
Die Präzisionsonkologie ist das nächste Level in der modernen Krebstherapie. Sie will den individuellen Tumor eines einzelnen Erkrankten ansteuern und bietet so eine höhere Wirksamkeit mit weniger Nebenwirkungen. Die pharmazeutische Forschung konzentriert sich darauf, die individuellen Eigenschaften eines Tumors zu verstehen und dann gezielt zu bekämpfen. Foto: kamiphotos/stock.adobe.com
Ausbalancierte Investition in das Morgen: Gesundheit durch neue Krebs-Medikamente
Eine Balance finden: Das will Dr. Xiaobin Wu, der beim Onkologieunternehmen BeOne Medicines (vormals BeiGene) das operative Geschäft leitet. Eine Balance zwischen den Möglichkeiten, die die Forschung für die Behandlung krebskranker Menschen heute schon bereitstellt, und der Notwendigkeit, dass Gesundheitssysteme nachhaltig finanzierbar bleiben müssen. Auf Vital-Region.de lesen Sie ein Pharma Fakten-Gespräch mit Dr. Xiaobin Wu über den Einsatz gegen Krebs, das Ziel, die Forschung effizienter zu gestalten, und die Frage, wie man Menschen in einkommensschwächeren Regionen mit Innovationen unterstützen kann.
Dr. Xiaobin Wu kennt die Pharmaindustrie „inside out“ – wie seine Westentasche. Angefangen im Bereich Sales und Marketing bei Bayer in Deutschland, hat er seit über 30 Jahren weltweit für Unternehmen der Branche in unterschiedlichsten Positionen gewirkt. Der promovierte Biochemiker und Pharmakologe hat seinen Master für molekulare Biologie an der Universität Konstanz gemacht. Heute ist er Chief Operating Officer (COO) bei BeOne Medicines, das sich auf innovative Krebsmedikamente spezialisiert hat.
Was können die Patienten in den kommenden Jahren erwarten?
Dr. Xiaobin Wu: „Die Patientinnen und Patienten können vor allem große Fortschritte erwarten. Blicken wir zurück: Da hatten wir die Chemotherapien und die so genannten Small Molecules, die niedermolekularen Verbindungen. Dann kamen die ersten Antikörper. Heute verfügen wir über ein breites Angebot von kleinen und großen Molekülen, von Antikörpern, die bispezifisch und bald sogar triple-spezifisch wirken, wir sehen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) oder die RNA-, die CAR-T-, die Zell- und Gentherapie. Das gibt uns sehr viel Hoffnung. Die Präzisionsmedizin schreitet voran, die es uns ermöglicht, sehr spezifisch und individuell zu behandeln.“

Das nächste Level: Die Präzisionsonkologie
Maßgeschneidert und zielgerichtet: Die Präzisionsonkologie ist der nächste große Schritt – das nächste Level in Sachen moderner Krebstherapie. Ihr Versprechen lautet, dass sie nicht einfach „den Krebs“ behandelt, sondern den individuellen Tumor eines einzelnen Erkrankten ansteuern kann – und damit die Möglichkeit bietet, höhere Wirksamkeit mit einem Weniger an Nebenwirkungen zu kombinieren. Die pharmazeutische Forschung konzentriert sich darauf, diese individuellen Eigenschaften eines Tumors zu verstehen und dann gezielt zu bekämpfen. Das hat erhebliche Folgen.
Dr. Xiaobin Wu: „Forschung und Entwicklung (F&E) ist heute viel komplexer als früher. Aber entscheidend ist für uns nicht die Komplexität, sondern das, was wir für Menschen mit Krebs erreichen können, nämlich idealerweise ein besseres und längeres Leben.“
Krebsbehandlung: Erfolge, die sich sehen lassen können
Die Erfolge können sich sehen lassen. Neue Daten aus Europa zeigen: Die Zahl der Krebsdiagnosen ist zwischen 1995 und 2022 um 52 Prozent gestiegen, die Zahl der Todesfälle hat im selben Zeitraum nur um rund 25 Prozent zugenommen. Die sogenannte altersstandardisierte Sterberate – Effekte von Bevölkerungswachstum und -alterung sind hier herausgerechnet – sinkt in fast allen Ländern. Die Entkopplung von Erkrankungs- und Sterberaten bedeutet: Die Ergebnisse von intensiv betriebener Forschung und Entwicklung kommen bei den Menschen an. Durch neue Arzneimittel, bessere Prävention und Früherkennung und optimierte Nachsorge können zunehmend mehr der über 300 verschiedenen Tumorerkrankungen immer besser behandelt werden.
Dr. Xiaobin Wu: „Wir sehen einen Fortschritt, der Schritt für Schritt erfolgt – mit jedem neu zugelassenen Medikament werden wir ein Stück besser, eine Tumorerkrankung in die Schranken zu weisen. Natürlich hoffen wir auch auf die großen Durchbrüche, aber selbst die sind am Ende das Ergebnis des so genannten inkrementellen Fortschritts, der schrittweise und aufeinander aufbauend erfolgt. Mit unserer Forschung lernen wir, wie das Leben funktioniert – das ist die Voraussetzung für immer bessere Medikamente.“
Krebs – der gemeinsame Feind
BeOne Medicines ist ein globales Unternehmen, das seine Forschung ausschließlich auf Krebserkrankungen ausgerichtet hat. Dabei forscht es an bereits etablierten Wirkmechanismen wie Bruton-Tyrosinkinase-(BTK)-Inhibitoren und PD1 (Programmed Cell Death Protein 1), aber auch an neuen Ansätzen.
Wie können die Ergebnisse dieser Forschung so schnell wie möglich zu den Menschen gebracht werden?
Dr. Xiaobin Wu: „Wir müssen alle zusammenarbeiten, es geht nur gemeinsam. Die Ärztinnen und Ärzte, die Erkrankten und ihre Angehörigen, die politischen Entscheidungsträger, die Gesundheitssysteme, die Industrie – wir alle haben einen gemeinsamen Gegner: den Krebs. Wie wichtig uns das ist, zeigt, dass wir gerade den Namen unseres Unternehmens geändert haben. BeOne Medicines steht für das Ziel einer gemeinsamen Mission gegen Krebs. Wir müssen eins sein im Kampf gegen Krebs.“
Was meinen Sie damit?
Dr. Xiaobin Wu: „Wenn die Preise für Arzneimittelinnovationen, die die Gesundheitssysteme bereit sind zu zahlen, zu niedrig sind, dann können die Unternehmen nicht in Forschung investieren. Umgekehrt gilt: Ist der Preis zu hoch, so dass sich das System die Innovation nicht leisten kann, ist das auch nicht gut. Also brauchen wir eine Balance. Grundsätzlich ist es unser Bestreben, den Zugang für Patient:innen zu unseren Innovationen schneller zu gestalten; ein Beispiel dafür ist unser BTK-Inhibitor, der bereits nach wenigen Jahren in 25 Ländern der EU erhältlich ist. Das ist ein sehr guter Wert.“
Krebsforschung: effizienter und schneller
BeOne Medicines hat erkannt, dass Forschung und Entwicklung schneller und effizienter gestaltet werden müssen, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb konzentriert sich das Unternehmen auf kosteneffizientere interne Lösungen und die Skalierung klinischer Studien in globalen, vielfältigen Märkten, um den Zugang zu beschleunigen.
Den gesamten Prozess zu vereinfachen, zu straffen, effizienter zu gestalten – das soll nicht nur Kosten senken, sondern führt dazu, dass Menschen früher von Innovationen profitieren können. Wie gelingt es, innovative Krebstherapien auch wirklich global anbieten zu können? BeOne Medicines hat sich zusammen mit der MAX-Foundation das Ziel gesetzt, ihren im Jahr 2022 neu zugelassenen BTK-Inhibitor der neuesten Generation in einkommensschwachen Ländern kostenlos anzubieten.
Dr. Xiaobin Wu: „Unser Ziel ist es nicht nur, die neuesten Krebsmedikamente zu entwickeln, sondern auch maßgeschneiderte Strategien zu erarbeiten, damit die Ergebnisse unserer Forschung für alle Menschen zugänglich werden, insbesondere in Regionen mit begrenzten Ressourcen. Wie wir das erreichen? Wir haben unseren Entwicklungsprozess beschleunigt und sind heute rund ein Drittel schneller – und damit auch kostengünstiger. Anschließend treten wir mit den Ländern in Verhandlungen, um nachhaltige Lösungen zu finden, die es ermöglichen, dass Menschen von unseren Innovationen profitieren.“
Gesund altern – auch durch Arzneimittelinnovationen
Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt sind zunehmend finanziellen Herausforderungen ausgesetzt, wodurch die Debatte über die Erschwinglichkeit von Arzneimittelinnovationen an Bedeutung gewinnt.
Teilen Sie diese Sorge?
Dr. Xiaobin Wu: „Neue Arzneimittel und Technologien erhöhen die Lebenserwartung und helfen, Erwerbsminderung vorzubeugen. Unser Ziel ist gesundes Altern, und dafür sind innovative Therapien unerlässlich. Auch wenn diese zu Beginn kostenintensiv sind, sinken die Erstattungspreise durch Wettbewerbsdruck oder Patentablauf mit der Zeit, wodurch sich Investitionen lohnen. In diesem Kontext verdeutlicht unser Leitsatz „Cancer Has No Borders. Neither Do We“ die Notwendigkeit globaler Anstrengungen, um allen Menschen, unabhängig von ihrem Standort, Zugang zu den neuesten Therapien zu ermöglichen und so ein gesundes Altern für alle zu fördern.“ pm