Opfer des Locked-in-Syndroms sind sich ihrer Umgebung vollkommen bewusst, können Gedanken und Empfindungen klar wahrnehmen, sind jedoch aufgrund schwerwiegender motorischer Einschränkungen nicht in der Lage, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren oder zu reagieren. Sie sind Gefangene in ihrem eigenen Körper. Foto: AkuAku – KI-generiert/stock.adobe.com

Locked-in-Syndrom und Wachkoma: Ein langer Horrortrip für in ihrem Körper gefangene Patienten

Ein Horrortrip für Patienten, ein Albtraum für Angehörige und Pflegepersonal: Das Locked-in-Syndrom (LIS) ist eine seltene neurologische Erkrankung, bei der Patienten bei vollem Bewusstsein in ihrem eigenen Körper gefangen sind und keinerlei Bewegungen ausführen können, außer mit den Augen.

Die Betroffenen sind sich ihrer Umgebung vollkommen bewusst und können ihre Gedanken und Empfindungen klar wahrnehmen, sind jedoch aufgrund schwerwiegender motorischer Einschränkungen nicht in der Lage, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren oder zu reagieren. Diese beängstigende Zustandserfahrung wird von den Betroffenen als extrem belastend empfunden.

Mögliche Ursachen des Locked-in-Syndroms

Das Locked-in-Syndrom tritt in der Regel nach einer schweren Schädigung des zentralen Nervensystems auf, wobei am häufigsten der Hirnstamm betroffen ist. Der Hirnstamm, der alle lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Schlucken steuert, ist auch für die motorischen Befehle des Körpers verantwortlich. Wenn dieser Bereich des Gehirns durch Schlaganfälle, traumatische Hirnverletzungen, Tumore oder degenerative Erkrankungen geschädigt wird, können die Nervenbahnen, die Signale vom Gehirn zu den Muskeln transportieren, blockiert werden. Infolgedessen sind die Betroffenen außerstande, Bewegungen auszuführen, obwohl ihr Bewusstsein intakt bleibt.

Die genaue Ursache des Locked-in-Syndroms kann variieren, doch ein Schlaganfall, der die vordere oder mittlere Hirnstammpartie betrifft, gilt als eine der häufigsten Auslöser. Auch eine Vergiftung, ein Tumor oder bestimmte neurodegenerative Erkrankungen können zu diesem Zustand führen. Eine weitere seltene Ursache ist das sogenannte Wachkoma, in dem Patienten bei vollem Bewusstsein bleiben, aber ihre Bewegungsfähigkeit verloren haben.

Wie stellt sich das Locked-in-Syndrom dar?

Das Locked-in-Syndrom ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine erschütternde Erfahrung. Die Patienten sind in der Regel bei vollem Bewusstsein, was bedeutet, dass sie ihre Umgebung wahrnehmen und ihre Gedanken klar formulieren können. Sie sind jedoch vollständig unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen, was zu einem extremen Gefühl der Isolation führt. Am häufigsten können Betroffene nur noch mit ihren Augen blinzeln oder, in sehr wenigen Fällen, mit einem einzelnen Augenlid bewegen.

Die Symptome umfassen:

  • Bewegungsunfähigkeit: Die Patienten sind gelähmt und können keine willkürlichen Bewegungen mehr ausführen. In den meisten Fällen ist die gesamte Körpermuskulatur betroffen, einschließlich der Sprechmuskeln.
  • Vollständige Wachsamkeit: Die Patienten sind sich ihrer Umgebung und der Gespräche der Menschen um sie herum bewusst. Ihre Fähigkeit zu denken und ihre Sinne sind intakt, aber sie können dies nicht kommunizieren.
  • Kommunikationsbarrieren: Da nur Augenbewegungen erhalten bleiben, kann die Kommunikation extrem schwierig sein. In einigen Fällen können Patienten mithilfe von Augenbewegungen oder Blinzeln einfache Antworten auf ja/nein-Fragen geben, was eine minimale Interaktion ermöglicht.
44 Stunden lang war Gil Avni gefangen zwischen Leben und Tod – im eigenen Körper, bei vollem Bewusstsein und ohne Möglichkeit, sich mit Außenstehenden zu verständigen. Video: SWR

Der Fall Gil Avni

Ein bekannter Fall, der eindrucksvoll verdeutlicht, wie sich das Locked-in-Syndrom manifestieren kann, ist der von Gil Avni, einem jungen israelischen Familienvater, der ohne erkennbaren Anlass ins Wachkoma fiel und über 44 Stunden lang versuchte, sich den Menschen an seinem Bett mitzuteilen. Avni war sich seiner Umgebung bewusst, konnte jedoch nicht kommunizieren oder sich bewegen. Dies ist ein dramatisches Beispiel für den Horror, den Patienten mit dem Locked-in-Syndrom erleben können.

Wie erkennt man das Locked-in-Syndrom?

Die Diagnose des Locked-in-Syndroms kann aufgrund der offensichtlichen Bewegungsunfähigkeit und der intakten Wahrnehmung des Patienten herausfordernd sein. Besonders in den frühen Stadien oder bei schwerwiegenden Verletzungen kann es schwierig sein, zwischen einem tiefen Koma und einem Locked-in-Zustand zu unterscheiden. Moderne Bildgebungstechnologien wie CT-Scans und MRTs sind entscheidend, um den Schaden im Hirnstamm zu erkennen und die Diagnose zu bestätigen.

Zudem ist eine gründliche klinische Untersuchung notwendig, um die minimalen Anzeichen von Bewegung, wie zum Beispiel Augenbewegungen oder Blinzeln, zu identifizieren. Mit speziellen Tests, wie dem Winking-Test oder Blink-to-Communicate, können Ärzte und Pflegepersonal versuchen, mit dem Patienten zu kommunizieren.

Was kann man gegen das Locked-in-Syndrom tun?

Es gibt derzeit keine Heilung für das Locked-in-Syndrom. Die Behandlung konzentriert sich daher in erster Linie auf die Verbesserung der Lebensqualität und die Unterstützung der Kommunikation. Es ist von größter Bedeutung, den Patienten die Möglichkeit zu geben, ihre Bedürfnisse auszudrücken, sei es durch Augenbewegungen oder durch moderne Hilfsmittel wie Eye-Tracking-Technologie, die es den Patienten ermöglicht, Texte auf einem Bildschirm basierend auf Augenbewegungen zu tippen oder so eine Auswahl an Antworten zu treffen oder bestimmte vorgegebene Sätze zu formulieren.

Darüber hinaus erfordert die Pflege eines Locked-in-Patienten ein interdisziplinäres Team von Ärzten, Pflegepersonal, Physiotherapeuten und Psychologen, die zusammenarbeiten, um die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Die Patienten müssen regelmäßig überwacht werden, um Komplikationen wie Atemwegsinfektionen oder Druckgeschwüre zu vermeiden. Die Therapie zielt darauf ab, die physischen und psychischen Belastungen des Patienten zu lindern.

In seltenen Fällen, wenn eine medizinische Ursache wie ein Schlaganfall oder ein Tumor die Ursache des Locked-in-Syndroms ist, kann eine chirurgische Behandlung in Betracht gezogen werden, um die zugrunde liegende Ursache zu behandeln, was jedoch nicht immer eine Verbesserung des Zustands des Patienten zur Folge hat.

Der 33-jährige Gil Avni war 44 Stunden Opfer des Locked-in-Syndroms. Foto: SWR

Umgang mit Komapatienten gesetzlich festlegen

Der Fall von Gil Avni hat nicht nur Aufsehen erregt, sondern auch dazu beigetragen, dass der Umgang mit Komapatienten in Israel per Gesetz geändert wurde. Der Dokumentarfilm „Gefangen im eigenen Körper – 44 Stunden zwischen Leben und Tod“ hat die Aufmerksamkeit auf die problematischen ethischen und medizinischen Fragen gelenkt, die bei der Behandlung von Patienten im Wachkoma aufkommen, und dabei die Bedeutung einer genaueren Diagnose und einer besseren Kommunikation mit diesen Patienten unterstrichen. Der Fall von Gil Avni zeigt auf dramatische Weise, wie wichtig es ist, auf die subtilen Signale von Patienten im Wachkoma zu achten und ihre Bedürfnisse und Wünsche zu respektieren.    tok