Unser Bild zeigt Dr. Andreas Becker, Oberarzt am Institut für Anästhesiologie im RKH Krankenhaus Neuenbürg, bei der Durchführung einer Regionalanästhesie. Foto: RKH Enzkreis-Kliniken
Regionalanästhesie: Weniger Nebenwirkungen, schmerzfreies Erwachen, schnelle Erholung
Eine Operation ist für den Patienten im Vergleich zum Ärzte- und Pflegeteam im Krankenhaus nichts Alltägliches. Und die Angst vor einer Vollnarkose ist weit verbreitet. Aber: Eine moderne Regionalanästhesie ist heutzutage bei vielen Operationen schon Standard.
Haben Narkosen eigentlich Einfluss auf unser Gehirn? Und wie ist das mit Operationen bei risikobehafteten und älteren Menschen? Viele Patienten wissen nicht, dass mittlerweile bei zahlreichen Eingriffen im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie eine Vollnarkose nicht mehr zwingend notwendig und eine Regionalanästhesie völlig ausreichend ist.
Ultraschall-Technik revolutioniert das Narkotisieren
Seit über zehn Jahren revolutioniert die Ultraschall-Technik auch das Gebiet der Narkosen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem unter Anwendung von Ultraschall zielgenau Nerven blockiert werden. Dadurch kann einerseits der Schmerzmittelbedarf während der Operation reduziert, andererseits eine Schmerzvermeidung nach der Operation erzielt werden. Nur mit entsprechenden Ultraschall-Geräten und sehr guten Kenntnissen in der Anatomie ist eine exakte Darstellung der Nerven möglich.
Die spezielle Ausschaltung von Einzelnerven oder Nervengeflechten ermöglicht es dem Anästhesisten, zum Beispiel einen Arm oder ein Bein für eine Operation komplett zu betäuben. Eine klassische Vollnarkose wird so in vielen Fällen überflüssig und durch einen tiefen Schlaf ersetzt.
Enorme Vorteile der Analgosedierung
Der Vorteil dieser als Analgosedierung bezeichneten Narkose ist enorm: Minimierung der Narkose-Nebenwirkungen wie Übelkeit und Desorientiertheit, schmerzfreies Erwachen und schnelle Erholung. Man ist nach dem Eingriff wieder den Umständen entsprechend fit.
Zudem eröffnet sich ein weites Spektrum der Schmerztherapie. Mit der Anlage eines Schmerzkatheters bei der Operation lässt sich in der Folge mit kleinen, tragbaren, programmierten Pumpen die Schmerzausschaltung über den Katheter bis zu mehreren Tagen nach der Operation fortführen. Zusätzlich kann sich der Patient bei Bedarf Einzeldosen verabreichen, falls sich Schmerzen ankündigen, um sie zu vermeiden.
Auch die anschließende Physiotherapie und Mobilisierung gestalten sich effektiver mit verbessertem Therapieergebnis. Denn ohne oder mit zumindest weniger Schmerzen bewegen sich die Patienten viel freier, was zu einer schnelleren Heilung führt.
Von der Regionalanästhesie profitieren alle Patienten. Eingriffe bei risikobehafteten und älteren Menschen werden eher möglich und Risiken wie ein Verwirrtheitszustand nach der Operation, das sogenannte postoperative Delir, und die Beeinträchtigung der Denkleistung, das kognitive Defizit, verlieren an Bedeutung.
Mit 92 eine Schulteroperation ohne Probleme überstanden
Dies erlebte kürzlich eine 92-jährige Patientin, die im RKH Krankenhaus Neuenbürg an der Schulter operiert werden musste. Sie hatte zunehmende, zuletzt unerträgliche Schmerzen in der rechten Schulter. Nach gründlicher Voruntersuchung und interdisziplinärer Absprache zwischen Orthopäden und Anästhesisten konnte die Operation geplant werden.
Entscheidend in den Überlegungen war die Möglichkeit, den Eingriff in Regionalanästhesie durchzuführen. Dadurch lässt sich eine hohe Stabilität aller Körperfunktionen gewährleisten. Die Schultergelenksprothese wurde erfolgreich mit einer speziellen, ultraschallgesteuerten Regionalanästhesie inklusive Katheter und abgespeckter Vollnarkose eingesetzt. Durch die Injektion eines Lokalanästhetikums wurden die Nervenstränge des Plexus brachialis vorübergehend ausgeschaltet. Der Plexus brachialis ist ein Nervengeflecht, das aus fünf Spinalnerven gebildet wird, die Schulter und Arme versorgen.
„Nach dem Eingriff war die Patientin hellwach und komplett schmerzfrei. In den folgenden drei Tagen garantierte die Schmerzpumpe eine optimale Schmerzfreiheit auch unter begleitender Physiotherapie“, so Dr. Andreas Becker, Oberarzt am Institut für Anästhesiologie im RKH Krankenhaus Neuenbürg. „Heute kann die 92-jährige Patientin schmerzfrei bei guter Beweglichkeit der operierten Schulter ihr Leben wieder selbständig gestalten“, stellt der Facharzt für Anästhesiologie und Spezialist für Regionalanästhesie fest, der zum 1. Oktober 2022 von den Sana Kliniken Bad Wildbad an das RKH Krankenhaus Neuenbürg gewechselt war. pm