In den vergangenen fünf Jahren kam es in 103 Ländern zu Masernausbrüchen – in diesen Ländern leben rund drei Viertel aller Säuglinge der Welt. Wesentlicher Faktor: die niedrige Impfrate (unter 80 %). In 91 Ländern mit einer guten Impfrate kam es zu keinen Ausbrüchen. Foto: Marina Demidiuk/stock.adobe.com

Fast 15 Millionen Kinder weltweit ohne jeglichen Impfschutz

Auch im Jahr 2023 haben viele Millionen Babys auf der Welt nicht eine einzige Impfstoffdosis erhalten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF gehen von fast 15 Millionen „zero dose“-Kindern aus: Routine-Immunisierungsprogramme erreichen sie nicht.

Zahl der Babys ohne eine Impfung steigt

Nun schreiben wir bereits das Jahr 2024 und noch immer sind Vergleiche mit einer „Vor-Pandemie“-Zeit notwendig: Denn so richtig erholt, haben sich die Gesellschaften mit Blick auf die Impfraten nach wie vor nicht. Gingen WHO und UNICEF 2019 von 12,9 Millionen „zero dose“-Kindern (Kinder mit Null Impfdosen) aus, schätzen die beiden Organisationen die Zahl für 2023 auf rund 14,5 Millionen. Es sind Babys, die schon ihre allererste Dosis in ihrem Leben – mit einem Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfstoff (DTC) – nicht erhalten haben. Darüber hinaus haben 6,5 Millionen Kinder die dritte Dosis des DTP-Impfstoffs nicht erhalten, die für den Krankheitsschutz im Säuglings- und Kleinkindalter erforderlich ist.

13 % der Kinder in Ländern mit niedrigem Einkommen mit einer ersten DTC-Dosis erhielten keine erste Impfstoffdosis gegen Masern mehr – eine hochansteckende, potenziell tödliche Viruserkrankung. Sogar in wohlhabenderen Gegenden der Welt liegt diese Rate bei 3 %. Darüber hinaus haben 6,5 Millionen Kinder die dritte Dosis des DTP-Impfstoffs nicht erhalten, die für den Krankheitsschutz im Säuglings- und Kleinkindalter erforderlich ist.

Quelle: WHO/UNICEF Estimates of National Immunization Coverage, 2023 revision./Grafik: Pharma-Fakten.de

Arme, konfliktreiche Länder und der mangelhafte Impfschutz

Mehr als die Hälfte der ungeimpften Kinder (55 %) lebt in Ländern beziehungsweise Regionen, die WHO und UNICEF als „fragil, konfliktreich, anfällig“ bezeichnen. „Dabei machen diese Länder nur 28 Prozent der globalen Geburtenzahlen aus“. Besonders betroffen sind zum Beispiel Nigeria, Äthiopien und der Sudan. Die beiden Organisationen betonen aber auch: „Ein einseitig gerichteter Fokus auf zero dose-Kinder“ ist nicht die Lösung. Denn selbst bei Babys, die anfangs noch immunisiert wurden, tun sich später oft trotzdem noch Impflücken auf.

Das Ziel laut der Immunisierungsagenda der WHO ist es eigentlich, die 2019er-Zahl der „zero dose“-Kinder bis 2030 zu halbieren. Die nüchterne Erkenntnis lautet: Die Weltgemeinschaft ist nicht in der Spur, sondern hinkt hinterher.

Masern wären so leicht zu eliminieren, wenn nur mehr geimpft würde

Die Daten zeigen außerdem, dass die Impfraten gegen die tödliche Masernerkrankung stagnierten, so dass fast 35 Millionen Kinder keinen oder nur einen teilweisen Schutz hatten. Im Jahr 2023 erhielten weltweit nur 83 % der Kinder ihre erste Dosis des Masernimpfstoffs im Rahmen der routinemäßigen Gesundheitsversorgung, während die Zahl der Kinder, die ihre zweite Dosis erhielten, im Vergleich zum Vorjahr leicht anstieg und 74 % der Kinder erreichte. Diese Zahlen liegen unter der 95-%-Abdeckung, die erforderlich ist, um Ausbrüche zu verhindern, unnötige Erkrankungen und Todesfälle abzuwenden und die Ziele der Maserneliminierung zu erreichen.

In den vergangenen fünf Jahren kam es in 103 Ländern zu Masernausbrüchen – in diesen Ländern leben rund drei Viertel aller Säuglinge der Welt. Ein wesentlicher Faktor war die niedrige Impfrate (80 % oder weniger). In 91 Ländern mit einer guten Impfrate kam es dagegen zu keinen Ausbrüchen.

„Masernausbrüche sind wie ein Kanarienvogel im Kohlebergwerk, der Lücken in der Immunisierung aufdeckt und ausnutzt und die Schwächsten zuerst trifft“, sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. „Dies ist ein lösbares Problem. Masernimpfstoffe sind billig und können selbst an die schwierigsten Orte gebracht werden. Die WHO ist entschlossen, mit all ihren Partnern zusammenzuarbeiten, um die Länder dabei zu unterstützen, diese Lücken zu schließen und die am stärksten gefährdeten Kinder so schnell wie möglich zu schützen.“

Weltweite HPV-Impfrate bei Mädchen hat deutlich zugenommen

Die neuen Daten zeigen auch einige Lichtblicke bei der Impfabdeckung. Die stetige Einführung neuer und wenig genutzter Impfstoffe, darunter gegen humane Papillomviren (HPV), Meningitis, Pneumokokken, Polio und Rotavirus-Erkrankungen, erhöht den Schutz weiter, insbesondere in den 57 Ländern, die von der Impfallianz Gavi unterstützt werden.  

So stieg beispielsweise der Anteil heranwachsender Mädchen weltweit, die mindestens eine Dosis des HPV-Impfstoffs erhielten, der vor Gebärmutterhalskrebs schützt, von 20 % im Jahr 2022 auf 27 % im Jahr 2023. Dies ist vor allem auf die starke Einführung in von Gavi unterstützten Ländern wie Bangladesch, Indonesien und Nigeria zurückzuführen. Auch die Verwendung des HPV-Impfplans mit einer Einzeldosis trug zur Erhöhung der Impfabdeckung bei.

„Der HPV-Impfstoff ist einer der wirksamsten Impfstoffe im Portfolio von Gavi und es ist unglaublich ermutigend, dass er jetzt mehr Mädchen erreicht als jemals zuvor“, sagte Dr. Sania Nishtar, CEO der Impfallianz Gavi. „Da jetzt über 50 % der Mädchen in afrikanischen Ländern, die für die Impfung infrage kommen, Impfstoffe zur Verfügung stehen, haben wir noch viel zu tun, aber heute können wir sehen, dass wir einen klaren Weg zur Ausrottung dieser schrecklichen Krankheit haben.“  

Wenig oder gar nicht über HPV und die Impfung informiert

Allerdings liegt die HPV-Impfrate weit unter dem 90-%-Ziel, das zur Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs als Problem der öffentlichen Gesundheit angestrebt wird: In Ländern mit hohem Einkommen werden lediglich 56 % der heranwachsenden Mädchen impfen, in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen nur 23 %. 

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter über 400.000 Nutzern von UNICEFs digitaler Plattform für junge Menschen, U-Report, ergab, dass über 75 % nicht wissen oder sich nicht sicher sind, was HPV ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer besseren Verfügbarkeit von Impfstoffen und einer besseren Aufklärung der Öffentlichkeit. Nachdem sie über das Virus, seinen Zusammenhang mit Krebs und die Existenz eines Impfstoffs informiert wurden, gaben 52 % der Befragten an, dass sie sich gegen HPV impfen lassen möchten, aber finanzielle Einschränkungen (41 %) und mangelnde Verfügbarkeit (34 %) daran hindern.

Globale Anstrengungen zur Schließung der Impflücke notwendig

Diese Trends zeigen, dass die weltweite Durchimpfungsrate seit 2022 weitgehend unverändert geblieben ist und – was noch besorgniserregender ist – noch immer nicht das Niveau von 2019 erreicht hat. Sie spiegeln die anhaltenden Herausforderungen wider, die auf Störungen der Gesundheitsversorgung, logistische Herausforderungen, Impfskepsis und Ungleichheiten beim Zugang zu Dienstleistungen zurückzuführen sind. „Die jüngsten Trends zeigen, dass in vielen Ländern weiterhin viel zu viele Kinder nicht geimpft werden“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Um die Impflücke zu schließen, bedarf es einer globalen Anstrengung, bei der Regierungen, Partner und lokale Entscheidungsträger in die Grundversorgung und in Gemeindearbeit investieren müssen, um sicherzustellen, dass jedes Kind geimpft wird und die Gesundheitsversorgung insgesamt gestärkt wird.“

Zwar wurden in einigen Regionen, darunter in Afrika und in Ländern mit niedrigem Einkommen, bescheidene Fortschritte erzielt, doch die neuesten Schätzungen unterstreichen die Notwendigkeit beschleunigter Anstrengungen, um die Ziele der Impfagenda 2030 (IA2030) zu erreichen, die eine 90-prozentige Durchimpfung vorsieht und vorsieht, dass bis 2030 weltweit nicht mehr als 6,5 Millionen Kinder eine Nulldosis erhalten.

Der IA2030 Partnership Council fordert verstärkte Investitionen in Innovationen und kontinuierliche Zusammenarbeit. Der Rat empfiehlt den Partnern außerdem, die Länderführung stärker dabei zu unterstützen, die Routineimpfungen im Rahmen ihrer integrierten Programme zur primären Gesundheitsversorgung zu verbessern, und zwar mit solider politischer Unterstützung, gesellschaftlicher Führung und nachhaltiger Finanzierung.     pharma-fakten.de/WHO/tok