Jeder sollte seine Cholesterinwerte kennen, denn sie können auf ernsthafte Gesundheitsprobleme hinweisen. Lipoprotein(a) sollte man wenigstens einmal im Leben messen lassen. Das genügt oft, da dieser Wert erblich bedingt ist und sich nicht wesentlich verändert. Foto: Dmitry Naumov/stock.adobe.com

Erhöhte Blutfett- und Cholesterinwerte sind hohes Gesundheitsrisiko – Unbedingt einmal Lipoprotein(a) messen lassen

Die meisten Menschen haben zumindest schon einmal davon gehört: Ein zu hoher Cholesterinwert ist ein Risiko für die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Dauerhaft erhöhte Blutfettwerte fördern Ablagerungen in den Blutgefäßen, die zu gefährlichen Verengungen führen können. Diese so genannte Atherosklerose verursacht lange Zeit keine Beschwerden, ist aber die wichtigste Ursache für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen in den Beinen. Doch was bedeutet zu hoch? Auf welche Werte kommt es an? Wer sollte seine Blutfettwerte messen lassen – und wann?

Experten der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie e. V. (DGFL) – Lipid-Liga beantworteten in der Telefonaktion SPRECHZEIT die Fragen der Vital-Region-Leser. Hier die wichtigsten Antworten zum Nachlesen.

Was bedeutet ein erhöhter LDL-Cholesterinwert?

Prof. Dr. med. Ulrich Julius: Ist das LDL-Cholesterin dauerhaft zu hoch, können sich Ablagerungen in den Wänden von Blutgefäßen bilden. Diese Plaques verengen die Blutgefäße und vermindern den Blutdurchfluss. Platzen sie auf, versucht der Körper durch ein Blutgerinnsel den Schaden abzudecken, was zum Verschluss eines Gefäßes führen kann. Die Folge: Das von diesem Blutgefäß versorgte Gewebe stirbt ab. Passiert das im Herzen, spricht man von einem Herzinfarkt, im Gehirn von einem Schlaganfall. Auch in den Beinen kann es zu Durchblutungsstörungen in Form einer Peripheren Arteriellen Verschlusskrankheit kommen, kurz PAVK. Durch die verengten Gefäße wird die Beinmuskulatur so schlecht mit Blut versorgt, dass sie bereits nach wenigen Schritten schmerzt.

Was sagen die übrigen Blutfettwerte aus?

Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Lechner: Neben dem LDL-Cholesterin, das Atherosklerose fördert und daher im Blut möglichst niedrig sein sollte, spielt Lipoprotein(a) eine wichtige Rolle. Es fördert Atherosklerose stärker als LDL-Cholesterin. Der HDL-Cholesterinwert kann hilfreich zur Einschätzung des Gesamtrisikos für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sein. Erhöhte Triglycerid-Werte können zum Beispiel auf einen Typ 2 Diabetes, eine Insulinresistenz, Fettlebererkrankung, Alkoholkonsum, bestimmte Medikamente oder hormonelle Störungen zurückgehen. Moderat erhöhte Triglycerid-Werte erhöhen das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, bei sehr hohen Werten besteht die Gefahr von Entzündungen der Bauchspeicheldrüse.

Wie lässt sich feststellen, ob ich schon Atherosklerose habe?

PD Dr. med. Daniel Kretzschmar: Zunächst wird Ihre Ärztin/Ihr Arzt ein Risikoprofil erstellen. Dabei werden Ihre Blutfettwerte ebenso berücksichtigt wie mögliche Erkrankungen z.B. Bluthochdruck oder Diabetes. Eine Rolle spielen dabei auch Ihr Alter, eine mögliche familiäre Vorbelastung sowie Ihr Lebenswandel, also Rauchen, Ernährung und Bewegung. Ob sich schon eine Atherosklerose entwickelt hat, lässt sich durch eine Reihe von Untersuchungen, zum Beispiel ein Gefäßultraschall, feststellen. Diese helfen, das Vorhandensein und den Schweregrad von Ablagerungen in den Blutgefäßen zu erkennen.

Wie oft sollte man seine Blutfettwerte bestimmen lassen?

Priv.-Doz. Dr. Ksenija Stach: Grundsätzlich sollte jeder seine Cholesterinwerte kennen. Wie oft nach einer ersten Messung eine Kontrolle erfolgen sollte, wird die behandelnde Ärztin/der Arzt festlegen. Nur bei Lipoprotein(a) ist es anders: Man sollte es wenigstens einmal im Leben messen lassen. Das ist ausreichend, da dieser Wert erblich bedingt ist und sich im Laufe des Lebens nicht wesentlich verändert. Diese Messung muss man aber häufig selbst bezahlen.

Wann gelten die Cholesterinwerte als zu hoch?

Dr. Fatima Goudjil: Einen allgemeingültigen Grenzwert gibt es nicht, denn medizinisch wird immer das kardiovaskuläre Gesamtrisiko eines Menschen im Einzelfall betrachtet. Dabei spielen bereits bestehende Erkrankungen ebenso eine Rolle wie der Lebenswandel, eine erbliche Vorbelastung, das Alter oder eine bereits bestehende Atherosklerose. Bei einem gesunden Menschen ohne Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sollte das LDL-Cholesterin im Blut unter 116 mg/dl (3 mmol/l) liegen. Unter Berücksichtigung des individuellen Gesamtrisikos wird für die Behandlung ein LDL-Zielwert festgelegt, der umso niedriger angesetzt wird, je mehr Risikofaktoren vorliegen.

An wen wende ich mich für eine Messung meiner Blutfettwerte? Was zahlt die Krankenkasse?

Priv.-Doz. Dr. Ksenija Stach: Wenden Sie sich am besten an Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt. Erwachsene haben zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr einmalig Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung mit Bestimmung der Blutfettwerte, ab dem 35. Lebensjahr dann alle drei Jahre beim „Check-up 35“. Die Kosten tragen oder erstatten die Krankenkassen. Sinnvoll wäre allerdings, insbesondere bei familiärer Vorbelastung oder ungesundem Lebensstil, die Blutfette früher messen zu lassen. Diese früheren Messungen werden jedoch bislang nicht von den Krankenkassen erstattet.

Was sind frühe Anzeichen für eine Fettstoffwechselstörung?

Dr. med. Benjamin Lechner: Erhöhte Blutwerte von LDL-Cholesterin, Lipoprotein(a) und Triglyzeriden sind Alarmzeichen. Sie verursachen oft lange Zeit keine Beschwerden, trotzdem schreitet die Atherosklerose voran. Das aber bedeutet, dass man seine Blutfettwerte so früh wie möglich bestimmen lassen sollte. Denn je früher eine Therapie mit Medikamenten und Lebensstilmaßnahmen begonnen wird, desto größer ist der Nutzen. Wenn in der Familie bei den Eltern, Großeltern oder Geschwistern schon in jüngerem Alter – bei Frauen bis 60, bei Männern bis 55 – Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Durchblutungsstörungen beispielsweise in den Beinen vorgekommen sind oder es Fettstoffwechselstörungen gibt, ist es wichtig, die Blutfette schon bei den Kindern messen zu lassen, am besten im Alter von fünf oder sechs Jahren.

In meiner Familie häufen sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ist mein Herzinfarkt-Risiko damit auch erhöht?

Prof. Dr. med. Bernd Krüger: Nicht automatisch, aber vermutlich ja. Das individuelle Risiko früh ermitteln zu lassen ist wichtig, weil eine frühzeitige Behandlung die Prognose deutlich verbessert. Zunächst sollten Sie deshalb Ihre Werte – und gegebenenfalls die Ihrer Kinder – für LDL-Cholesterin und Lipoprotein(a) bestimmen und das Gesamtrisikoprofil ermitteln lassen. Je höher das Gesamtrisiko, desto niedriger sollte der LDL-Zielwert sein. Das Herzinfarkt-Risiko hängt nicht nur von der Höhe des Cholesterins ab, sondern auch von der Dauer der Gefäßbelastung durch das Cholesterin. Deswegen sollte man die sehr guten Erfolgsaussichten einer frühzeitigen Behandlung nicht vergeben.

Wie beeinflusse ich meine Werte ohne Medikamente?

Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Lechner: Ein gesunder Lebenswandel ist sehr wichtig, um die globale Herz-Kreislauf-Gesundheit bis ins hohe Lebensalter zu erhalten. Dazu gehört eine Ernährung mit unverarbeiteten Lebensmitteln aus pflanzlichen und tierischen Quellen, zum Beispiel Gemüse, fettreicher Seefisch, Olivenöl, Nüsse, fermentierte Milchprodukte und Eier, sowie ausreichend körperliche Aktivität, gesunde Schlafmuster und der Verzicht auf Zigarettenrauchen. Empfehlenswert zur Senkung erhöhter Triglycerid-Werte sind Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch sowie der Verzicht auf Alkohol, Zucker, raffinierte Stärke und Transfettsäuren, das heißt ultraprozessierte Lebensmittel. Nüsse und lösliche Ballaststoffe, zum Beispiel Haferkleie, können das LDL-Cholesterin um etwa 10 Prozent senken. Wie weit sich Blutfettwerte ohne Medikamente senken lassen, ist individuell sehr unterschiedlich und abhängig vom gesundheitlichen Ausgangszustand.

Wann sind Medikamente sinnvoll?

Dr. Fatima Goudjil: Medikamente sind in jedem Fall notwendig bei Menschen mit schwerwiegenden Fettstoffwechselstörungen, wenn es schon Ablagerungen in den Blutgefäßen gibt oder bereits ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall aufgetreten ist. Es gibt heute viele hochwirksame und sehr gut verträgliche Medikamente, um LDL-Cholesterin zu senken. Die Therapie basiert auf dem Einsatz von Statinen, die die körpereigene Cholesterinsynthese hemmen. Dieselbe Wirkung entfaltet Bempedoinsäure. Zusätzlich gibt es den Arzneistoff Ezetimib, der die Cholesterinaufnahme im Darm hemmt. Kann der individuelle LDL-Cholesterin-Zielwert durch Medikamente mit diesen Wirkstoffen nicht erreicht werden, stehen sogenannte PCSK9-Hemmer sowie die Lipoprotein-Apherese – eine Blutwäsche – zur Verfügung.

Welche Nebenwirkungen können Cholesterinsenker haben? Muss man sie dauerhaft einnehmen?

Dr. med. Benjamin Lechner: Der Nutzen der cholesterinsenkenden Medikation wird umso größer, je länger sie eingenommen wird und die LDL-Cholesterinwerte gesenkt sind. In aller Regel sollten die verordneten Medikamente deswegen regelmäßig und lebenslang eingenommen werden. Eine dauerhafte Senkung der LDL-Cholesterinwerte durch eine kurzzeitige Einnahme oder eine einmalige Maßnahme ist derzeit noch nicht möglich. Wer heute einen Cholesterinsenker einnehmen muss, ist aber in der glücklichen Lage, dass es eine Reihe hochwirksamer und sehr gut verträglicher Medikamente gibt, aus denen Ärztinnen und Ärzte für jede Patientin und jeden Patienten die passenden herausfinden und auch kombinieren können. Nebenwirkungen unter der Therapie sind selten und gehen in der Regel nach Anpassung der Medikation rasch zurück.

Wie finde ich einen Lipidologen in meiner Nähe?

Prof. Dr. med. Ulrich Julius: Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Fettstoffwechselstörungen, an die Sie sich wenden können, wenn Sie besonderen Rat brauchen – sogenannte Lipidologinnen und Lipidologen DGFL – finden Sie in einer Liste auf der Internetseite der DGFL – Lipid-Liga e. V. unter www.lipid-liga.de. Hier kann man beispielsweise nach Postleitzahl oder Ort suchen. pm

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Die Lesertelefon-Experten der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie e. V. (DGFL) – Lipid-Liga waren:

  • Dr. Fatima Goudjil; Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, CardioEducation, Saarbrücken
  • Prof. Dr. med. Ulrich Julius; Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie; Bereich Lipidologie und Lipoproteinapherese-Zentrum, Medizinische Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
  • PD Dr. med. habil. Daniel Kretzschmar; Facharzt für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie, HUGG Herz- und Gefäßmedizin Goslar
  • Prof. Dr. med. Bernd Krüger; MHBA; Facharzt für Innere Medizin, Nephrologie und Rheumatologie, Direktor der Medizinischen Klinik III, Klinikum Darmstadt
  • Dr. med. Benjamin Lechner; Facharzt Innere Medizin, Stoffwechselambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Priv.-Doz. Dr. med. habil. Katharina Lechner; Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, Praxis Sportkardiologie (ehemals Kardiologie mit Herz), München
  • Priv.-Doz. Dr. med. habil. Ksenija Stach; Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie; Leiterin der Ambulanz für kardiovaskuläre Prävention Universitätsmedizin Mannheim