Lärmbelastung ist nach der Feinstaubbelastung zur zweithäufigsten Todesursache unter den Umweltbelastungen aufgestiegen. Foto: Almgren/stock.adobe.com
Tödliche Gefahr: Lärm und Feinstaub sind Herz-Kreislauf-Risikofaktoren
Umweltstressoren wie Verkehrslärm stellen weltweit eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Lärmbelastung ist damit nach der Feinstaubbelastung zur zweithäufigsten Todesursache unter den Umweltbelastungen aufgestiegen.
Eine Studie von Prof. Thomas Münzel, Forscher am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zeigt, dass Lärm innerhalb kurzer Zeit negative Auswirkungen auf Gefäße und Gehirn hat. Wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) berichtet, belegen weitere kürzlich unter seiner Mitwirkung veröffentlichte Übersichtsartikel, dass Feinstaub und Lärm global eine ernsthafte Bedrohung für die Herz-Kreislauf-Gesundheit sind und Umweltfaktoren als Gesundheitsrisiko in Forschung, Politik und Gesellschaft immer noch stark unterschätzt werden.
Erschreckend hohe Zahlen an Lärmopfern in Europa
Lärm nervt nicht nur, er schadet auch der Gesundheit: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen in Europa jährlich 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre verloren. Die Europäische Umweltagentur (EEA) berichtet, dass jährlich 113 Millionen Menschen krank machendem Straßenlärm von mehr als 55 Dezibel ausgesetzt sind. Weitere 22 Millionen müssen zu hohe Lärmwerte durch Schienenlärm und 4 Millionen durch Fluglärm ertragen; 6,5 Millionen leiden an schweren Schlafstörungen. So wird Lärm zur Todesursache.
Eine im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlichte Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, zeigt nun auf, wie Lärmbetroffene selbst aktiv werden können (Personal Mitigation Measures). Zuvor war nicht bekannt, welche pharmakologischen oder nicht-pharmakologischen Maßnahmen wirksam sind, um die Auswirkungen von Lärm zu reduzieren.
Münzel und sein Team untersuchten erstmals verschiedene Interventionen, mit denen Lärmschäden möglicherweise beeinflusst werden können. Die wirksamste Gegenmaßnahme wäre, den Lärm zu reduzieren. Neuere Berechnungen der EEA zeigen jedoch, dass der Verkehrslärm in den nächsten Jahren eher noch zunehmen wird.
Lärm wirkt schon nach wenigen Tagen negativ
Um die Auswirkungen von Fluglärm auf das Gefäßsystem zu untersuchen, wurden Mäuse ein, zwei oder vier Tage lang Fluglärm ausgesetzt. Der Lärm führte zu einem Anstieg des Stresshormonspiegels und des Blutdrucks. Es kam zu einer ausgeprägten endothelialen Dysfunktion mit Entzündungsreaktionen in den Gefäßen, was vor allem durch das Einwandern von radikalbildenden Makrophagen (Fresszellen) bedingt war. Diese Veränderungen waren nicht auf das Gefäßsystem beschränkt, sondern konnten auch im Gehirn nachgewiesen werden.
„Für mich war es überraschend, wie schnell sich Lärm bereits nach wenigen Tagen negativ auf die Gesundheit auswirkt“, sagt Münzel. Der Nachweis einer Gefäßschädigung bei Mäusen innerhalb von 24 Stunden passt auch zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe, die bei jungen Medizinstudenten bereits nach einer Nacht Flug- oder Bahnlärm eine endotheliale Dysfunktion nachweisen konnte.
Bewegung, Fasten und Medikamente helfen
In einem weiteren Schritt untersuchte das Team die Rolle der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK). Dieses Enzym wird aktiviert, wenn die Zelle hungert und neue Energiereserven aufbaut. Es wirkt auch stark entzündungshemmend und vermindert oxidativen Stress, so dass es theoretisch die Auswirkungen von Lärm mildern könnte. Es ist auch bekannt, dass AMPK durch Sport, Fasten und Medikamente stimuliert werden kann.
Um die AMPK bei den untersuchten Mäusen zu aktivieren, wurde ihnen ein siebenwöchiges „Sportprogramm“ verordnet, sie liefen freiwillig in einem Laufrad. Außerdem testeten die Forschenden die Wirkung eines achtwöchigen Fastens mit schrittweiser Nahrungsreduktion sowie einer dreitägigen Medikamentengabe (AICAR, 5-Aminoimidazole-4-Carboxamide Ribonucleotide; AMP-Analogon). Jede dieser Interventionen hob die negativen Auswirkungen des Lärms auf: Blutdruck und Radikalbildung normalisierten sich, Gefäßfunktionsstörungen gingen zurück und die Entzündungsreaktion wurde reduziert.
Die endotheliale AMP-Kinase konnte in früheren Untersuchungen als wichtiger Mediator für antientzündliche und antioxidative Stresseffekte identifiziert werden. Dies nutzte das Team in einem weiteren Schritt, um die Bedeutung des Enzyms auch in diesem Zusammenhang nachzuweisen: Die positiven Effekte von Bewegung, Fasten und pharmakologischer Aktivierung gingen bei Mäusen durch einen Knockout der endothelialen AMP-Kinase verloren.
Regelmäßige Bewegung stärkt Gefäße gegen Lärmstress
„Die Arbeit ist ein wichtiger experimenteller Hinweis und ein wunderbarer Ansatz für weiterführende klinische Studien“, sagt Münzel. Eine gute Nachricht hat die Studie für sportlich aktive Menschen: „Wer sich regelmäßig bewegt, macht seine Gefäße widerstandsfähiger gegen Lärmstress“. Möglicherweise können auch Medikamente gegen Lärmstress helfen.
Weitere Forschung zu Umweltfaktoren
In einer weiteren Arbeit gibt der Mainzer Kardiologe zusammen mit einem internationalen Forscherteam in der renommierten Fachzeitschrift HYPERTENSION einen Überblick über die Auswirkungen von Feinstaub und Lärm auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Bedeutung dramatisch zugenommen hat. Insbesondere die Luftverschmutzung (Particulate Matter 2.5µm) führt zu einer Exzessmortalität von 8.8 Millionen pro Jahr, in erster Linie aufgrund entstehender Herzkreislauferkrankungen wie der ischämischen Herzerkrankung, Schlaganfall, Diabetes und arterieller Hypertonie. In den Übersichtsartikeln von Omar Hahad et al. werden die aktuelle Epidemiologie, mögliche Ursachen und Interventionen sowie aktuelle Forschungslücken und zukünftige Herausforderungen diskutiert und betont, dass umweltbedingte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen immer noch drastisch unterschätzt werden. DGP