Bei chronischen Erkrankungen der unteren Atemwege sollen Hitzewellen bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Verdoppelung bis Verfünffachung der Sterblichkeit führen. Bei der koronaren Herzkrankheit soll die Sterbezahl im gleichen Zeitfenster zwischen drei- bis neunmal höher liegen als aktuell. Foto: Boonterm/stock.adobe.com

In Baden-Württemberg werden pro Jahr 1500 Todesfälle durch Hitze mitverursacht

Der Klimawandel ist eine größer werdende Bedrohung für unsere Gesundheit. Durch ihn entstehen längere und intensivere Hitzewellen, die in Baden-Württemberg zunehmend zu einem Problem werden. In diesem Jahr hat am 5. Juni wieder der bundesweite Hitzeaktionstag stattgefunden, mit dem Ziel, Hitzeschutz in allen Lebensbereichen, aber auch in den Bundes- und Ländergesetzen zu verankern.

Aus diesem Anlass veranstaltete das Aktionsbündnis Klimawandel und Gesundheit in Baden-Württemberg einen digitalen Fachtag „Umgang mit Hitze – Fokus alleinlebende ältere Menschen“ und startet eine Sensibilisierungskampagne zu Hitzeschutz. Das Aktionsbündnis Klimawandel und Gesundheit setzt sich zusammen aus dem baden-württembergischen Gesundheitsministerium, dem Deutschem Wetterdienst, der Landesärztekammer und der Landesapothekerkammer als neuem Mitglied.

Hitzeschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Hitze belastet alle Menschen, kann aber besonders gefährlich werden für ältere, pflegebedürftige oder vorerkrankte Menschen, Schwangere, Säuglinge und Kinder sowie für Menschen mit Behinderungen, Obdachlose und Menschen, die im Freien arbeiten. Im schlimmsten Fall kann Hitze bis zum Tod führen. Nach Schätzungen des Statistischen Landesamtes werden in Baden-Württemberg pro Jahr im Schnitt etwa 1500 Todesfälle durch Hitze mitverursacht.

Gesundheitsminister Manne Lucha sagte dazu: „Hitzeschutz ist in Baden-Württemberg von zunehmender Bedeutung. Daher müssen wir handeln und die Menschen im Land sensibilisieren – insbesondere die Risikogruppen und die Akteurinnen und Akteure in deren Umfeld. Der Fachtag und die Hitzeschutz-Kampagne leisten hierbei einen wichtigen Beitrag. Damit setzen wir ein Zeichen dafür, dass es Engagierte auf allen Ebenen braucht, die sektorenübergreifend zusammenarbeiten. Denn gesundheitlicher Hitzeschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Mit der Landesapothekerkammer konnten wir einen weiteren wichtigen Partner für das Aktionsbündnis Klimawandel und Gesundheit gewinnen. Fachkräfte in Apotheken sind ebenso wie Mitarbeitende in Arztpraxen und Gesundheitsämtern wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, um die Risikogruppe der älteren Menschen zu erreichen.“

Wertvolle Hitzetipps vom Apotheker

Auf eine ganz entscheidende Rolle der Apotheken vor Ort beim Hitzeschutz weist auch der Präsident der Landesapothekerkammer (LAK), Dr. Martin Braun, hin: „Die pharmazeutische Beratungskompetenz der Apothekerinnen und Apotheker umfasst auch Punkte zur Belastung durch Hitze und Sonneneinstrahlung, was insbesondere für ältere Menschen von Bedeutung ist. Mit ihrem Fachwissen gibt die Apothekerschaft gezielt Auskunft zur temperaturgerechten Lagerung und zur sicheren Anwendung von Arzneimitteln auch bei hohen Temperaturen. Einige Medikamente wirken sich zum Beispiel auf den Flüssigkeitshaushalt des Körpers aus oder können in Verbindung mit Sonneneinstrahlung zu Unverträglichkeitsreaktionen führen.“

Dr. Björn Schittenhelm, Vorstandsmitglied und Koordinator für Prävention, Umwelt und Verbraucherschutz der LAK ergänzt: „Die Apotheken vor Ort haben stets die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten im Blick. Durch Angebote wie Botendienste ersparen sie gerade vulnerablen Gruppen unnötige Wege in der Hitze und gewährleisten gleichzeitig eine niedrigschwellige und kompetente Arzneimittelversorgung.“

Sterblichkeit durch Hitze nimmt zu

Der Präsident der Landesärztekammer, Dr. Wolfgang Miller, warnte: „Bei Hitze kann das körpereigene Kühlsystem – gerade bei älteren Menschen – überlastet werden. Im einfachsten Fall treten Regulationsstörungen und Kreislaufprobleme auf. Aber auch viele Herzinfarkte oder Schlaganfälle entstehen ursächlich durch Hitzewellen, besonders bei Vorerkrankten und gerade zu Beginn des Sommers.“

Der Klimaschutzbeauftragte der Landesärztekammer, Dr. Robin Maitra, ergänzte: „Wir beobachten mit Sorge, dass auch die Sterblichkeit durch Hitze zunimmt: Bei chronischen Erkrankungen der unteren Atemwege führen Hitzewellen bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Verdoppelung bis Verfünffachung der Mortalität. Bei der koronaren Herzkrankheit wird die Sterbezahl im gleichen Zeitfenster zwischen drei- bis neunmal höher liegen als aktuell. Als Ärzte sehen wir jetzt bereits eine Ausbreitung vieler bislang bei uns nicht vorkommender Krankheiten, auch bestehende Erkrankungen können sich durch Hitze und Klimawandel verstärken.“

Heiße Sommer bislang nur ein Vorgeschmack auf Kommendes

Dr. Stefan Muthers vom Deutschen Wetterdienst erklärte: „Die Sommer der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Klimawandel bereits stattfindet. Die Hitzewellen der letzten Sommer waren dabei aber nur ein Vorgeschmack auf das, was uns im Rahmen des Klimawandels noch erwartet. Laut Weltklimarat und wissenschaftlichen Untersuchungen werden die Hitzewellen in Zukunft weiter an Intensität gewinnen, ihre Dauer wird ansteigen und die Häufigkeit zunehmen. Seit 2005 nutzte der Deutsche Wetterdienst sein Hitzewarnsystem für die menschliche Gesundheit, um die Bevölkerung, Träger des Gesundheitssystems und Behörden zu informieren, wenn die nächste Hitzewelle bevorsteht.

Die aktuellen Hitzewarnungen finden Sie in der Warnwetter-App und auf www.hitzewarnungen.de

Wie sieht es mit dem Hitzeschutz in den Gemeinden aus?

Das Landesgesundheitsministerium führt anlässlich des Hitzeaktionstags erstmalig eine landesweite Umfrage zum Entwicklungs- und Umsetzungsstand von Hitzeschutz-Maßnahmen bei allen Kommunen durch. Damit soll ein umfassender Überblick über die bereits bestehenden Aktivitäten im Land gewonnen und diese sichtbar gemacht werden. Zudem sollen Erfolgsfaktoren und mögliche Hürden der Kommunen beim Thema Hitzeschutz identifiziert werden. Diese sollen eine bedarfsorientierte Unterstützung von Risikogruppen durch die Landes- und Kreisebene ermöglichen.

Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für hitzebedingte Erkrankungen, unter anderem aufgrund eines verminderten Durstgefühls. Bestimmte Vorerkrankungen, Pflegebedürftigkeit und soziale Isolation verschärfen das Risiko. Der Großteil der älteren Menschen lebt in der eigenen Häuslichkeit.

Empfehlungen zum Schutz vor den negativen Auswirkungen von Hitze

  • Halten Sie sich während der Mittagshitze möglichst in Innenräumen oder im Schatten auf und versuchen Sie, körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Tätigkeiten im Freien sollten auf die kühleren Morgen- und Abendstunden beschränkt werden.
  • Sorgen Sie für eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung. Geeignet sind Wasser- und Mineralwasser, Saftschorle, Suppen oder auch wasserreiche Früchte. Vermeiden Sie Alkohol und Koffein. Nehmen Sie mehrere kleine, leichte Mahlzeiten zu sich.
  • Nutzen Sie die Abkühlung der Nacht und der frühen Morgenstunden, um Räume zu lüften. Dunkeln Sie Räume tagsüber ab und nutzen Sie dafür möglichst Außenjalousien oder Rollläden.
  • Tragen Sie leichte, nicht einengende Baumwollkleidung in hellen Farben. Bei Sonneneinstrahlung helfen auch eine Kopfbedeckung und Sonnenschutz.
  • Achten Sie auch insbesondere auf Angehörige und Mitbürgerinnen und Mitbürger, welche diese Empfehlungen nicht selbständig umsetzen können.
  • Informieren Sie sich über klimatisierte Räume, die in Ihrer Umgebung für die Öffentlichkeit zugänglich sind wie beispielsweise Bibliotheken.

Website des Landesgesundheitsamtes mit Themenseite zu Gesundheit und Hitze:

https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/de/kompetenzzentren-netzwerke/kompetenzzentrum-klimawandel-und-gesundheit

oder

https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/de/themen/gesundheit-umwelt/gesundheit-hitze

Gesetzliche Unfallversicherung: Arbeits- und Bildungswelt klimafest machen

Zum bundesweiten Hitzeaktionstag erklärt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): „Wir müssen die Arbeitswelt, Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gemeinsam klimafest machen. Das gilt insbesondere mit Blick auf sommerliche Hitzewellen. Hitze schadet nicht nur der Leistungsfähigkeit und Konzentration und erhöht damit das Risiko für Arbeitsunfälle. Besonders bei der Arbeit und dem Aufenthalt im Freien können hohe Temperaturen im schlimmsten Fall zu einem Hitzschlag führen, der lebensbedrohlich werden kann. Schwere Arbeitsunfälle durch Hitzschlag verdeutlichen immer wieder: Hitze kann tödlich sein!“

Und wie sieht es aktuell mit dem Hitzeschutz aus? „Viele Unternehmen und Einrichtungen haben die Risiken von Hitze bereits erkannt und Schutzmaßnahmen ergriffen, aber noch längst nicht alle. Daher werben Berufsgenossenschaften und Unfallkassen anlässlich des bundesweiten Hitzeaktionstags dafür, auch in der Arbeits- und Bildungswelt weiter für die Gefahren von Hitze zu sensibilisieren“, so Hussy. Er kann auch Positives vermelden: „In Fragen des Hitzeschutzes stehen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Unternehmen und Einrichtungen mit ihren Strukturen und Angeboten zur Beratung und Qualifizierung zur Seite – hier wird bereits seit Jahren wichtige und wissenschaftsbasierte Präventionsarbeit geleistet, die die Folgen des Klimawandels antizipiert.“

Das Fazit des Hauptgeschäftsführesr des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: „Unser gemeinsames Ziel muss sein: Menschen müssen wissen, welche Maßnahmen vor gefährlicher Hitze schützen, wie sie bei anderen Hitzeerkrankungen erkennen und wie sie Betroffenen helfen können. Die Häufigkeit extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen, aber auch Stark- und Dauerregen wird durch den Klimawandel weiter steigen. Als Gesellschaft und Volkswirtschaft müssen wir uns darauf vorbereiten.“ pm