Betroffene der Huntington-Erkrankung leiden an der fortschreitenden Zerstörung des für die Steuerung der Muskeln und für wichtige mentale Funktionen zuständigen Striatums im Gehirn. Das Huntington-Gen bildet ein Eiweiß, das wegen eines Fehlers Gehirnzellen des Striatums zerstört. Foto: Dr_Microbe/stock.adobe.com
Die seltene Huntington-Krankheit seiner Mutter hielt Moderator Marco Schreyl lange geheim
Lange Zeit war es für Marco Schreyl ein Tabu, über sein Privatleben zu sprechen. Nur wenigen Menschen versuchte der TV- und Radio-Moderator („Die Sonntagsshow“ auf WDR 2, „Im Gespräch“ im Deutschlandfunk Kultur) zu erklären, wieso ihm manchmal die Tränen kommen oder er sich harsch verhielt. Seine Mutter war an Huntington erkrankt, eine seltene Krankheit, die das zentrale Nervensystem betrifft und zu fortschreitenden, teils massiven psychischen Veränderungen und Bewegungsstörungen führt.
Dass seine Mutter um Stillschweigen über ihren Zustand bat, fiel ihm nicht leicht. „Ich bin damals oft verzweifelt. Wenn meine Mutter mal wieder nachts anrief und mir böse, laute Sachen erzählte, dachte ich häufig: Wenn das nicht besser wird, dann ist das schrecklich. Damit am nächsten Morgen meinen Job zu machen war oft einfach zu viel für mich“, berichtet der 50-Jährige im Interview mit dem Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“.
Jeden Tag genießen – gesund oder krank
Mit seinem Buch „Alles gut? Das meiste schon!“ brach er erstmals sein Schweigen und erzählte von der Krankheit seiner 2021 verstorbenen Mutter. „Davor gab es allerdings viele schlaflose Nächte und Gespräche mit Freundinnen und Freunden. Ich glaube aber fest daran, dass – wenn es etwas Übergeordnetes gibt – meine Eltern da oben sitzen und sagen: Gut, dass du es erzählt hast, gut, dass du dich damit beschäftigst“, sagt Schreyl der „Apotheken Umschau“.
Als Sohn einer Huntington-Erkrankten trägt er selbst ein 50-prozentiges Risiko, das veränderte Gen, das zur Krankheit führt, in sich zu tragen. Doch bisher ließ er sich nicht auf das Gen testen. „Es gibt doch diesen Spruch: Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter“, begründet er. Ob mit oder ohne Krankheit.
Um mehr Aufmerksamkeit für die Huntington-Krankheit zu schaffen, nutzt der TV- und Radio-Moderator gerne jede Gelegenheit. „Die Relevanz zu forschen ist bei einer so seltenen Erkrankung vielleicht gering. Aber auch die 5 bis 15 Betroffenen auf 100.000 Menschen sind wichtig! Und es sind ja noch viel mehr, die die Krankheit betrifft: Hinter jedem Erkrankten steht ein ganzer Familien- und Freundeskreis, der mitleidet“, so Schreyl.
Das Buch „Alles gut? Das meiste schon! – Meine Eltern, diese gemeine Krankheit und ich“ (ISBN: 978-3-462-00545-5) von Marco Schreyl hat 272 Seiten und ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.
Marco Schreyl erinnert sich darin an eine Zeit, in der überhaupt nicht alles gut war, in der ihn die Sorge um seine Mutter fast erdrückte, ihm aber nichts anderes übrigblieb, als trotzdem zu funktionieren und in die Kamera zu lächeln. Im Sommer 2015 stand es fest: Marcos Mutter hat Chorea Huntington, eine erbliche Erkrankung des Gehirns, die in Demenz mündet und zwangsläufig zum Tod führt.
Auch vor der Diagnose war klar, dass etwas nicht stimmte; dass seine Mutter schon eine Weile nicht mehr die Person war, die er geliebt und die immer eine große Rolle in seinem Leben gespielt hatte. Der Versuch, sich diese Nähe zu erhalten, für seine Mutter da zu sein, würde ihn in den nächsten Jahren an seine Grenzen bringen.
Marcos Mutter stirbt 2021, und für Marco beginnt die eigene Auseinandersetzung mit den Jahren der Krankheit. Und mit den Jahren davor.
Wie verläuft die Huntington-Krankheit?
Die Huntington-Krankheit, auch als Chorea Huntington oder Huntington-Chorea bekannt, ist eine seltene, erbliche neurodegenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Ursache der Huntington-Krankheit ist eine genetische Mutation im sogenannten HTT-Gen auf Chromosom 4. Diese Mutation führt zu einer verlängerten Wiederholung einer DNA-Sequenz, die als CAG-Trinukleotid-Wiederholung bezeichnet wird. Je größer die Anzahl der CAG-Wiederholungen ist, desto früher und schwerer sind in der Regel die Symptome der Huntington-Krankheit.
Die Huntington-Krankheit tritt in der Regel im mittleren Lebensalter auf, obwohl sie auch in jüngeren Jahren ausbrechen kann. Sie ist durch fortschreitende Bewegungsstörungen, kognitive Beeinträchtigungen und psychische Veränderungen gekennzeichnet. Neben Demenz-Erscheinungen können auch Wahnvorstellungen auftreten. Der zunehmende Verlust von Muskelsteuerung, Schluckfähigkeit und Mimik endet mit dem Aus der Hirnfunktion insgesamt. Im Schnitt sterben die Erkrankten 15 Jahre nach den ersten Symptomen.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose der Huntington-Krankheit erfolgt in der Regel anhand einer Kombination von klinischen Symptomen, genetischen Tests und bildgebenden Verfahren wie MRT oder CT. Zu den häufigsten Symptomen gehören unkontrollierte Bewegungen (Chorea), Muskelsteifheit, Gangstörungen, Schluckbeschwerden, kognitive Beeinträchtigungen, emotionale Veränderungen und psychische Probleme. Der genetische Test auf die CAG-Wiederholungen im HTT-Gen kann die Diagnose bestätigen.
Es gibt derzeit keine Heilung für die Huntington-Krankheit, aber verschiedene Therapien können helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dazu gehören Medikamente zur Behandlung von Bewegungsstörungen, Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Problemen. Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können helfen, die motorischen Fähigkeiten, die Selbstständigkeit und die Kommunikation zu verbessern.
Unterstützende Maßnahmen wie psychosoziale Beratung, Familientherapie und Selbsthilfegruppen können ebenfalls hilfreich sein. Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Familien Unterstützung und Beratung von Fachleuten in Anspruch nehmen, um mit den Herausforderungen der Krankheit umzugehen und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.
Keine Ansteckungsgefahr: Huntington wird vererbt
Die Huntington-Krankheit ist eine genetische Erkrankung, die durch eine Vererbung der mutierten HTT-Genvariante von einem Elternteil auf das Kind übertragen wird. Wenn ein Elternteil die mutierte Genvariante trägt, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Kind die Krankheit erbt. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant, was bedeutet, dass nur eine Kopie des mutierten Gens ausreicht, um die Krankheit zu verursachen. In seltenen Fällen kann die Huntington-Krankheit auch durch eine spontane Mutation auftreten, ohne dass ein betroffenes Familienmitglied vorhanden ist.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Huntington-Krankheit nicht ansteckend ist und nicht durch Kontakt mit einer infizierten Person übertragen werden kann. Die Erkrankung ist ausschließlich genetisch bedingt und wird von einem Elternteil auf das Kind vererbt. Es gibt keine Möglichkeit, sich durch Kontakt mit einer Person mit Huntington-Krankheit anzustecken. pm/tok