Das lange Sitzen am Schreibtisch fördert Rückenschmerzen, schadet Muskeln und Gelenken. In den Berufsalltag eingebaute Bewegung ist das beste Gegenmittel. Foto: Pixel-Shot/stock.adobe.com
Sitzen ist das neue Rauchen – So lässt sich Schreibtischarbeit rückenfreundlicher gestalten
Der vielzitierte Ausspruch „Sitzen ist das neue Rauchen“ bringt es eindrücklich auf den Punkt: Langes Verharren in sitzender Position wirkt sich in vielfältiger Weise negativ auf die Gesundheit aus. Warum speziell der Rücken unter der bewegungsarmen Körperhaltung leidet und wie man sitzbedingten Schmerzen effektiv vorbeugen kann, erklärt Arbeitsmedizinerin Dr. Alana Wernik.
Nicht für das Sitzen geschaffen
Viele Menschen verbringen ihren Arbeitsalltag durchgängig an ihrem Schreibtisch. „Dabei ist der Mensch gar nicht für dauerhaftes Sitzen geschaffen“, erläutert Wernik. Denn mit den weichen, elastischen Bandscheiben zwischen den Wirbeln stelle der Rücken eigentlich ein biegsames Gerüst dar, das auf Dynamik und ständige Bewegung ausgelegt sei. „Bei Mangel an Bewegung verformt es sich, die Rückenmuskulatur verkürzt sich und wird schwächer“, so die Expertin. „Das betrifft nicht nur die Lendenwirbelsäule, die Schultern oder den Nacken, sondern unser gesamtes Skelett-System, das in der Folge dann eben nicht mehr so flexibel ist.“
Mögliche Konsequenzen: Muskelblockaden, schmerzende Stellen und im Extremfall Bandscheibenvorfälle. Unter Bewegungsmangel und einer Verkürzung der Muskeln leidet gemäß Wernik letztlich der gesamte Körper. „Es erfordert aktive Tätigkeit, unseren Bewegungsapparat mit Blut und damit mit Sauerstoff, Mineralien und Mikronährstoffen zu versorgen. Wir müssen uns bewegen, damit die Durchblutung nicht an manchen Stellen blockiert wird“, erläutert sie.
Digitalisierung verstärkt das Sitzproblem
Homeoffice, virtuelle Meetings und Co. – die zunehmende Digitalisierung des (Büro-)Alltags macht viele Wege überflüssig bzw. ermöglicht es, einen immer größeren Teil der Arbeit vom Schreibtisch aus zu erledigen. So komfortabel dies auf den ersten Blick erscheint, so schlägt sich doch insbesondere bei Menschen der Generation 50 plus der daraus resultierende Bewegungsmangel schnell in Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich nieder. Laut Wernik liegt dies nicht nur an altersbedingten Verschleißerscheinungen von Muskulatur, Knochen und Gelenken: „Anders als die sogenannten ‚Digital Natives‘ ist ihnen die Nutzung von Smartphone, Internet und Co. nicht von klein auf in Fleisch und Blut übergegangen. Sie müssen sich im Umgang mit diesen Technologien stärker konzentrieren und sind dadurch vielleicht innerlich angespannt“, erklärt Wernik.
Dies sorge dafür, dass sie ihre Muskeln – zum Beispiel durch Hochziehen der Schultern – unbewusst verkrampfen. Auch die Abnahme der Sehkraft spiele hier hinein: „Wenn dann eine Gleitsichtbrille dazu kommt, wird der Kopf nach hinten gebeugt, um den Bildschirm durch den richtigen Teil der Brille sehen zu können.“
Rückengesundheit als Teil des Arbeitsalltags
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versuchen, dem passiven Büroalltag mit sportlichen Aktivitäten nach Feierabend entgegenzusteuern. „Einen Mangel an körperlicher Bewegung während der Arbeitszeit kann man aber nicht ausgleichen, indem man dreimal pro Woche Sport macht“, berichtet Wernik. Die Stärkung der Rückengesundheit müsse vielmehr schon Teil des Arbeitsalltags sein.
Der erste Schritt sei eine ergonomische Sitzgelegenheit. „Wenn man es genau nimmt, sollte jeder Stuhl individuell an die jeweiligen Mitarbeitenden angepasst werden“, so die Arbeitsmedizinerin. Aber auch der beste Bürostuhl ändere nichts daran, dass Sitzen auf Dauer problematisch sei. Da helfe nur Bewegung. „Es geht nicht darum, gar nicht mehr zu sitzen, sondern möglichst häufig zwischen sitzender und stehender Position abzuwechseln“, fasst die Arbeitsmedizinerin zusammen. „Natürlich ersetzt das nicht jegliche sportliche Betätigung, aber es hilft, die sitzende Zeit so aktiv wie möglich zu gestalten.“
Schmerzen im Büroalltag vorbeugen – so geht’s!
Auf und ab!
Dynamik in den Arbeitsalltag bringen mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch: Er ermöglicht es, immer wieder ganz komfortabel vom Sitz- in den Stehmodus zu wechseln – und umgekehrt.
Jede Gelegenheit nutzen, die Sitzposition zu verlassen. Zum Beispiel aufstehen und zum Drucker gehen, anstatt mit langen Armen vom Stuhl aus nach dem Papier zu greifen.
Hoch die Hände!
Beim Lesen von Texten oder Telefonieren die Schultern kreisen lassen oder große Achten mit den Armen über dem Kopf in die Luft zeichnen – das lockert Schulter- und Nackenmuskulatur und fördert die Durchblutung.
Bei Stühlen mit schwingender Sitzfläche auch mit der Hüfte eine imaginäre Acht nachfahren.
Wände verschieben!
Beim sogenannten Steh-Liegestütz wird die klassische Liegestütz-Bewegung nicht auf dem Boden liegend ausgeführt, sondern mit den Handflächen gegen eine Wand oder einen hohen Schrank gerichtet.
Den Körper bei Schmerzen unterstützen!
Schmerzhafte Muskelverkrampfungen und Verspannungen in Rücken, Nacken oder Schultern trotz aller präventiven Maßnahmen? Diese soll man nicht einfach ertragen oder aussitzen, denn eine durch den Schmerz ausgelöste Schonhaltung kann die Problematik weiter verstärken.
In akuten Schmerzphasen kann ein äußerlich an der schmerzenden Stelle aufgetragenes Schmerzmittel helfen, wie zum Beispiel doc Ibuprofen Schmerzgel. Äußerlich angewendet gelangt der Wirkstoff direkt an den Schmerzort und belastet nicht unnötig den Organismus, wie dies bei der Einnahme einer Schmerztablette der Fall sein kann.
Jede Bewegung zählt!
In Auto, Bus oder Bahn sitzt man schon wieder – den Weg zur Arbeit oder zumindest ein Teil davon daher am besten per Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen. Eine Station früher aussteigen, macht bereits einen Unterschied!
Den Fahrstuhl konsequent ignorieren und lieber mit großen Schritten die Treppe nehmen.
Bei längeren Telefonaten auf und ab gehen – ein kabelloser Hörer für das Festnetztelefon oder ein Headset für das Handy machen’s möglich. pm