„Reden hilft, seelische Belastungen zu reduzieren“ – dieser Aussage stimmen in einer aktuellen Studie 91 % der Deutschen (eher bis voll und ganz) zu. Foto: Photographee.eu/stock.adobe.com

Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen

Sind Psychotherapie, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen noch ein Tabu? Der Mai ist Mental Health Awareness Month – anlässlich dessen haben „REDEZEIT FÜR DICH“ und „Appinio“ 3000 Personen aus Deutschland, Spanien, Frankreich, den USA und Großbritannien zu ihrer mentalen Gesundheit und Nutzung von Hilfsangeboten befragt. Die Studie zeigt eine wachsende Akzeptanz von mentalen Hilfsdiensten in fast allen Ländern, aktuelle Hindernisse und Chancen.

„REDEZEIT FÜR DICH #virtualsupporttalks“ ist eine weder wirtschaftliche noch politische oder religiöse Ziele verfolgende Plattform aus über 400 im Zuhören geschulten Coaches, Therapeuten und Psychologen, die anderen Menschen ehrenamtlich ihr Ohr schenken und zuhören – kostenlos und ohne Verpflichtung. Sie wollen in schwierigen Zeiten ein Signal der Hoffnung und Unterstützung senden. Seit der Gründung im März 2020 konnten die „REDEZEIT FÜR DICH“-Mitglieder bereits über 8500 Menschen helfen. „Appinio“ ist eine globale Marktforschungsplattform, die es Unternehmen ermöglicht, schnell und effizient spezifische Zielgruppen zu befragen und repräsentative Ergebnisse in Echtzeit zu erhalten.  

Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen (27 %). Weitere 46 Prozent ziehen sie in Betracht. Bildrechte/Foto: appinio GmbH

Glückliche Deutsche

Das sind ein paar Eckdaten der Studie mit Ergebnissen für Deutschland.

  • Deutsche sind glücklicher: 81 % der Deutschen geben an, aktuell (eher) glücklich zu sein. Etwas mehr als jeder dritte Deutsche (39 %) hat eine Verbesserung der mentalen Gesundheit im vergangenen Jahr erlebt, vor allem junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren. Mehr als die Hälfte (56 %) von ihnen geben an, dass sich ihre mentale Gesundheit im vergangenen Jahr (eher) verbessert hat.
  • Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen (27 %). Weitere 46 % ziehen sie in Betracht.
  • Diverse Hindernisse beim Zugang: Zeit, Geld, Mut und der Glaube, die psychischen Belastungen seien nicht stark genug.

Der schwere Gang zum Therapeuten?

„Reden hilft, seelische Belastungen zu reduzieren“ – dieser Aussage stimmen 91 % der Deutschen (eher bis voll und ganz) zu. Darüber hinaus geben drei von vier Personen an, manchmal oder oft mit anderen, zum Beispiel Freunden und Freundinnen oder Familie, über ihre mentale Gesundheit zu sprechen (76 %). Die Umfrage zeigt auch einen klaren Trend zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe: Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen und ein weiterer großer Anteil (46 %) zieht dies in Betracht. Ähnliches gilt für die Nutzung ärztlicher oder psychiatrischer Hilfe zur mentalen Gesundheit.

Trotz dieser positiven Trends gibt ein großer Teil der Befragten an, keine Hilfe zu suchen. Die Hauptgründe hierfür sind der Glaube, dass ihre psychische Belastung nicht stark genug sei (41 %), mangelnder Mut, Hilfe in Anspruch zu nehmen (25 %), sowie zeitliche (25 %) und finanzielle Hürden (18 %). Weiterhin wissen viele nicht, wo sie passende Informationen finden können (16 %) oder finden keinen Platz, der von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird (14 %). Eine Chance: Zwei von drei Deutsche könnten sich vorstellen, auch Online-Hilfsdienste in Anspruch zu nehmen (65 %). Dies zeigt, dass digitale Lösungen eine immer wichtigere Rolle bei der psychischen Gesundheitsversorgung spielen könnten.

Nachbarland Frankreich: Therapiemuffel?

Auch international finden mentale Hilfsangebote immer mehr Beachtung. In den USA hat bereits jeder Dritte eine Psychotherapie in Anspruch genommen (33 %) – weitere 40 % können sich eine Psychotherapie in Zukunft vorstellen. In Frankreich ist die Partizipation an mentalen Hilfsdiensten vergleichsweise gering. Nur 13 % der Befragten geben an, eine Psychotherapie in Anspruch genommen zu haben. Auch insgesamt sprechen Franzosen deutlich seltener über ihre mentale Gesundheit mit anderen: So gab fast jeder zweite Franzose an, nie oder nur selten hierüber zu sprechen (46 %) und deutlich weniger Franzosen stimmten der Aussage zu, dass Reden hilft, seelische Belastungen zu reduzieren.

Dabei unterscheiden sich die Hürden, um mentale Hilfsdienste in Anspruch zu nehmen, je nach Land. Während es Deutschen und Franzosen öfter an Mut mangelt, geben die Befragten aus den USA häufiger an, sich keine private Hilfe leisten zu können. In Spanien fehlen oftmals Plätze der gesetzlichen Krankenkassen.

Digitalisierung und psychische Gesundheit

„Die Digitalisierung hat einen komplexen und vielschichtigen Einfluss auf die psychische Gesundheit, mit sowohl positiven als auch negativen Aspekten. Die Integration digitaler Lösungen in die psychische Gesundheitsversorgung kann dazu beitragen, den Zugang zu Hilfe zu verbessern. Gleichzeitig sollten politische Maßnahmen ergriffen werden, um eine gesunde digitale Infrastruktur zu schaffen, die den Schutz der Privatsphäre und den verantwortungsvollen Umgang mit Informationen gewährleistet“, sagt Karen Tippkötter, Kommunikation von „REDEZEIT FÜR DICH“. Immerhin sind 65 % in Deutschland nicht abgeneigt, Online-Hilfsdienste zu nutzen.

Die Umfrage ergab auch interessante internationale Vergleiche zum Thema Digitalisierung. In Frankreich sehen 42 % der Befragten Online-Dienste als Option, während 58 % skeptisch bleiben. In Spanien sind 50 % der Bevölkerung offen für Online-Hilfsdienste, obwohl viele den persönlichen Austausch bevorzugen. In Großbritannien finden Online-Hilfsdienste bei 71 % der Befragten Anklang, was auf eine hohe Offenheit für digitale Gesundheitsdienste hinweist. In den USA ist die Akzeptanz von Gesprächen über mentale Gesundheit sowie von Online-Angeboten im Vergleich zu den anderen Ländern besonders hoch (74 %).

Info

Die Umfragen wurden vom 2. bis 14. Mai 2024 von „Appinio“ durchgeführt. Befragt wurden 1000 Personen in Deutschland, und jeweils 500 Personen in Frankreich, Spanien, den USA und Großbritannien, von 16 bis 65 Jahren, national repräsentativ für das Alter und Geschlecht der nationalen Bevölkerung.

Zu den deutschen Studienergebnissen im Appinio Dashboard geht es hier.

Zu den internationalen Studienergebnissen im Appinio Dashboard geht es hier.