Für die Corona-Pandemie zeigt der Psychreport bei Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmerinnen ab 55 Jahren die mit Abstand höchsten Steigerungsraten unter allen Beschäftigten an. Foto: iStock/DAK-Gesundheit

Fehltage durch Depressionen und Ängste steigen um 27 Prozent in 10 Jahren

Im zweiten Pandemie-Jahr sind die Fehlzeiten der Beschäftigten in Baden-Württemberg wegen Depressionen und anderer psychischer Erkrankungen um über drei Prozent gestiegen. Von 2011 bis 2021 nahm die Zahl der Psych-Fehltage um insgesamt 27 Prozent zu. Bei den Arbeitsausfällen ist das der größte Anstieg im Vergleich aller Diagnosen.

Deutlichster Anstieg bei erwerbstätigen Frauen über 60 Jahren

Besonders auffällig ist die Entwicklung bei den weiblichen Beschäftigten. Zwar haben Frauen in der Arbeitswelt seit Jahren generell mehr Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen als Männer. Doch für die Pandemie zeigt der Psychreport bei Arbeitnehmerinnen ab 55 Jahren die mit Abstand höchsten Steigerungsraten unter allen Beschäftigten an. Bei den 55- bis 59-Jährigen ist die Anzahl der Fehltage 2021 im Vergleich zu 2019 um zwölf Prozent angestiegen, bei den Übersechzigjährigen sogar um 18 Prozent. Für die Männer verzeichnet der Report in beiden Altersgruppen für denselben Zeitraum einen deutlichen Rückgang.

Depressionen verursachen die meisten Fehltage

Die mit Abstand meisten psychischen Fehltage verursachen Depressionen (38,5 Prozent). An zweiter Stelle folgen mit 22,6 Prozent die sogenannten Anpassungsstörungen, die unter Pandemie-Bedingungen leicht an Bedeutung gewinnen. Mit Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis, zum Beispiel einen Trauerfall, gemeint. Dies kann sich in negativen Veränderungen des Gemütszustandes oder auch in Störungen des Sozialverhaltens ausdrücken.

Grafik: DAK-Gesundheit

Belastungen sind im Gesundheitswesen besonders hoch

Besonders betroffen ist das Gesundheitswesen. Mit 294 Fehltagen je 100 erwerbstätigen DAK-Versicherten landet die Branche bei Depressionen und Co. vor der öffentlichen Verwaltung auf dem ersten Platz. Das zeigt der aktuellen Psychreport der DAK-Gesundheit für Baden-Württemberg, für den das IGES Institut Daten von 280.000 DAK-versicherte Beschäftigte ausgewertet hat.

„Die aktuelle Analyse zeigt, wie gerade im Gesundheitswesen Menschen mit psychischen Problemen besonders unter den Belastungen und Einschränkungen der Pandemie leiden“, sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg. Manchen Arbeitgebern sei das nicht bewusst und habe mit den besonderen Arbeitsbedingungen unter Corona zu tun.

„Frauen sind häufiger in sozialen Berufen etwa als Kranken- oder Altenpflegerinnen sowie in Branchen mit viel Menschenkontakt beschäftigt, daher sind ihre Ausfalltage hier höher“, betont Euerle.  Hinzu käme, dass in vielen Firmen psychische Probleme weiterhin ein Tabu seien. „Arbeitgeber müssen Stress und mögliche Belastungen mehr in den Fokus rücken und innerbetriebliche Abläufe schaffen, die die psychische Gesundheit stützen.“

Deutliche Unterschiede je nach Branche

Der Psychreport Baden-Württemberg weist deutliche Unterschiede in den Branchen nach: Während im Gesundheitswesen pro Kopf und Jahr durchschnittlich fast drei Fehltage mit einer psychischen Diagnose anfallen, ist es im Baugewerbe lediglich einer. Die Kultur- und Medienbranche liegt mit etwas über zwei Tagen im Durchschnitt aller Branchen. „Jeder Mensch kann psychisch so aus dem Gleichgewicht geraten, dass er seine Arbeit nicht mehr bewältigen kann“, sagt Siegfried Euerle. „Wir werben für einen offeneren Umgang mit psychischen Belastungen, gerade in stark belasteten Branchen. Die Veröffentlichung unseres Psychreports ist ein wichtiger Schritt gegen die Stigmatisierung der Betroffenen“, so Euerle. Ebenfalls bedeutsam seien die Versorgungsverträge, die die Kasse im Bereich psychischer Erkrankungen für ihre Versicherten abgeschlossen habe. Weitere Informationen im Netz: www.dak.de/veovita

pm/tok