Forschende der ETH Zürich haben ein neues Gerät zur Blutentnahme entwickelt. Es funktioniert nach dem Blutegel-Prinzip und ist weniger invasiv und viel einfacher als die Blutentnahme mit einer Nadel am Arm. Foto: Сергей Чирков/stock.adobe.com

Angst vor der Nadel? Nicht mehr mit der neuen Blut-Diagnostik nach dem Vorbild von Blutegeln

Forschende haben ein sicheres und günstiges Gerät für zuverlässige Blutmessungen entwickelt. Es funktioniert mit einem Saugnapf und könnte auch zur Diagnose der Tropenkrankheit Malaria eingesetzt werden – sogar von nichtmedizinischem Personal. Vorbild dafür war das Blutsaugen des Blutegels.

Nicht wenige Menschen haben Angst vor einer Nadel. Sich von einer Ärztin oder einem Arzt am Arm Blut abnehmen zu lassen, ist ihnen unangenehm. Zwar gibt es eine Alternative: der Stich in die Fingerkuppe oder das Ohrläppchen. Doch für viele diagnostische Untersuchungen reicht der Tropfen Blut, den man am Finger gewinnen kann, nicht aus. Vor allem aber sind damit gemachte Messungen oft ungenau. Laborwerte schwanken von Messung zu Messung, wie das DeutschesGesundheitsPortal berichtet.

Blutegel-Prinzip: Weniger invasiv mehr Blut sammeln

Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben nun ein neues Gerät zur Blutentnahme entwickelt. Es funktioniert nach dem Blutegel-​Prinzip und ist weniger invasiv als die Blutentnahme mit einer Nadel am Arm. Zudem ist es einfach zu handhaben und kann auch von Personen ohne medizinische Ausbildung verwendet werden. Mit dem neuen Gerät lässt sich zwar nicht so viel Blut gewinnen wie mit einer Nadel, aber deutlich mehr als mit einem Fingerstich. Die Messungen werden dadurch zuverlässiger.

Auf die Idee für das neue Gerät kamen die ETH-​Forschenden, als sie zuvor etwas anderes entwickelt hatten: einen Saugnapf, der Medikamente über die Mundschleimhaut ins Blut transportiert. „Für dieses Projekt hatten wir bereits Blutegel studiert. Sie saugen sich an ihrem Wirt fest. Uns wurde klar, dass wir ein ähnliches System entwickeln könnten, um Blut zu gewinnen“, sagt David Klein. Er ist Doktorand in der Gruppe von Jean-​Christophe Leroux, Professor für Galenik an der ETH Zürich.

Nachdem sich Blutegel festgesaugt haben, durchdringen sie mit ihren Zähnen die Haut und erzeugen durch ihr Schlucken einen Unterdruck, über den sie Blut aus der Wunde saugen. Ganz ähnlich funktioniert auch das neue Gerät: Ein etwa 2,5 Zentimeter großer Saugnapf wird am Oberarm oder am Rücken angebracht. Darin befinden sich ein Dutzend Mikronadeln, welche beim Anpressen die Haut punktieren. Der Unterdruck im Saugnapf sorgt dafür, dass sich innerhalb weniger Minuten genügend Blut darin sammelt, das dann für diagnostische Untersuchungen verwendet werden kann.

Kostengünstiges Gerät mit geringer Verletzungsgefahr

Das neue Gerät ist sehr kostengünstig herzustellen, wie Nicole Zoratto betont. Sie ist Postdoc in der Gruppe von Leroux, hat diese Entwicklung geleitet und ist Erstautorin einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ veröffentlicht wurde. Eine künftige Anwendung sieht Zoratto denn auch in ressourcenschwachen Regionen wie Subsahara-​Afrika, wo das neue Gerät einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Tropenkrankheit Malaria leisten könnte. Um Malaria zu diagnostizieren, muss den Patientinnen und Patienten Blut abgenommen werden.

Ein weiterer Vorteil des neuen Geräts: Die Mikronadeln befinden sich im Innern des Saugnapfs. Dadurch ist die Verletzungsgefahr beim Anwenden und Entsorgen geringer als bei der Blutentnahme mit klassischen Nadeln.

In der aktuellen Version des Blutegel-​Geräts besteht der Saugnapf aus Silikon und die darin verborgenen Mikronadeln aus Stahl. Die Forschenden sind allerdings dabei, eine nächste Version aus vollständig biologisch abbaubaren Materialien zu entwickeln, um ein nachhaltiges Produkt zu schaffen.

Suche nach Partner für Markteinführung

Die Forschenden haben ihr neues Gerät an Schweinen getestet. Die vollständigen Herstellungsinformationen haben sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bevor das Gerät bei Menschen breit – in Malariagebieten und anderswo – angewandt werden kann, muss die Materialzusammensetzung noch optimiert werden. Und vor allem muss die sichere Anwendung mit einer kleinen Gruppe von Probanden getestet werden.

Da solche Studien aufwändig und teuer sind, sucht die Forschungsgruppe noch einen Partner für die weitere Finanzierung, zum Beispiel eine gemeinnützige Stiftung. Dies in der Hoffnung, dass die neuen Blutegel-​Geräte schon bald einen Beitrag leisten können für die Gesundheit von Kindern und allen anderen, die sich vor Nadeln fürchten.

Diese Forschungsarbeit wurde finanziell unterstützt von der Fondation Botnar via dem Basel Research Centre for Child Health (BRCCH) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.     DGP

Wie werden Blutegel in der Medizin eingesetzt?

Blutegel werden in der Medizin seit Jahrhunderten eingesetzt, vor allem in der Behandlung von verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden. Die medizinische Verwendung von Blutegeln, auch als Hirudo-Therapie bekannt, basiert auf den heilenden Eigenschaften des Speichels der Blutegel. Die Blutegel werden auf die betroffene Stelle auf der Haut gesetzt, wo sie kleine Mengen ihres Speichels abgeben, der entzündungshemmende, schmerzlindernde und blutverdünnende Substanzen enthält.

In der Chirurgie verwendet man sie zum Beispiel zur Therapie von Lymphödemen und nach Lappenplastiken zur Verbesserung der Durchblutung. Blutegel werden in der naturheilkundlichen Praxis bei einer Vielzahl von Indikationen eingesetzt, unter anderem bei Venenleiden wie Krampfadern, bei Gelenkerkrankungen wie Arthrose, bei Entzündungen, Wundheilungsstörungen, Hämorrhoiden, Arthrosen, Kopfschmerzen und Dysmenorrhoe (Regelschmerzen).

Die Hirudo-Therapie wird von geschulten Fachleuten durchgeführt und erfordert eine sorgfältige Auswahl der Blutegel sowie eine genaue Überwachung des Prozesses. Die Blutegel werden direkt an die gewünschte Stelle des Körpers gebracht, an der sie saugen sollen. Der Patient bemerkt das Festsaugen des Blutegels im Normalfall nicht, während das Festbeißen maximal einen leichten ziehenden Schmerz erzeugt. Für eine Blutmahlzeit nimmt sich der Egel ein bis drei Stunden Zeit. Danach blutet die Bissstelle noch etwas nach, zuweilen einen ganzen Tag lang. Mit einer sterilen Wundauflage ist das jedoch kein Problem. Das Hämatom ist zwar noch einige Tage zu sehen, stellt aber kein medizinisches, sondern nur ein kosmetisches Problem dar.

Die Verwendung von Blutegeln in der Medizin erfordert spezielle Kenntnisse und ist nicht für jeden Patienten geeignet, weshalb vorab immer eine gründliche ärztliche Beratung angeraten ist. tok