Sie warten aktuell auf ein Spenderorgan. Jede vierte Person stirbt während der Wartezeit auf ein lebensnotwendiges Organ. Foto: Bündnis ProTransplant

Vom Warten auf die Organspende: Stillstand in der Politik gefährdet Menschenleben

Eine junge Frau hört mit einem Stethoskop den Herzschlag einer ihr fremden Frau und weint. Es ist das Herz ihrer Mutter, die in Israel bei einem Terroranschlag ums Leben gekommen war. Nun schlägt es in einem anderen Körper weiter. Viele User waren zu Tränen gerührt von dem Video, das in den sozialen Medien viral ging.

In diesem ergreifenden Bild waren Tod und Leben durch einen Akt der Menschlichkeit vereint – eine Organspende hat ein Menschenleben gerettet.

Der Tag der Organspende in Deutschland (Samstag, 3. Juni) richtet sich an alle Menschen, die sich ebenso wie diese Familie aus dem Video entschieden haben, einem anderen Menschen ein Organ zu spenden. Ihnen und ihren Angehörigen gilt der tief empfundene Dank der Empfänger und Empfängerinnen, denen dadurch wertvolle Lebensjahre geschenkt wurden. Es sind diese Menschen, die durch eine persönliche Entscheidung Organspende in Deutschland möglich machen.

Versorgungsauftrag wird nicht erfüllt

„Von vielen Politiker*innen lässt sich dies nicht sagen. Denn in Deutschland können viel zu viele organkranke Menschen nicht mehr gerettet werden. Keiner der 83 Millionen Bürger*innen kann mit der jetzigen gesetzlichen Regelung damit rechnen, in angemessener Zeit eine Organspende zu erhalten, falls er oder sie eine solche benötigt. Vielmehr verlängern sich die Wartezeiten immer mehr. Für viele enden sie mit dem Tod“, kritisiert Mario Rosa-Bian, Vorstandsvorsitzender der I.G. Niere NRW e.V. und Sprecher von ProTransplant.

ProTransplant: Politik kommt nicht in die Gänge

Das Bündnis ProTransplant ist ein Zusammenschluss von Patient*innenverbänden und Selbsthilfegruppen. Und die verweisen darauf, dass die langen Wartezeiten auf ein überlebenswichtiges Organ nicht an der mangelnden Spendenbereitschaft in der Bevölkerung liegen würden. ProTransplant wirft Politikern, die echte Fortschritte blockieren würden, vor, dass sie halbherzig und uninspiriert agieren, relativieren, wegschauen und sich vor ihrer Verantwortung drücken würden.

„Ein gutes Jahr nach Inkrafttreten der neuen Transplantationsgesetzgebung, die von den Initiator*innen begeistert und mit großen Erwartungen verkauft wurde, ist wieder einmal Ernüchterung eingetreten: Das Organspenderegister verzögert sich immer weiter, die flächendeckende Aufklärung der Menschen in den Bürgerämtern gibt es ebenfalls nicht. Und die Zahl der Organspenden ist gleichbleibend niedrig“, so Dominik Panzer, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V. (BDVEK).

Internationale Erfolgskonzepte vorhanden

Es ist nicht so, dass man nicht wüsste, wie es gehen kann, denn Spanien macht es seit Jahrzenten vor. Am 1. März hat das Bündnis ProTransplant einen offenen Brief im Bundesgesundheitsministerium übergeben, der ein Bündel an möglichen und sinnvollen Maßnahmen enthielt.

Dazu gehört zum einen die Einführung eines Prinzips der angenommenen Zustimmung (sogenannte Widerspruchsregelung oder Opt-Out-Modell). Diese gilt in 29 Ländern Europas und wird von allen Patient*innenenverbänden, allen relevanten medizinischen Verbänden und Fachgesellschaften, allen Verantwortlichen im Transplantationswesen und allen Gesundheitsminister*innen Deutschlands gefordert. Weitere relevante Schritte wären eine Reform der Organisationsstrukturen und Prozesse in der Organspende, die Möglichkeit einer Organspende nach Kreislauftod sowie die Option einer Crossover- und Ketten-Lebendspende.

Absichtserklärungen, Ankündigungen und Vertröstung

„Die Rückmeldungen, die wir von den Abgeordneten des Bundestages bekommen haben, enthielten weitreichende Beschreibungen der Situation (die wir kennen) und Verweise auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der aktuellen Gesetze“, schreibt ProTransplant in einer Pressemitteilung. „Alle eint angeblich der Wunsch, die Organspendesituation zu verbessern, während es gleichzeitig bei Absichtserklärungen, Ankündigungen und Vertröstung bleibt“, kritisiert Christiane Daum, Angehörige eines betroffenen Patienten.

„Ist es wirklich hinnehmbar, dass betroffene Menschen, die genug Geld und berufliche Möglichkeiten haben, ihren Wohnsitz in die europäischen Länder verlegen, in denen die Wartezeiten auf eine Transplantation erheblich kürzer sind als in Deutschland? Immer mehr drängt sich der Eindruck auf, dass unsere Politiker*innen einer Situation, die sie selbst geschaffen haben, hilflos gegenüberstehen und keine Antworten mehr haben“, so Christiane Daum.

Hoffnung auf Bundesratsinitiative

Hoffnung gibt laut ProTransplant die von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) angestoßene Initiative, die angenommene Zustimmung zur Organspende als eine von mehreren dringlichen Maßnahmen über den Bundesrat umsetzen zu wollen. Unterstützt wird dies bisher von Gesundheitsminister Manne Lucha (Bündnis90/Grüne) aus Baden-Württemberg.

„Es scheint, als hätten zumindest diese Politiker*innen verstanden, dass es so nicht mehr weitergehen kann“, so Ute Opper, Vorstandsvorsitzende von transplantiert e.V. „Wir wünschen uns, dass dieser Vorstoß von vielen Politiker*innen mitgetragen wird und es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt. Denn für jeden Menschen in diesem Land gilt: Es kann schon morgen deine Mutter, dein Kind oder dich selbst treffen.“

Über ProTansplant

Das Bündnis ProTransplant ist ein Zusammenschluss von Patient*innenverbänden und Selbsthilfegruppen. Ziel des Bündnisses ist die Verbesserung der Gesetzgebung zu Organspende und Organtransplantation in Deutschland durch Einflussnahme. ProTransplant fordert: Deutschland soll von den Gesetzen zur Organspende seiner Nachbarländer lernen und die Wartezeiten auf ein Organ, das Leid und das Sterben auf der Warteliste müssen verringert werden.

Über den Tag der Organspende

Immer am ersten Samstag im Juni: Der Tag der Organspende hat seit 1983 einen festen Platz im Terminkalender. In den vergangenen 40 Jahren hat er sich von einer regional begrenzten Aktion zu einer Veranstaltung mit bundesweiter Wirkung entwickelt. Im ganzen Land machen dieses Jahr am 3. Juni größere und kleinere Aktionen auf das Thema aufmerksam. pm