele Gesundheitsämter überprüften Impfausweise proaktiv),
- sowie einer leicht erhöhten Grundimmunität in den betroffenen Regionen.
Ein sehr deutlicher Rückgang zeigt sich vor allem in Baden-Württemberg. Mit bislang 5 Fällen (bis zur Kalenderwoche 36 in 2025) gegenüber 72 Fällen (2024) sieht es so aus, als könnte es ein weitgehend masernfreies Jahr im Südwesten geben. Baden-Württemberg war allerdings 2024 überdurchschnittlich betroffen und hatte bundesweit die zweithöchste Fallzahl nach Bayern. Die größeren Masern-Cluster gab es vor allem in Einrichtungen mit niedrigen Impfquoten.
Der Einbruch bei den Fallzahlen lässt sich auf gezielte Präventionskampagnen des baden-württembergischen Sozialministeriums und auf lokale Impfaktionen unter anderem an Schulen zurückführen.
Nach wie vor sind über 90 Prozent der Erkrankten ungeimpft oder haben einen unbekannten Impfstatus, wobei Kinder unter 14 Jahren den größten Anteil stellen. Das bedeutet: Der Rückgang an Masernfällen beruht nicht auf Zufall, sondern auf einer gezielten Erhöhung der Impfquote in besonders betroffenen Gruppen.
Gute Impfquote bei frisch eigeschulten Kindern im Südwesten
„Eine Impfung ist der beste Schutz gegen Masern. Wer geimpft ist, schützt sich und andere“, betonte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha. „Wir sehen weiterhin Masern-Ausbruchsgeschehen im Land – vor allem durch Ausbrüche in Einrichtungen mit niedrigen Impfquoten“, sagte Lucha im Rückblick auf das Masernjahr 2024.
Positiv: Mit einer Masern-Impfquote von fast 97 Prozent im Untersuchungsjahr 2022/2023 war der Anteil der gegen Masern grundimmunisierten Vorschulkinder in Baden-Württemberg so hoch wie noch nie zuvor. „Wir haben die 95 Prozent-Zielmarke, die großflächige Ausbrüche verhindert und zur Elimination von Masern notwendig ist, endlich erreicht“, sagte Lucha. „Jetzt heißt es dran bleiben, verbleibende Impflücken schließen und Auffrischungsimpfungen nicht vergessen!“
Aber: Mehr als 40 Prozent der gemeldeten Masernfälle in der Europäischen Region, die 53 Länder in Europa und Zentralasien umfasst, betrafen Kinder unter fünf Jahren. Also noch unter dem Einschulungsalter, was andeutet, dass man mit der zweiten MMR-Impfung nicht bis zum Eintritt ins Schulleben warten sollte. In mehr als der Hälfte der gemeldeten Masernfälle war in der Europäischen Region ein Krankenhausaufenthalt erforderlich.
| Masern-Impfquoten aus den Untersuchungen zur Einschulung in 2023 Quelle: Gesundheitsatlas Baden-Württemberg | |
| Stadt-/Landkreis | Impfquote in % |
| Heilbronn | 98,3 |
| LK Ludwigsburg | 97,6 |
| LK Böblingen | 97,5 |
| LK Heilbronn | 97,0 |
| Pforzheim | 96,7 |
| Enzkreis | 96,3 |
| LK Karlsruhe | 95,9 |
| LK Freudenstadt | 95,7 |
| LK Calw | 95,4 |
| Stuttgart | 95,4 |
| Karlsruhe | 94,8 |
Im Herbst und Winter steigt das Infektionsrisiko
Noch aber gibt es keinen Anlass, das Masernproblem als erledigt anzusehen. Die Viren sind extrem ansteckend. Im Herbst und Winter steigt das Infektionsrisiko nämlich tendenziell an – nicht, weil das Virus den deutschen Winter liebt, sondern weil die Menschen in der nasskalten Saison mehr Zeit in Innenräumen verbringen und sich Infektionen so viel leichter weitergeben lassen. Der Effekt ist vor allem verhaltens‑ und kontaktbedingt, weshalb in gemäßigten Breiten Masernfälle typischerweise vom späten Winter bis ins Frühjahr zunehmen.
MMR-Impfung schützt in der Regel ein Leben lang vor Masern
„Sind zwei Impfungen dokumentiert, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von ausreichender Immunität ausgegangen werden“, ist in einem Masern-FAQ auf der RKI-Webseite. Es gibt also mit der MMR-Impfung, einer Kombinationsimpfung gegen Masern-Mumps-Röteln mit einem Impfstoff, der abgeschwächte Lebendviren dieser drei Erkrankungen enthält, einen wirkungsvollen, meistens lebenslangen Schutz gegen diese Vireninfektion. Routine‑Auffrischungen sind über die beiden ersten Impfungen hinaus nicht vorgesehen. Ausnahmen gelten nur in besonderen Situationen.
Allerdings Deutschland verfehlt bei der Zweitimpfung (MMR2) das WHO‑Ziel von über 95 Prozent im zweiten Lebensjahr der Kinder. Bei Schuleintritt liegen die Quoten höher, erreichen aber regional nicht immer 95 Prozent. Baden‑Württemberg meldet bei Schuleingang eine sehr hohe Abdeckung, aber bei 24‑Monats‑Kindern ist noch Luft nach oben.
Klare wissenschaftliche Datenlage: Die MMR-Impfung schützt und ist sicher
Seit 1. März 2020 gilt: Kinder und Personal in Kindertagesstätten und Schulen und weiterer Gemeinschaftseinrichtungen müssen einen Masern‑Impfschutz oder eine Immunität nachweisen. Ohne Nachweis drohen Ausschluss und Bußgelder. Etliche Impfgegner hatten sich damals vehement dagegen ausgesprochen. Ihre Argumente gegen die Impfung reichten von angeblichen „natürlichen“ Durchseuchungsvorteilen über Sicherheitsbedenken bis hin zu Fehlinformationen über Zusatzstoffe. Vieles davon entpuppte sich bei näherer sachlicher und wissenschaftlicher Betrachtung als falsch.
Die Datenlage ist eigentlich klar: Die MMR‑Impfung ist sicher, reduziert gesundheitliche Komplikationen massiv und verhindert große Ausbrüche. Auch der unselige, immer noch in einigen Köpfen herumspukende Zusammenhang einer MMR-Impfung mit Autismus ist schon lange widerlegt. Der Urheber dieser Autismus-Lüge hatte gefälschte Studienergebnisse medienwirksam veröffentlicht. Vor Gericht wurde der Betrug bewiesen und der Urheber verurteilt.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt die erste MMR-Dosis mit 11 bis 14 Monaten, die zweite Dosis mit 15 bis 23 Monaten. Die Impfungen kann man aber jederzeit nachholen. Eine Herdenimmunität wird mit einer Impfquote von über 95 Prozent erreicht.
So erkennt und behandelt man Masern
Masern beginnen mit Fieber, Husten, Schnupfen, Bindehautentzündung; danach folgt das typische Exanthem, ein akut auftretender Hautausschlag auf größeren Hautflächen verteilt. Häufige Komplikationen sind Mittelohrentzündungen und Pneumonien (Lungenentzündungen); seltener Enzephalitis (Gehirnentzündung). Besonders gefährdet sind Säuglinge, Schwangere und Immungeschwächte.
Wie so oft bei dieser Art von Infektionen: Es gibt keine spezifische antivirale Therapie. Die Behandlung kann nur unterstützen, etwa durch die Senkung von Fieber oder die Zufuhr von Flüssigkeit. Die anfallenden Komplikationen müssen konsequent behandelt. Vitamin‑A‑Gaben sind vor allem bei Kindern mit einem entsprechenden Mangel angezeigt. Aber: Vitamin A kann bei Erkrankten Komplikationen mindern, ersetzt aber keinen Impfschutz.
Nach dem Kontakt mit Masernviren können im Rahmen einer Postexpositionsprophylaxe eine MMR‑Impfung binnen 72 Stunden oder Immunglobuline bis zum sechsten Tag für Risikogruppen hilfreich sein.
In Industrieländern wird ein erheblicher Anteil der Masernfälle stationär behandelt (zweistellige Prozentwerte, je nach Ausbruch). Deutschland meldet im internationalen Vergleich nur sehr wenige Todesfälle pro Jahr.

Selten, aber immer tödlich: SSPE nach einer Maserninfektion
Was kaum bekannt ist: Im Durchschnitt 6 bis 8 Jahre nach einer Infektion mit dem Masernvirus kann eine Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten. Auch Manifestationen nach bis zu 27 Jahren gab es schon. SSPE ist eine fortschreitende Entzündung des Gehirns und des Nervensystems und verläuft immer tödlich. Laut RKI kommt es durchschnittlich zu 4 bis 11 SSPE-Fällen pro 100.000 Masernerkrankungen.
Doch Kinder, insbesondere nach einer Säuglingsinfektion, sind besonders gefährdet: „So wurde das Risiko, eine SSPE zu entwickeln, für Kinder, die im Alter von <5 Jahren an Masern erkrankten, auf 30 – 60 von 100.000 Masernfällen, für Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken, sogar auf rund 170 von 100.000 Masernfällen geschätzt“, erklären RKI-Experten. Eine Therapie, die den tödlichen Verkauf aufhalten lässt, gibt es nicht. Wohl aber kann die MMR-Impfung vorbeugen und schützen. tok