Allein in Deutschland sind rund 2,8 Millionen Menschen von nächtlichen Wadenkrämpfen betroffen. Nicht immer hilft es, Magnesium einzunehmen. Foto: Cassella-med GmbH & Co. KG/Frank Rossbach

Nächtliche Wadenkrämpfe sind ein Albtraum für Betroffene

Schmerzhafte nächtliche Wadenkrämpfe sind weder eine Lappalie, noch sind sie selten. Allein in Deutschland sind rund 2,8 Millionen Menschen davon betroffen, und nicht immer lässt sich eine eindeutige Ursache für die quälenden Krämpfe finden.

Wadenkrämpfe ohne Vorwarnung

Ohne Vorwarnung auftretende anfallsartige Muskelkontraktionen, die von heftigen Schmerzen begleitet werden: Für Menschen, die unter nächtlichen Wadenkrämpfen leiden, ist dies ein immer wiederkehrender Alptraum. Der Leidensdruck ist enorm, denn neben den oft bis in den Tag hinein anhaltenden Schmerzen können Muskelverletzungen, chronischer Schlafmangel und Erschöpfung die Lebensqualität massiv beeinträchtigen.

Hinzu kommt, dass Menschen, die über nächtliche Wadenkrämpfe klagen, in ihrem Umfeld oft wenig Verständnis finden, sich deshalb verunsichert zurückziehen und nach einigen – häufig erfolglosen – Versuchen der Selbstmedikation resignieren. Vielen Betroffenen ist nicht bewusst, dass eine gründliche medizinische Abklärung möglicher Ursachen und Auslöser auch wirksame Therapieoptionen eröffnen kann. Hier möchte die Patienteninitiative „Gute Nacht Wadenkrampf“ Abhilfe schaffen und Betroffene ermutigen, ihren nächtlichen Qualen mit professioneller Unterstützung ein Ende zu bereiten.

Selbstmedikation mit Magnesium

In der Selbstmedikation zählt die Einnahme von Magnesium zwar zu den häufig empfohlenen Maßnahmen, eine Linderung wird allerdings nur dann erzielt, wenn tatsächlich ein Magnesiummangel für die Krämpfe verantwortlich ist. Da nur bei rund 10 % der Bevölkerung ein erheblicher Magnesium-Mangel vorliegt, ist der Nutzen von Magnesium in der Vorbeugung von Muskelkrämpfen dementsprechend begrenzt.

Vorbeugende Maßnahmen wie zum Beispiel spezielle und regelmäßige Dehnübungen können das Auftreten der Krämpfe reduzieren und in der Akutsituation lindern. Bei wiederholt auftretenden schmerzhaften Wadenkrämpfen ist der Besuch der ärztlichen Praxis zur Abklärung möglicher Ursachen ein erster Schritt, um den oft jahrelangen Leidensweg zu beenden.

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Drei Fragen an Dr. med. Carsten Schumann

Dr. med. Carsten Schumann ist Facharzt für Neurologie im NeuroCentrum Odenwald. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen mit Betroffenen nächtlicher Wadenkrämpfe, die altersunabhängig auftreten können.

1. Welche Patienten kommen mit nächtlichen Wadenkrämpfen zu Ihnen?

In der neurologischen Praxis sehe ich am häufigsten ältere Patienten, überwiegend Frauen, die Muskelkrämpfe beklagen. Auffälligkeiten in Hinsicht auf das Bildungsniveau, frühere berufliche Tätigkeiten oder den Familienstand sind nicht erkennbar. Die meisten versuchen, ihr Leiden durch die Einnahme von Magnesium zu lindern. Bei einigen Patienten sind Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder eine Niereninsuffizienz vorhanden. Auch Alkoholmissbrauch ist ein gelegentliches Problem. Schwierig finde ich die Frage, ob die Beschwerden durch die Einnahme von Medikamenten ausgelöst werden könnten. Zwar ist es möglich, dass die Muskelkrämpfe durch die Einnahme von Betablockern, Statinen oder Ähnlichem begünstigt werden. Die Medikamente zu pausieren ist allerdings aufgrund der Vorerkrankungen oftmals nicht umzusetzen.

Jüngere Betroffene sind meist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Durch Recherchen im Internet haben sie aufgrund ihrer Symptome Sorge, dass es sich um eine neurologische bzw. muskuläre Erkrankung wie zum Beispiel eine Myopathie handeln könnte. Diese Diagnose kann jedoch nur bei einer sehr geringen Anzahl der Betroffenen gestellt werden. Oft lässt sich keine Ursache und kein Auslöser für nächtliche Wadenkrämpfe finden.

2. Wie nehmen Sie die Erkrankung wahr?

Die Schmerzintensität der Krämpfe wird von den Betroffenen sehr unterschiedlich geschildert. Einige haben sehr starke Schmerzen, die sie erheblich beeinträchtigen, andere geben eine mildere Symptomatik an. Auch die Dauer der Muskelkrämpfe ist sehr unterschiedlich. Manche Patienten erleben sehr lang anhaltende mehrstündige Muskelkrämpfe. Das ist medizinisch nicht zu erklären und es handelt sich dabei vermutlich um Muskelschmerzen, die nach einem schweren Krampf auftreten können.

Insbesondere bei älteren Patienten treten die Muskelkrämpfe schon jahrelang regelmäßig auf, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Die Schmerzen und die Beschwerden steigen mit zunehmendem Alter an. Sie fühlen sich in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt, nicht unwesentlich auch durch die Störung der Schlafqualität. Oftmals fühlen sie sich tagsüber nicht mehr leistungsfähig. Mein Eindruck ist, dass die Betroffenen sich mit ihren Beschwerden sehr alleingelassen fühlen. In der Familie wird darauf nach all den Jahren nicht mehr eingegangen. Der primäre Ansprechpartner ist der Hausarzt oder der Apotheker. Diese empfehlen aber häufig nur die Einnahme von Magnesium. Viele Betroffene folgen dem Rat und nehmen regelmäßig hochdosiertes Magnesium, was ihnen nicht hilft. Als Resultat thematisieren sie ihre Probleme nicht mehr, da sie keine Hilfe oder Unterstützung mehr erwarten.

3. Warum sollten Betroffene den Arztbesuch nicht hinauszögern?

Sofern Muskelkrämpfe ein wiederkehrendes Problem darstellen, ist es sinnvoll, zumindest einmal einen Arzt aufzusuchen, um die Beschwerden weiter abzuklären. Gelegentlich ergeben sich sehr einfache Lösungen zur Behandlung der Beschwerden. Außerdem sollten Laboruntersuchungen durchgeführt werden, um weitere Ursachen für die Muskelkrämpfe abzuklären. In den meisten Fällen handelt es sich um einfache Untersuchungen mit einem geringen Aufwand.

Es ist wichtig, mit den Betroffenen eine Therapie zu besprechen, um ein Bewusstsein zu schaffen, wie ein Muskelkrampf in einer Akutsituation gelindert oder beendet werden kann. Außerdem versuchen wir mit vorbeugenden Maßnahmen, zum Beispiel Dehnübungen, das Auftreten der Krämpfe zu reduzieren.

Der Nutzen von Magnesium in der Vorbeugung von Muskelkrämpfen scheint insgesamt sehr begrenzt zu sein und ist nicht gut belegt. Zum Teil werden sehr hohe Dosierungen eingenommen, die Nebenwirkungen verursachen können. Wenn diese Maßnahmen keine Wirkung erzielen, kann eine medikamentöse Behandlung weiterhelfen. Dabei ist es sinnvoll, für einige Wochen ein Tagebuch zu führen, um zu prüfen, ob die Beschwerden gelindert werden.

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Neuer Online-Selbsttest  

Die Patienteninitiative „Gute Nacht Wadenkrampf“ bietet auf ihrer Website www.gute-nacht-wadenkrampf.de den Betroffenen umfassende Informationen, Serviceangebote und Patientenbroschüren zum Download. Ein neuer Online-Selbsttest hilft dabei, die eigenen Beschwerden besser einzuschätzen, mögliche Ursachen zu identifizieren und mehr Hintergrundinformationen zum eigenen Krankheitsbild zu erhalten. Neben Videos der von Experten speziell für dieses Krankheitsbild entwickelten Dehnübungen finden sich zur guten Vorbereitung eines Arztgesprächs eine Checkliste sowie ein Schmerztagebuch zur Dokumentation der Wadenkrämpfe.

„Gute Nacht Wadenkrampf“ ist eine Initiative der Cassella-med GmbH & Co. KG. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Betroffenen, die unter schmerzhaften nächtlichen Wadenkrämpfen leiden, umfassend mit Informationen und Hilfe zur Seite zu stehen. Seit 2020 ist die Initiative ein Fördermitglied der Deutschen Schmerzliga e. V.