Großer Lärm und permanente Berieselung kann zu schweren Krankheiten führen. Wenn die Psyche angegriffen wird, können bald auch Organe und Körperfunktionen darunter leiden. Foto: contrastwerkstatt/stock.adobe.com

So macht Lärm uns krank – Aber: Ruhe muss nicht still sein

Das moderne Leben schafft eine Geräuschkulisse, die uns vom Aufstehen bis in den Schlaf hinein begleitet. Damit das auf Dauer für Körper und Geist verkraftbar bleibt, braucht jeder Mensch Phasen der Ruhe, die aber durchaus nicht still sein müssen.

Darauf weist das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hin und empfiehlt individuelle Ruhepausen anlässlich des Tages gegen den Lärm am 26. April 2023. Die Zahl der Menschen, die Hörprobleme haben, wächst jährlich. Dabei betrifft Schwerhörigkeit nicht nur alte Menschen – immer öfter ist es auch für Kinder und Jugendliche ein Thema, wie die Barmer anlässlich des Tags gegen Lärm berichtet.

Körper reagiert früh auch auf leise Geräusche

Nach dem Aufstehen Radioprogramm und Messengertöne, im Job Maschinengeräusche, Stimmengewirr oder Telefonklingeln, unterwegs Verkehrslärm, beim Einkaufen Hintergrundgedudel und Kassenpiepsen, abends erschöpft und angespannt. „Die Geräusche, die uns durch den Tag begleiten, müssen gar nicht so laut sein, dass sie unser Gehör schädigen“, sagt Jan Selzer, Lärmexperte im IFA. „Der Körper reagiert bereits viel früher.“

Deshalb rät die  Barmer zu mehr Lärmschutz bei Kindern und Jugendlichen. Elektronisches Spielzeug, dudelnde Kinderhandys, Lernspiele mit lautstarker Melodie, CD-Player für die Gute-Nacht-Geschichte, Rasseln – schon die Kleinsten leben in einer täglichen Lärmkulisse. Und auch Jugendliche sind einem permanenten Freizeitlärm ausgesetzt – von der aufgedrehten Musikanlage über den dröhnenden Fernseher bis hin zum schrillen Handyklingeln, nicht zu vergessen die zunehmende Beschallung durch Smartphones.

Lärm greift nicht nur die Psyche an

„Dabei kann die permanente Berieselung zu schweren Krankheiten führen. Lärm zerrt an unseren Nerven, greift unsere Psyche an und kann Stress-Symptome wie Kopfschmerzen, Nervosität sowie Kreislaufund Magen-Darm-Beschwerden auslösen – auch schon in jungen Jahren“, sagt Barmer-Landesgeschäftsführerin Heike Sander. Studien belegen, dass schon sehr niedrige Geräuschpegel, zum Beispiel das leise Hintergrundbrummen des Kühlschranks, eine Wirkung auf die menschliche Psyche haben können. Anspannung, Unruhe oder Stressempfinden sind mögliche Folgen.

Eine weitere Folge der akustischen Dauerberieselung sind Hörminderungen. Dies ist in der Regel jedoch ein schleichender Prozess, der erst nach Jahren erkannt wird. „Das kann sich negativ auf Sprachentwicklung, Lernleistungen und soziale Beziehungen auswirken. Denn nur wer gut hört, kann dem Unterricht und auch Gesprächen mit Freunden folgen“, so Sander. Die Kassenchefin rät deshalb, das Gehör von Kindern und Jugendlichen regelmäßig untersuchen zu lassen.    

Die persönliche Einstellung zum Geräusch fördert den Stress

Ob ein Geräusch stresst, hängt allerdings nicht allein von seiner Lautstärke ab, sondern ebenso von der eigenen Einstellung dazu. Von dieser Beobachtung leitet sich auch die Grundidee für Erholung vom Dauertrigger Lärm ab. Selzer: „Regelmäßige Ruhezeiten sind wichtig und stellen sicher, dass wir auch bei nicht gehörgefährdender Lärmeinwirkung gesund bleiben. Allerdings muss jeder Mensch für sich entscheiden, wie und wo er entspannen und loslassen kann. Dabei bedeutet Ruhe nicht zwangsläufig Stille. Denn wenn das Abschalten am besten klappt, während im Kopfhörer oder über die Anlage die eigene Lieblingsmusik erklingt, dann kann das ebenso beruhigend wirken wie ein Spaziergang im Wald – vorausgesetzt wir fahren den Lautstärkeregler nicht bis zum Anschlag!“

Eine Tragepflicht für Gehörschutz in der Bauwirtschaft besteht ab einem Wert von 85 dB(A). Foto: Matthias Merz/BG BAU Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft

Gesundheitliche Folgen ab 80 dB(A)

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) organisiert zum Tag gegen den Lärm bundesweit Aktionstage in Ausbildungszentren der Bauwirtschaft. Auszubildende erfahren dabei, was Lärm ist und wie er wirkt, wie laut Baumaschinen sind und wie man sich vor den möglichen Folgen von Lärm schützen kann. Denn auch und gerade am Bau gilt: „Mach´ mal leise.“  

Geräusche können (lebens-)wichtig sein, denkt man an Warnsignale oder laute Hilferufe. Problematisch wird es, wenn der Pegel dauerhaft und vielerorts erhöht ist. Während das, was wir im Alltag als Lärm bezeichnen, zunächst nur ein subjektives Gefühl beschreibt, gilt für höhere Schallpegel ab 80 dB(A) ganz klar: Sind wir diesen zu häufig und zu lange ausgesetzt, hat das gesundheitliche Folgen für das Gehör. Da das Gehör sich nicht selbst heilen kann, sind die Schäden zudem irreversibel.

Lärmschwerhörigkeit ist häufige Berufskrankheit

2021 war Lärmschwerhörigkeit mit 2.882 Fällen die Berufskrankheit mit den meisten Verdachtsanzeigen in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen. Rund 18 Millionen Euro jährlich gab die BG BAU in den vergangenen fünf Jahren für Heilbehandlungen, Rehabilitation und Renten aufgrund dieser Berufskrankheit aus.

Berufstätige an ihrem Arbeitsplatz vor Lärm zu schützen, ist Aufgabe der Unternehmen. Wie dies im Einzelnen umzusetzen ist, regelt die Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV). Im Idealfall wird Lärm durch den Einsatz technischer Maßnahmen bereits an der Quelle verhindert oder verringert, zum Beispiel durch leisere Maschinen oder lärmarme Arbeitsverfahren, die den Schallpegel deutlich senken. Wenn diese Optionen ausgeschöpft oder aber technisch nicht umsetzbar sind, sind organisatorische Schutzmaßnahmen hinzuziehen, wie etwa das Abtrennen lauter Arbeitsbereiche durch Schallschutzwände oder die zeitliche Begrenzung der Aufenthaltsdauer im Lärmbereich.

Ist das Lärmniveau dann immer noch zu hoch – liegt die Lärmbelastung also bei durchschnittlich 80 dB(A) am Tag -, müssen Unternehmen ihren Beschäftigten persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen, z. B. in Form von Kapselgehörschützern, Gehörschutzstöpseln oder individuell angefertigten Otoplastiken. Eine Tragepflicht besteht ab einem Wert von 85 dB(A). „Lärmschwerhörigkeit ist eine Berufskrankheit, die sich bereits mit wenigen Mitteln effektiv verhindern lässt“, so Arenz anlässlich des 26. Tages gegen Lärm.  

INFO: Im Jahr 2023 findet der „26. Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day“ statt. Seit 1998 bündelt die Deutsche Gesellschaft für Akustik e. V. als Initiatorin des Tages die deutschlandweiten Aktivitäten der Partnerorganisationen.