
Besonders viel zu tun hat Europa noch im Kampf gegen durch Viren ausgelöste Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Erkrankungen: 50.000 Menschen starben 2021 daran. Es müsste noch viel mehr und für jeden leicht zugängliche Testangebote geben, um erfolgreich gegen diese Krankheiten vorzugehen. Foto: jarun011/stock.adobe.com
HIV, Hepatitis, Tuberkulose: In Europa sterben Zehntausende an vermeidbaren Infektionskrankheiten
HIV, virale Hepatitis, Tuberkulose – diese Infektionskrankheiten haben eines gemeinsam: Sie sind vermeid- und behandelbar. Und trotzdem sterben mitten in Europa Menschen daran. Rund 35.000 Tote pro Jahr gehen allein auf das Konto des Hepatitis C-Virus – dabei lässt sich eine Erkrankung in der Regel innerhalb weniger Wochen mit Medikamenten heilen.

HIV muss kein Todesurteil mehr sein, Tuberkulose ist zumeist heilbar
An dem Immunschwächevirus HIV müsste heute niemand mehr sterben – einer Infektion lässt sich vorbeugen, zum Beispiel medikamentös mittels Präexpositionsprophylaxe (PrEP), und eine Erkrankung kann man lebenslang mit Arzneimitteln im Schach halten. Und trotzdem fielen in der Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EEA) zuletzt noch immer rund 3300 Menschen den Folgen von AIDS zum Opfer, wie aus dem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervorgeht.
Auch Tuberkulose traf 2023 etwa 3550 Menschen tödlich – bei frühzeitiger Therapie wäre diese durch Bakterien verursachte Erkrankung meist heilbar.
Wenig Fortschritte im Kampf gegen Hepatitis
Besonders viel zu tun hat Europa noch im Kampf gegen durch Viren ausgelöste Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Erkrankungen: 15.500 und 35.000 Menschen starben 2021 daran – aktuellere Daten gibt es laut ECDC nicht. Wirklich große Fortschritte sieht die Gesundheitsbehörde in letzter Zeit nicht.
Vor Hepatitis B können Impfungen schützen; bei chronischen Verläufen kommen Medikamente zum Einsatz. Im Fall von Hepatitis C gibt es zwar keine Vakzine – doch in der Regel ist eine Erkrankung innerhalb weniger Woche relativ nebenwirkungsarm heilbar.
Infektionskrankheiten wie Hepatitis besser bekämpfen
Ziel der Weltgemeinschaft ist es eigentlich, HIV, virale Hepatitis, Tuberkulose und sexuell übertragbare Infektionskrankheiten bis 2030 als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu eliminieren. Doch mit Blick auf die Zwischenziele für 2025 zeigt sich: Es läuft nicht rund.
„Diese Krankheiten sind vermeidbar, ebenso wie die Belastungen, die sie für das Gesundheitswesen, die Patienten und ihre Familien darstellen. Wir haben fünf Jahre, um zu handeln; wir müssen sie nutzen“, so ECDC-Direktorin Dr. Pamela Rendi-Wagner.
Hepatitis B und C erhalten 30 Prozent mehr Diagnosen
Dem Robert Koch Institut (RKI) wurden 2023 überraschende 22.875 HBV-Infektionen gemeldet, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 36 Prozent. Hinzu kamen 10.512 Menschen mit neu festgestellter HCV-Erkrankung (plus 30 Prozent). Das geht aus dem Epidemiologischen Bulletin 29/2024 hervor, das die Forschungseinrichtung des Bundes herausgibt.
Was nach einem außer Kontrolle geratenen Infektionsgeschehen klingt, ist in Wahrheit das Ergebnis von mehr Testung und besserer Diagnose – nach dem Motto: Wer suchet, der findet. Darauf weisen verschiedene Studien hin. Mögliche Gründe für den starken Anstieg, so das Institut, sind das 2021 eingeführte HBV- und HCV-Screening im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung für Personen ab 35 Jahre, die elektronische Meldung von Labornachweisen und „die Fluchtmigration aus der Ukraine seit 2022, wo die HBV- und HCV-Prävalenz höher als in Deutschland ist.“ Nicht die Zahl der Erkrankten steigt stark an, es gelingt offenbar nur immer besser, Licht in das Dunkel des Infektionsgeschehens zu bringen.
HBV und HCV: Mehr Diagnosen – mehr Therapiemöglichkeiten
Das ist insofern eine gute Nachricht, weil nur die Menschen, die von ihrer Infektion wissen, sich auch behandeln lassen können. HBV und HCV, darauf hat die Weltgesundheitsorganisation hingewiesen, sind derzeit nach COVID-19 „die tödlichsten viralen Infektionen. Denn sie verursachen Leberentzündungen, die aufgrund der häufigen Chronifizierung der Infektionen oft schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.“
Vor HBV kann eine Impfung schützen; laut RKI ist sie „sehr wirksam“ und bietet einen „lebenslangen Schutz“. Eine bereits erfolgte Infektion ist mit antiviralen Arzneimitteln behandelbar, „die die Virusvermehrung unterdrücken und so die Progression der Lebererkrankung verhindern können. Ein vollständiges Ausheilen einer chronischen HBV-Infektion ist selten, aber eine langfristige Kontrolle der Viruslast ist mit der richtigen Therapie möglich.“
Gegen HCV hingegen gibt es bis heute keinen Impfstoff, dafür aber hochwirksame Medikamente: „Mehr als 95 Prozent der Infektionen können so geheilt, und Spätfolgen und Übertragungen somit vermindert werden.“ Damit stehen die Instrumente zur Verfügung, beide Virushepatiden massiv zurückzudrängen – und zu eliminieren.
Testen ist die Basis für das Eliminieren von Hepatitis
Was also muss geschehen? Die Antwort lautet: Testen, testen, testen. „Um sich dem Ziel der Elimination anzunähern, sollten insbesondere Gruppen, in denen aktuell Infektionen übertragen werden, ein Testangebot, verbunden mit einer Behandlung und Zugang zu Maßnahmen der Prävention erhalten. Das betrifft insbesondere Menschen, die Drogen konsumieren, Menschen in Haft, Menschen mit sexuellen Risiken und aus Hochprävalenzländern. Die entsprechenden Angebote sollten zielgruppenspezifisch implementiert werden, um die Personen in ihrer jeweiligen Situation gut zu erreichen.“
Ob wir in Deutschland HBV und HCV eliminieren, ist weder eine Frage des „Wie“ noch des „Womit“. Es ist nur eine Frage, ob es gelingt, pharmazeutische Innovationen dort zur Verfügung stellen, wo sie gebraucht werden. pm/pharma-fakten.de