Eltern sollten professionelle Hilfe suchen, wenn sie bei ihrem Kind eine über mehrere Wochen anhaltende schlechte Stimmung oder chronischen Stress wahrnehmen. Foto: dikushin/stock.adobe.com

Unterfordert, überfordert, chronisch gestresst? Depression bei Kindern und Jugendlichen

Im Kindes- und Jugendalter werden depressive Zustände häufig übersehen, da die Symptomatik oft von körperlichen Beschwerden oder Aggressivität und Gereiztheit geprägt ist – und das ausgerechnet in Zeiten wachsender Fallzahlen.

Belastungen und Symptome haben zugenommen

Bei Kindern und Jugendlichen haben die psychischen Belastungen und Symptome während der Coronapandemie deutlich zugenommen. Im Zuge wachsender Anforderungsprofile an junge Menschen beobachten die Experten der Oberberg Kliniken für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eine steigende Zahl depressiver Symptome und ausgeprägter Ängste, vor allem bei jungen Patienten.

Dr. med. Ullrich Hildebrandt, Chefarzt der Oberberg Tagesklinik am Lorettoberg in Freiburg, sagt: „Oft fehlen die Jugendlichen schon seit längerer Zeit in der Schule und haben sich von Freunden und Hobbies zurückgezogen. Nicht nur, aber auch durch die Corona-Pandemie ist der Präsenzschulbesuch aus psychischen Gründen irgendwann nicht mehr gelungen und die Problematiken haben begonnen sich zu chronifizieren. Häufig wurden soziale Kontakte gewissermaßen verlernt.“

Symptome bei Jungen und Mädchen unterschiedlich

Die Ursachen einer depressiven Erkrankung sind vielfältig. Zu den wichtigen Gründen für depressive Erkrankungen bei Schülern zählen Unterforderung, Überforderung und chronischer Stress. Auch hormonelle Veränderungen, genetische Faktoren und die Herausforderungen in der Entwicklung der Persönlichkeit haben Einfluss. Zudem spielen die sozialen Kontakte eine große Rolle. Eine gute Beziehung zu Familie und Freunden kann vor Depressionen schützen.

Bei betroffenen Kindern und Jugendlichen lassen sich oft geschlechtsspezifische Symptome beobachten. Mädchen sind deutlich anfälliger für Depressionen und zeigen häufiger Schuldgefühle. Sie haben häufiger den Eindruck zu versagen und ein niedrigeres Selbstwertgefühl. Zudem treten bei ihnen auch vermehrt internalisierende, also eher nach innen gerichtete Probleme wie Appetitlosigkeit sowie Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper auf.

Studien zeigten, dass auch die Nutzung sozialer Medien unterschiedlich starke Effekte auf Jungen und Mädchen hat. Weibliche Teenager zeigten mit zunehmendem Konsum mehr depressive Symptome als männliche Gleichaltrige. Vor allem Schlaf, Selbstwert und Zufriedenheit mit dem eigenen Körper wurden negativ beeinflusst.

Jungen, die an einer Depression erkrankt sind, zeigen häufiger externalisierende Symptome, also herausfordernde Verhaltensweisen, die nach außen gerichtet sind. Sie sind oft besonders reizbar und fühlen sich schnell von anderen angegriffen. So kommt es häufig zu einer aggressiven Stimmung und Streitereien. Sie neigen außerdem eher dazu, depressive Verstimmungen weniger offen zu zeigen und erhalten dann später passende Hilfe.

Eltern stärken ihre Kinder

Es gibt viele Möglichkeiten für Eltern, wie sie ihr Kind unterstützen können. Dr. Hildebrandt empfiehlt:

Im Umgang mit den eigenen Emotionen sind Eltern sehr oft „Vorbild“. Dabei sind sie in der Regel geprägt durch eigene Erfahrungen und Vorbilder ihrer Lebensgeschichte. Positive wie auch negative Emotionen können sich bewusst oder unbewusst auf das Kind übertragen. Sich dessen bewusst zu werden und den Umgang mit Lob und Kritik, Nähe und Distanz, Fürsorge und Freiheit zu prüfen hilft, eine positive Veränderung anzustoßen. Selbst Hilfe bei emotionalen Problemen anzunehmen ist nicht nur wichtig, um gestärkt da zu sein, wenn die eigenen Kinder besondere Zuwendung brauchen; auch können Eltern damit als Vorbild vorangehen.

Struktur und Alltagsroutinen geben Orientierung. Das reicht von der täglichen Zeit im Freien und der Bildschirmzeit über soziale Kontakte und Aktivitäten bis zu ausreichend Schlaf.

Ein großer Lebensbereich junger Menschen ist die Schule. Eltern stehen vor der Herausforderung, einen Rahmen zu wählen, der weder unter- noch überfordert. Dabei geht es nicht nur um die Leistungserwartungen. Häufiger erleben Jugendliche in der Schule große soziale Herausforderungen. Gelingt dabei, eventuell mit Unterstützung, eine Konfliktlösung, ist dies ein positiver und wichtiger Entwicklungsschritt. Ein Schulwechsel sollte immer gut geprüft werden, nicht selten wiederholen sich Schwierigkeiten auch an der nächsten Schule, wenn tiefsitzende Ängste nicht durch eine Auseinandersetzung mit den Auslösern abgebaut werden konnten. Im Zweifel sollte frühzeitig das Gespräch mit Lehrern gesucht werden. Schulen haben zudem in der Regel interne Beratungsnetzwerke, auf die zurückgegriffen werden kann.

Bei Verdacht schnell handeln

Eine frühzeitige Behandlung von depressiven Erkrankungen kann die Heilungschancen steigern und die Dauer einer depressiven Episode verkürzen. Daher sollten Eltern professionelle Hilfe suchen, wenn sie bei ihrem Kind eine über mehrere Wochen anhaltende schlechte Stimmung oder chronischen Stress wahrnehmen. Eltern sollten den Verdacht, das Kind habe mit Suizidgedanken zu tun, direkt ansprechen.

Wenn sich die Sorge bestätigt, gilt es das Kind zu schützen, im Kontakt zu bleiben und unmittelbar Unterstützung zu holen. Je nach Situation helfen die Telefonseelsorge (Telefon 0800-1110111), der Kinderarzt oder in Akutsituationen ein Notarzt (Telefon 112) sowie die zuständige Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Behandlung auf Grundlage ganzheitlicher Betrachtung

Die Oberberg Gruppe bietet mit ihren Fach- und Tageskliniken hochwertige kinder- und jugendpsychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen. Chefarzt Dr. Hildebrandt sagt: „In der Oberberg Tagesklinik am Lorettoberg in Freiburg betrachten wir den Menschen in seiner ganzen Vielschichtigkeit. Körperliche und seelische Beschwerden wie auch das soziale Umfeld, die Lebensgeschichte und die Persönlichkeit werden berücksichtigt.“

Die Klinik bietet in ruhiger, zentraler Lage einen Ort, an dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die noch die Schule besuchen, sich erholen und alte oder neue Herausforderungen mit neuer Energie angehen können. Das therapeutische Konzept sieht zum Beispiel vor, dass vormittags ein reduzierter Schulbesuch ermöglich wird. Von Beginn an wird an einem Weg zurück in die Schule gearbeitet. Familien und Angehörige werden dabei stets so intensiv wie nötig und möglich einbezogen. pm

Mehr zum Thema: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/depressionen-bei-schuelern-und-schuelerinnen