Forschende der Universitätsmedizin Mainz haben den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und kardiovaskulären Erkrankungen sowie der Sterblichkeit untersucht. Dabei waren vor allem die Bildung und der Beschäftigungsumfang der Menschen und weniger das Einkommen entscheidend. Foto: SciePro/stock.adobe.com
Beeinflussen Bildung und Beruf die Herz-Kreislauf-Gesundheit und Sterblichkeit?
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) hat gezeigt, dass Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status (SES) ein höheres Risiko hatten, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Auch das Sterberisiko der Betroffenen war erhöht. Dabei spielten der Bildungsstand und der Beschäftigungsumfang eine größere Rolle als das Einkommen der Studienteilnehmenden.
Die Ergebnisse der Studie von Forschenden der Kardiologie I des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht.
Trotz guter Versorgung gibt es Unterschiede
Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind weltweit die häufigste Todesursache. Rund 18 Millionen Todesfälle sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich auf sie zurückzuführen. Die Ursachen für kardiovaskuläre Erkrankungen sind vielfältig und komplex. Internationale Studien deuten darauf hin, dass unter anderem der sozioökonomische Status einen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben könnte. Der SES wird über den Bildungsstand, den Umfang der beruflichen Tätigkeit und das Einkommen definiert.
Bisherige Studien zum Einfluss des SES auf die Gesundheit wurden jedoch vorrangig in Ländern durchgeführt, in denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung vom Einkommen und Beruf abhängt, wie beispielsweise in den USA. Die Gutenberg-Gesundheitsstudie hingegen basiert auf Daten von Studienteilnehmenden aus Deutschland.
Hierzulande ist eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gegeben, sodass es diesbezüglich keine soziale Benachteiligung geben sollte. Dennoch haben die Mainzer Wissenschaftler in ihrer Studie festgestellt, dass es mit Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit von Studienteilnehmenden mit niedrigem versus hohem sozioökonomischem Status deutliche Unterschiede gab.
4000 Studienteilnehmer
Das Forschungsteam hat im Rahmen der Studie den Einfluss von sozioökonomischen Faktoren auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit über einen Zeitraum von zehn Jahren umfassend untersucht. Rund 15.000 Frauen und Männer im Alter von 35 bis 74 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet nahmen an der Studie teil. Der SES der Studienteilnehmenden wurde mithilfe eines Fragebogens im Rahmen eines computergestützten Interviews ermittelt.
Bei der Erstuntersuchung lag bei rund 4000 Studienteilnehmenden eine Herz-Kreislauferkrankung vor, wie beispielsweise Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Venenthrombose. Die Wahrscheinlichkeit dieser Studienteilnehmenden, an einer bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankung zu leiden, war rund 19 Prozent höher als bei Teilnehmenden mit einem hohen SES.
Niedriger Status, höhere Sterblichkeit
„Bei der Folgeuntersuchung nach 10 Jahren wurde deutlich, dass Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ein um 68 Prozent höheres Risiko hatten, eine kardiovaskuläre Erkrankung neu zu entwickeln. Auch die Sterblichkeit war in dieser Gruppe um 86 Prozent höher als bei Studienteilnehmenden mit einem hohen SES. Wir konnten interessanterweise feststellen, dass vor allem die Bildung und der Beschäftigungsumfang der Menschen entscheidend waren und weniger das Einkommen“, erläutert Dr. Omar Hahad, Erstautor der Publikation und Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Kardiologie – Kardiologie I der Universitätsmedizin Mainz.
Den Einfluss des SES auf die kardiovaskuläre Gesundheit konnten die Wissenschaftler auch erkennen, wenn sie diesen unabhängig von Lebensstil-assoziierten Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen oder körperliche Aktivität betrachteten.
Sozioökonomische Faktoren in Medizin berücksichtigen
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass dem sozioökonomischen Status mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss – sowohl bei der Betreuung einzelner Patientinnen und Patienten als auch in klinischen Studien. Daher sollten sozioökonomische Faktoren in Risiko-Scores mit einfließen, um die gesundheitliche Prognose zu verbessern und präventive Maßnahmen früher einleiten zu können“, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Die 2007 gestartete Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) ist eine großangelegte, repräsentative Bevölkerungsstudie in der Rhein-Main-Region. Das Ziel ist es, die Risikofaktoren und Ursachen der großen Volkskrankheiten zu identifizieren. Basierend auf einer Bevölkerungsstichprobe wurden in den letzten 15 Jahren mehr als 18.000 Personen hinsichtlich ihrer Gesundheit untersucht. Alle fünf Jahre wird eine Verlaufsuntersuchung durchgeführt. Die Erkenntnisse sollen helfen, die medizinische Prävention, Diagnostik und Therapie zu verbessern. pm