In den baden-württembergischen Hebammenkreißsälen arbeiten Hebammen selbstständig und eigenverantwortlich. Dieses Angebot will das Bundesland nun weiter ausbauen. Foto: KAMPUS/stock.adobe.com
Natürliche Geburt: Baden-Württemberg fördert Ausbau von Hebammenkreißsälen
Um Hebammenkreißsäle in baden-württembergischen Krankenhäusern weiterzuentwickeln und auszubauen, stellt das Land Fördergelder in Höhe von insgesamt rund 500.000 Euro zur Verfügung.
Ein Hebammenkreißsaal ist ein geburtshilfliches Angebot in einer Klinik, bei dem Hebammen gesunde Frauen während der Geburt betreuen. Die Hebammen arbeiten dort selbstständig und eigenverantwortlich. Dabei ist eine gute und enge Kooperation mit dem Ärzte-Team notwendig. Entsprechende Angebote gibt es bereits an fünf Klinikstandorten in Baden-Württemberg.
Raum für eine natürliche Geburt
„Hebammenkreißsäle in Krankenhäusern sind ein wichtiges zusätzliches Angebot in der geburtshilflichen Versorgung. Sie stärken die Eigenverantwortung der Hebammen und bieten Frauen den Raum für eine natürliche Geburt mit einer sicheren medizinischen Betreuung im Hintergrund“, sagte Dr. Ute Leidig, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, anlässlich der Veröffentlichung des Förderaufrufs.
Ziel der Landesförderung ist es, dass noch mehr Hebammenkreißsäle an baden-württembergischen Krankenhäusern mit einer geburtshilflichen Abteilung entstehen und das Angebot damit stärker in die Fläche gebracht wird. Ein Hebammenkreißsaal erweitert das geburtshilfliche Angebot eines Krankenhauses und soll den ärztlich geleiteten Kreißsaal nicht ersetzen. „Neben dem zusätzlichen Angebot für die Frauen können Hebammenkreißsäle auch die interdisziplinäreZusammenarbeit in Krankenhäusern fördern“, so Staatssekretärin Dr. Leidig.
Mehr Wahlfreiheit für Schwangere
Die Praxis hat gezeigt, dass ein Hebammenkreißsaal die Wahlfreiheit Schwangerer für ihre Geburtsbetreuung ausweitet, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) bereits 2020 berichtet hat. Die Universitätsfrauenklinik Bonn hatte das Modell als erste Universitätsklinik Deutschlands eingeführt: „Nach elf Jahren blicken wir auf eine hohe Zufriedenheit bei Gebärenden, Hebammen und Ärzten zurück“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Gembruch, DGGG-Experte und geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Bonn.
Die Geburt im Hebammenkreißsaal verlaufe schneller und mit weniger Interventionen, insbesondere mit weniger Episiotomien und Dammmrissen II. Grades, allerdings auf Kosten einer größeren Häufigkeit höhergradiger Geburtsverletzungen. Insbesondere die Hebammen berichteten über eine höhere Berufszufriedenheit – dies ist vor dem Hintergrund eines grassierenden Hebammenmangels ein erfreuliches Ergebnis.
Ganz ohne ärztliche Geburtshelfer geht es nicht
Die Weiterleitungsrate in den ärztlich geführten Kreißsaal lag beim mehrteiligen Forschungsprojekt von 2010 bis 2017 bei hebammengeleiteten Geburten am Universitätsklinikum Bonn bei 50,3 %. „Diese Zahlen zeigen eindrücklich, wie wichtig flächendeckend verfügbare ärztliche GeburtshelferInnen für die Sicherheit von Mutter und Kind unter der Geburt sind“, betonte Prof. Dr. Anton J. Scharl, Präsident der DGGG.
Während also Niedrigrisikogeburten nach strenger Vorauswahl durch Hebammen begleitet werden können, ist bei jeglicher Abweichung die Anwesenheit ärztlicher GeburtshelferInnen nötig. Dies reicht etwa von der Anlage häufig gewünschter Periduralanästhesien (PDA) bis hin zu pathologischen Geburtsverläufen, wie starken Blutungen, Beckenendlagen, Frühgeburten, vaginal-operativen Geburten sowie Kaiserschnitten. Insgesamt liegt der Anteil an gesunden Schwangeren mit unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und Erwartung einer unkomplizierten Geburt in Deutschland nach konservativer Schätzung bei etwa 20 %.
Bei einer 50%igen Weiterleitungsrate in den arztgeführten Kreißsaal ist in 90 % der Geburten also auch ärztliche Geburtshilfe erforderlich. Wichtig ist zudem, dass eine Geburt im Hebammenkreißsaal eine Geburt in der Klinik ist. Die Ergebnisse zur Sicherheit für Mutter und Kind können nicht auf die außerklinische Geburtshilfe übertragen werden.
Informationen zum Förderaufruf
Das Ministerium setzt mit dem Förderaufruf eine Empfehlung des Runden Tisches Geburtshilfe aus der letzten Legislaturperiode um. Der Runde Tisch Geburtshilfe hat von 2017 bis 2020getagt und verschiedene Maßnahmen erarbeitet, um die Geburtshilfe im Land weiterzuentwickeln. Die Mitglieder des Runden Tischs haben sich in diesem Zusammenhang auch für die Förderung von Hebammenkreißsälen ausgesprochen.
Krankenhäuser in öffentlicher, freigemeinnütziger oder privater Trägerschaft mit einer geburtshilflichen Abteilung in Baden-Württemberg können sich für die Förderung bewerben. Auch Krankenhäuser, die bereits einen Hebammenkreißsaal eingerichtet haben, können Fördermittel zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung ihres Konzepts beantragen.
Die maximale Zuschusshöhe beträgt 50.000 Euro für die gesamte Laufzeit des Projekts. Die Projekte müssen spätestens am 30. Juni 2025 beendet sein. Insgesamt stehen Fördergelder in Höhe von rund 500.000 Euro zur Verfügung. Bewerbungsschluss ist der 15. August 2023. Der Förderaufruf sowie das Antragsformular sind auf der Website des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration abrufbar.