
Verbale oder körperliche Gewalt geht meist von Patienten oder Angehörigen aus. Die Vorfälle passieren hauptsächlich in überfüllten Notaufnahmen oder auf den Stationen. Schutzmaßnahmen vor Gewalt am Arbeitsplatz müssen an vielen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen erst noch etabliert werden. Foto: venusvi/stock.adobe.com
Traumatisierte Lebensretter: Ärztliches Personal berichtet über Zunahme von Gewalt in Krankenhäusern
Verbale Gewalt in Form von Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen gehören für viele Ärzte in den Kliniken zum Arbeitsalltag. 12 Prozent der Klinikärzte sind häufig mit Formen verbaler Gewalt im beruflichen Umfeld konfrontiert; bei einem Drittel kommen solche verbalen Gewalterfahrungen manchmal vor. Doch das ist leider noch nicht alles.
Körperliche Gewalt im beruflichen Umfeld, beispielsweise in Form von Schlägen oder Tritten, erleben 10 Prozent der Ärzte gegen sich oder andere Mitarbeitende „manchmal“ und 2 Prozent „häufig“. 41 Prozent berichten über eine Gewaltzunahme in den vergangenen fünf Jahren. Das geht aus der Mitgliederbefragung MB-Monitor 2024 des Marburger Bundes hervor, an der in der Zeit vom 27. September 2024 bis zum 27. Oktober 2024 bundesweit 9649 angestellte Ärzte teilgenommen haben.

Zunehmende Aggression erschwert die harten Arbeitsbedingungen
„Die Umfrage-Ergebnisse zu den Gewalterfahrungen von Ärztinnen und Ärzten sind ein Alarmsignal. Ärzte stehen ohnehin täglich unter enormem Druck. Lange Arbeitszeiten, hohe Verantwortung und der ständige Kontakt mit schwerkranken Patienten führen immanent zu einer relevanten psychischen und physischen Belastung. Uns ist klar, dass bei manchen Patienten Aggressionen Teil des medizinischen Problems sind. Diese Fälle sind aber deutlich zu unterscheiden von einer Vielzahl von inakzeptablen Anfeindungen und Übergriffen, beispielsweise durch Angehörige. Diese zunehmende Aggression verschärft die ohnehin belastenden Arbeitsbedingungen und trägt zur Frustration und Erschöpfung im ärztlichen Beruf bei“, kommentierte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, die Umfrage-Ergebnisse.
Und, so Dr. Susanne Johna weiter: „Schutzmaßnahmen und ein gesellschaftliches Umdenken sind dringend erforderlich. Es kann doch nicht sein, dass diejenigen, die anderen helfen, bei ihrer Arbeit traumatisiert werden.“
Vorfälle passieren meistens in Notaufnahmen und auf den Stationen
Die vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführte Online-Umfrage ist die größte Ärzte-Befragung in Deutschland. Rund 90 Prozent der Befragten arbeiten in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, 8 Prozent in ambulanten Einrichtungen. Die Hälfte der Teilnehmer (53 %) war zum Zeitpunkt der Umfrage nicht älter als 40 Jahre. Entsprechend ihrem wachsenden Anteil in der Versorgung sind 54 Prozent aller Befragten weiblich.
Verbale oder körperliche Gewalt geht meist von Patienten oder Angehörigen aus. Die Vorfälle passieren hauptsächlich in Notaufnahmen oder auf den Stationen. Schutzmaßnahmen vor Gewalt am Arbeitsplatz, zum Beispiel Sicherheitspersonal und spezifische Schulungen wie ein Deeskalations-Training, müssen an vielen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen erst noch etabliert werden. 41 Prozent der Mitglieder des Marburger Bundes geben an, dass es solche Schutzmaßnahmen an ihrer Einrichtung gibt, genauso viele verneinen dies. 18 Prozent wissen es nicht.
Geistiger Zustand der Patienten wird oft zum Problem
In Freitext-Kommentaren konnten sich die Teilnehmenden auch zu den Ursachen für verbale oder körperliche Gewalt im beruflichen Kontext äußern. Am häufigsten genannt wurden Probleme, die im körperlichen und geistigen Zustand der Patienten begründet sind, wie Drogen- und Alkoholmissbrauch und psychiatrische Erkrankungen. Aber auch überzogene Anspruchs- und Erwartungshaltungen der Patienten, eine „allgemeine Verrohung und Enthemmung in der Gesellschaft“ und strukturelle Probleme wie lange Wartezeiten, personelle Engpässe, Ressourcenverknappung und Kommunikationsprobleme werden als Ursachen genannt.
„Wir brauchen mehr Aufklärung durch breit angelegte Kampagnen, ausreichend Personal in der direkten Patientenversorgung und adäquate Schutzmaßnahmen für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Krankenhäuser – hier ist auch die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen der Versorgung besser zu gestalten“, so Dr. Susanne Johna.
Info
Weitere Informationen und eine grafische Darstellung der Ergebnisse unter www.marburger-bund.de/monitor. pm