In einer Studie hat Pharmakologin Prof. Dr. Petra Thürmann festgestellt, dass viele ältere Menschen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Medikamente einnehmen, die nicht mehr gebraucht würden. Foto: Beaunitta Van Wyk/peopleimages.com/stock.adobe.com
Medikation im Alter: Gefährliche Nebenwirkungen, problematische Wirkstoffe
Viele ältere Menschen nehmen regelmäßig Medikamente ein, die eigentlich gar nicht für sie geeignet sind – oft zu lange und zu hoch dosiert. Denn selbst vermeintlich harmlose Nebenwirkungen können diese Menschen schwer treffen. Im Beipackzettel bildet sich das nicht ab.
„Da steht zum Beispiel ganz neutral ’10 Prozent der Menschen könnten Schwindel erleiden‘, ohne Unterscheidung nach Altersgruppe“, erklärt die Pharmakologin Prof. Dr. Petra Thürmann im Interview mit dem Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“. Das Problem: Schwindel kann zum Sturz führen – mit schlimmen Folgen im Alter. „Ein Sturz durch Schwindel bedeutet mit 85 Jahren etwas ganz anderes als mit 20 Jahren, zum Beispiel eine gebrochene Hüfte, eine Operation unter Narkose und anschließend viel Zeit im Bett“, sagt Thürmann.
Was können Angehörige tun?
In einer Studie hat die Expertin festgestellt, dass viele ältere Menschen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Medikamente einnehmen, die nicht mehr gebraucht würden – von Magenschutz bis Psychopharmaka.
Thürmanns Tipps für Angehörige: Beim Entlassungsgespräch dabei sein, beim Medikationsplan aufpassen, wissen, was der Angehörige einnimmt und was er demnächst absetzen könnte. Kurzarztbrief und Medikationsplan erklären lassen, auf mögliche Nebenwirkungen und Pläne zum Absetzen von Medikamenten eingehen und auch im Anschluss die Person gut beobachten. Auch hilfreich: Die Priscus-Liste, die problematische Wirkstoffe aufzählt und Alternativen mit weniger Nebenwirkungen benennt. Sie gibt es als Broschüre im Internet unter www.a-u.de/1096609.
Polymedikationsberatung in der Apotheke
Und dann wäre da noch der Gang zum Apotheker, wenn es Medikamente und ihre gegenseitige Beeinflussung geht. „Man muss sich vor Augen führen, dass sich ein Laie schwertut, die Gewichtung von Nebenwirkungen im Beipackzettel vorzunehmen. Bei Wechselwirkungen ist ein Patient eigentlich chancenlos. Da braucht es schon den Apotheker als Arzneimittelfachmann, um eine aussagekräftige Aussage bezüglich der Verträglichkeit zu treffen. Eine Analyse der Medikation stellt nach meiner Erfahrung für die Patienten in vielerlei Hinsicht eine große Hilfe dar“, sagt der Pforzheimer Apotheker Dr. Holger Isensee on der Pregizer Apotheke.
Jeder siebte Deutsche muss langfristig oder dauerhaft mindestens fünf Medikamente einnehmen. Bei den Über-65-Jährigen sind es sogar 43 Prozent. Das heißt, mindestens fünfmal den Beipackzettel studieren, um dann als Laie bei Wechselwirkungen, Unverträglichkeiten oder Doppelverordnungen zu kapitulieren. Manchmal führt der Medikamentenmix (Polymedikation) dazu, dass sich bestimmte Wirkstoffe gegenseitig so beeinträchtigen, dass sich die gewünschte Heilwirkung nicht einstellt. Dies kann zu einer Einschränkung der Lebensqualität oder sogar zu einer akuten gesundheitlichen Krise führen.
„Die Krankenkassen haben verstanden, dass viele Komplikationen und sogar Krankenhausaufenthalte durch eine fundierte Analyse vermieden werden können. Deshalb hat jeder Versicherte, der fünf und mehr Medikamente dauerhaft einnimmt, Anspruch auf eine solche Polymedikationsberatung in der Apotheke“, so Isensee. pm/tok