Geschlossene Apotheken: Der bundesweite Protesttag am 14. Juni hatte schon im Vorfeld für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Foto: ABDA Bundesvgg. Dt. Apothekerverbände

Große Solidarität mit bundesweitem Apothekenstreik

Es ist ein Protest gegen die derzeitigen gesundheitspolitischen Entscheidungen: Am 14. Juni bleiben deutschlandweit die meisten Apotheken geschlossen, die Versorgung wird vielerorts nur über Notdienste sichergestellt. Aber in Deutschland haben die Bürger mehrheitlich Verständnis für den Apothekenstreik.

Die Apotheken folgen einem Aufruf der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA) – und stoßen auf große Unterstützung in der Bevölkerung: Etwa 77 Prozent der Bürger unterstützen die Streik-Forderungen und stellen sich damit hinter die Apotheke ihres Vertrauens. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Arzneimittelherstellers Engelhard.

Etwa 77 Prozent der Bürger unterstützen die Streik-Forderungen und stellen sich damit hinter die Apotheke ihres Vertrauens. Bildrechte/Fotograf: Engelhard/Martin Gorka

Beliebt: Die Apotheke vor Ort

„Die Apotheke ist für meine Gesundheitsversorgung sehr wichtig“ – dieser Aussage stimmen laut einer aktuellen Umfrage knapp drei Viertel der deutschen Bundesbürger zu. Dabei schätzen sie vor allem die persönliche Beratung durch die Apotheke ihres Vertrauens (72 Prozent), die sie als erste Anlaufstelle für akuten Medikamentenbedarf sehen (ebenfalls 72 Prozent). Auch bei Fragen zur Medikation sprechen die Deutschen zuerst mit dem pharmazeutischen Fachpersonal (68 Prozent), erst danach folgt der Arzt (knapp 60 Prozent).

Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig den Deutschen die Apotheke vor Ort ist – 80 Prozent erreichen diese übrigens innerhalb von maximal zehn Minuten. Das erklärt auch, warum sie mit 77 Prozent die Streikforderungen der Apotheken unterstützen und sich solidarisch mit ihnen erklären. So auch Nadja Herres: „Ich bin Mutter von zwei Kindern. Als Familie sind wir regelmäßig in der Apotheke. Hier kennt man uns und geht auf unsere persönlichen Bedürfnisse ein. Darauf möchte ich nicht verzichten und kann verstehen, dass das Apothekenpersonal auf diese Weise protestiert.“

Politische Entscheidungen gefährden Arzneimittelversorgung

Der Relevanz der Apotheken als zentraler Eckpfeiler des Gesundheitssystems stehen große Probleme gegenüber: „Apotheken haben mittlerweile mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu kämpfen – seien es fehlende Honoraranpassungen oder Lieferengpässe, die wir in der Offizin nur unter größten Anstrengungen ausgleichen können. Was es braucht, ist eine Anpassung der politischen Rahmenbedingungen, die die Weichen für eine gut funktionierende flächendeckende Versorgung durch die Apotheken vor Ort stellen“, sagt Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV).

Genau auf diese Themen soll der Protest nun aufmerksam machen und zeigen, wie essentiell die Apotheken für die tägliche Gesundheitsversorgung sind. Umso erfreulicher, dass die Bürger dafür Verständnis haben und die Apotheken in ihren Forderungen unterstützen.

Hinweis zur Methodik

Die in diesem Jahr von Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG beauftragte und bevölkerungsrepräsentative Befragung zum Thema „Apothekenversorgung“; n = 1.000; wurde von appino durchgeführt.

Quelle: ABDEA/Grafik: Statista.com

Branchen-Barometer: Miese Stimmung bei den Apothekern

Die Krise in den Apotheken scheint kein Ende zu finden. Nachdem der von aposcope erhobene Apotheken Geschäftsklima Index (AGI) im Januar ein Rekordtief von -13 erreichte, schreibt der aktuelle AGI mit einem Wert von -8 den Trend auf niedrigstem Niveau fort, wenngleich es im Februar einen minimalen Aufschwung gab. Schaut man sich die Zahlen genauer an, kann von einer Aufhellung jedoch keine Rede sein.

Das kurze Aufatmen des deutschen Gesundheitssystems nach der Corona-Pandemie hat den Apotheken nicht viel gebracht. Der Status Quo bei den Themen Lieferengpässe, Personalmangel und Apothekenschließungen zeichnet ein düsteres Bild – und die Inhaber glauben kaum an baldige Besserung. Laut der aktuellen Befragung zum AGI schätzen 37 % der Befragten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer Apotheke in den kommenden drei Monaten (deutlich) verschlechtern wird. Die aktuelle Geschäftslage wird nur von 30 % der Inhaber als „(sehr) gut“ beurteilt. Hieraus resultiert ein aktueller „Apotheken Geschäftsklima Index“ von -8. Zum Vergleich: Im April 2022 lag der AGI noch bei +9, im April 2021 bei +15.

Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte/Grafik: Statista.com

Untragbare Dauerbelastung

„Die Dauerbelastung in den Apotheken ist untragbar; das wird nicht spurlos an unserem Gesundheitssystem vorbeigehen. Handfeste Missstände, wie die seit Jahren überfällige Honoraranpassung, der Personalmangel oder die fehlende Honorierung für den Umgang mit Lieferengpässen sorgen für massiven Verdruss in den Berufsgruppen und werfen außerdem die Frage auf, wie lange Apothekensystem und Arzneimittelversorgung diese politischen Fehlentscheidungen noch tragen können“, sagt Thomas Bellartz, Geschäftsführer der EL PATO Medien GmbH und Herausgeber von aposcope.

Eine leichte Entspannung der Lage lässt sich lediglich in einzelnen Faktoren verzeichnen, die bislang stärkere wirtschaftliche Hemmnisse darstellten, wie zum Beispiel coronabedingte Personalausfälle oder Sicherheitsmaßnahmen.

Hinweis zur Methodik

Monatlich werden rund 100 Apothekeninhaber per Online-Befragung zur aktuellen konjunkturellen Lage ihrer Apotheke(n) sowie zu ihren Geschäftserwartungen für die nächsten drei Monate befragt. Aus den Antworten bildet sich der „Apotheken Geschäftsklima Index“ (AGI). Für den AGI April 2023 wurden vom 11. bis 21. Mai 2023 insgesamt 108 verifizierte Apothekeninhaber online befragt.

•Kämpfen für mehr Geld und mehr Handlungsspielräume für Apotheken: Christian Kraus (von links), Stephanie Isensee, Thomas Haug und Fritz Becker. Foto: Meyer

Notfallversorgung ist sichergestellt

„Die gute Nachricht zuerst: Die Notfallversorgung ist sichergestellt. Wer dringend ein Medikament benötigt, der bekommt dieses auch am Mittwoch, 14. Juni – also an jenem Tag, an dem bundesweit Apotheken aus Protest schließen. Es ist aber ein kleiner Vorgeschmack auf das, was droht, wenn immer mehr Apotheken aus wirtschaftlichen Gründen ihr Geschäft aufgeben. Dieser Trend, der sich schon jetzt zeigt, könnte sich noch deutlich verschärfen, wenn die Politik nicht reagiert. Davon sind nicht nur Pharmazeuten aus der Region überzeugt“, schrieb PZ-Redakteurin in der „Pforzheimer Zeitung“ und auf „PZ-news.de“.

Die Apotheker streiken bundesweit zum einen dafür, wirtschaftlich arbeiten zu können. Sie streiken aber auch für mehr Handlungsfreiheit – damit sie Patienten besser und schneller versorgen können. „Wir wollen einen Patienten nicht wegschicken, um erst vier Stunden später eine Lösung zu haben, nachdem wir den Arzt erreicht haben“, sagt Eickmann. Seit Corona sei man aber zumindest bei diesem Punkt auf einem guten Weg. „In dieser Zeit haben wir bewiesen, dass wir es können“, betont die Pforzheimer Apothekerin Stephanie Isensee (Pregizer Apotheke). Und sie Isensee in einem Flyer an ihre Kunden: „Helfen Sie mit: Beschweren Sie sich bei Ihrer Krankenkasse und bei Ihren Bundestagsabgeordneten!“ pm/tok/bsch

Quelle: ABDA/Grafik: Statista.com