„Viele glauben es nicht, aber Aufhören lohnt sich in jedem Alter. Selbst wer erst als über 60-Jähriger auf Zigaretten verzichtet, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits innerhalb weniger Jahre erheblich“, sagt KKH-Suchtexperte Michael Falkenstein. Foto: auryndrikson/stock.adobe.com
Jeder 14. Berufstätige in Baden-Württemberg ist tabaksüchtig
Sind es Ängste, Sorgen und Nöte? Ist es der Druck im Job, Stress im Privatleben oder schlicht übermäßiger Genuss? Fakt ist: In Baden-Württemberg leben immer mehr berufstätige exzessive Raucher. 2022 sind dort laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse 71 von 1000 Arbeitnehmern wegen einer Abhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Tabakrauschs oder psychischer Probleme aufgrund von Tabak ambulant behandelt worden.
Das entspricht rund jedem 14. Arbeitnehmer. Das bedeutet einen Anstieg von fast 44 Prozent im Vergleich zu 2012, als es nur 49 exzessive berufstätige Raucher unter 1000 Beschäftigten gab. Im Bundesländervergleich rangiert Baden-Württemberg damit allerdings noch unter dem Schnitt. Dieser liegt 2022 bei 81 Fällen pro 1000 Arbeitnehmern und einem Anstieg von rund 60 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern leben die meisten tabaksüchtigen Arbeitnehmer (103 von 1.000). In Hessen verzeichnet die KKH mit 67 pro 1000 hingegen die wenigsten Fälle von behandlungsbedürftigem Tabakkonsum bei Berufstätigen. Den größten Anstieg im Zehnjahresvergleich gibt es mit fast 160 Prozent in Thüringen, den geringsten ebenfalls in Hessen mit rund 28 Prozent.
Schon eine Zigarette am Tag gefährdet die Gesundheit
Die einen sagen: Raucher arbeiten wegen der vielen Unterbrechungen weniger, die anderen sagen: Raucherpausen wirken inspirierend. Das Thema Tabakkonsum am Arbeitsplatz sorgt immer wieder für Diskussionen. Das Entscheidende aber ist: „Bereits ab einer Zigarette am Tag gefährden Raucherinnen und Raucher ihre Gesundheit“, betont Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH. Mit jeder weiteren Zigarette steigt die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs deutlich. „Auch E-Zigaretten sind ein Suchtmittel“, so Falkenstein. Sie enthalten ebenfalls gefährliche Stoffe, die zu schweren Erkrankungen führen können.
Mehr Arbeitsausfälle als bei Nichtrauchern
Exzessive Raucher stellen darüber hinaus ein Risiko für Unternehmen und Kollegenkreis dar. Denn allein aufgrund ihres übermäßigen Tabakkonsums werden Berufstätige immer wieder krankgeschrieben. Wie bundesweite KKH-Daten zeigen, liegt die durchschnittliche Fehlzeit 2023 bei 21,4 Tagen. Das ist der höchste Wert der vergangenen fünf Jahre und ein starker Anstieg von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022 (13,8 Tage). Entwickeln Tabaksüchtige in der Folge weitere Krankheiten, fallen sie einmal mehr bei der Arbeit aus. Darüber hinaus leidet auch das Arbeitsklima unter zu starkem Konsum. Misstrauen und Konflikte sind die Folge.
Hinzu komme, dass eine Tabakabhängigkeit in der Gesellschaft häufig als Lifestyle-Problem bagatellisiert und nicht als Erkrankung wahrgenommen werde, sagt Falkenstein. „Viele Betroffene verharmlosen das Rauchen auch als schlechte Angewohnheit, die man jederzeit wieder aufgeben kann. Sie werden sich ihrer Sucht viel zu spät bewusst und suchen somit auch erst spät Hilfe.“
Aufhören lohnt sich in jedem Alter
Der KKH-Experte empfiehlt Mitarbeitern, die Suchtprobleme bei Kollegen beobachten, sich an die nächsthöhere Führungskraft oder auch den Betriebsarzt des Unternehmens zu wenden: „Keinesfalls sollten problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden müssen“, betont der Experte. Und: „Viele glauben es nicht, aber Aufhören lohnt sich in jedem Alter. Selbst wer erst als über 60-Jähriger auf Zigaretten verzichtet, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits innerhalb weniger Jahre erheblich.“ pm
Info
Die KKH unterstützt Unternehmen bei der Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeitenden, auch mit Blick auf das Thema Sucht: Sucht in der Arbeitswelt | KKH. Ein individuelles Präventionsprogramm zur Rauchentwöhnung finden Betroffene unter NichtraucherHelden | KKH.
Die KKH hat anonymisierte Daten nach ICD-10 (F17) von 2012, 2019 und 2022 ausgewertet (inklusive akuter Rausch, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeit, Entzugssyndrom, psychotische Störung). In die Analyse eingeflossen sind die Daten von rund 675.300 pflicht- und freiwillig versicherten berufstätigen KKH-Mitgliedern mit Krankengeldanspruch – unabhängig davon, in welcher Form der Tabak konsumiert wurde.