
Beige ist weltweit die meistgewählte Wohnzimmerfarbe der vergangenen fünf Jahre. Experten warnen aber, dass Kinder diese Räume anders erleben. Von Beige oder Grau und gedeckten Farbtönen dominierte Umgebungen könnten die Möglichkeiten zur sensorischen Erkundung von Kindern einschränken. Foto: pexels/vidaXL
Generation Beige: Schmälern eierschalen- oder cremefarbige Räume die kindliche Entwicklung?
Welche Farbe macht uns glücklich, beruhigt, fördert die Konzentration oder bereitet uns Unwohlsein oder gar Ängste? Eine neue internationale Studie untersucht, wie sich minimalistische Innenräume auf die Kreativität, die Sinnesentwicklung und das Wohlbefinden von Kindern auswirken können. Ins Blickfeld geraten ist dabei eine populäre Farbe, die irgendwie immer passt, überall zu finden ist, die nach geschmacklichem Durchschnitt oder der einzig wahren DIN-Norm für alle Lebenslagen aussieht. Aber tut uns Beige in seinem Spektrum zwischen eierschalen- und cremefarbig wirklich gut?
Neutral und minimalistisch wohnen in Beige
Von Instagram-Feeds bis hin zu Einrichtungsausstellungen sind neutrale Farbtöne überall zu finden. Die Ästhetik des „Zuhauses in Beige“, die für ihre klare, minimalistische Anziehungskraft geschätzt wird, hat sich zu einem globalen Designtrend entwickelt. Ob es vielleicht auch daran liegt, dass Beige gar nicht wirklich als „echte“ Farbe, als klares Statement gesehen, sondern eher als unentschiedener, etwas langweiliger, bei niemandem aneckender Farbton gesehen wird? Beige als etwas mutloser Kompromiss, als kleinster gemeinsamer Nenner? Zugleich muss man anerkennen: Beige ist Everybody’s Darling und weltweit die meistgewählte Wohnzimmerfarbe der vergangenen fünf Jahre.
Aber Pädagogen äußern Bedenken: Könnte das Aufwachsen in farblosen Wohnungen die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen? Eine Studie von vidaXL, einem internationalen Wohnraumgestaltungs-Unternehmen für Haus und Garten, hat sich auf die Spur der möglichen Nachteile des Beige-Trends gemacht. Die Untersuchung befasst sich damit, wie sich Farben (oder vielmehr ihr Fehlen) in Innenräumen auf die Kreativität, den emotionalen Ausdruck und die Sinneswahrnehmungen von Kindern auswirken können.
Gedämpfte Häuser, gedämpfte Sinne
Während neutrale Innenräume Erwachsene aufgrund ihrer ruhigen, klaren Ästhetik ansprechen mögen, warnen Experten davor, dass Kinder diese Räume anders erleben. Studien deuten darauf hin, dass Umgebungen, die von Beige oder Grau und gedeckten Farbtönen dominiert werden, die Möglichkeiten zur sensorischen Erkundung einschränken können, da sie weniger visuelle und taktile Reize bieten, die Neugier auslösen.
Der Verbraucherpsychologe Patrick Wessels erklärt: „Das Gehirn von Kindern funktioniert anders als das von Erwachsenen. Kinder benötigen ein gewisses Maß an Reizen, um aufmerksam, neugierig und lernbereit zu bleiben. Die Arousal Theory zeigt, dass das Gehirn bei zu wenig visueller Stimulation unter das optimale Aktivierungsniveau fällt. Beige und andere neutrale Farbtöne regen daher weniger dazu an, zu entdecken, zu experimentieren und dem, was sie sehen, Bedeutung zu geben.“
Kulturelle Unterschiede sind wichtig
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder in verschiedenen Kulturen unterschiedlich auf Farben reagieren. In Ländern wie den Niederlanden, Deutschland und Schweden sind minimalistische Innenräume weit verbreitet, während in anderen Regionen Kinderzimmer eher mit lebhaften, verspielten Farbtönen gestaltet sind. Diese Unterschiede verdeutlichen, welchen Einfluss lokale Traditionen und Erziehungsnormen sowohl auf Designentscheidungen als auch auf die Ergebnisse der kindlichen Entwicklung haben.
„Beige und neutrale Farbtöne sind in den letzten Jahren unglaublich beliebt geworden. Viele Eltern entscheiden sich für reizarme, minimalistische Räume, aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Kinder in farbenfrohen Umgebungen, mit unterschiedlichen Texturen und verspielten Kontrasten gut gedeihen“, sagt Berta, Leiterin der Abteilung Commercial Operations Services bei vidaXL.
Langfristige Auswirkungen
Experten warnen davor, dass eine verminderte sensorische Vielfalt zu Hause langfristige Auswirkungen haben kann. Reichhaltige Sinneseindrücke sind mit stärkeren Problemlösungsfähigkeiten und emotionaler Resilienz verbunden. Kinder, die in neutralen Räumen aufwachsen, laufen Gefahr, Chancen zu verpassen, die für die Entwicklung ihrer Fantasie und den Umgang mit Emotionen wichtig sind.
Der Verbraucherpsychologe Wessels erläutert weiter: „Kinder entwickeln ihr Gehirn durch Wiederholung, Abwechslung und sensorische Reize. Das Gehirn wächst durch Kontrast, Farbe und Textur. Aus der Neuroplastizität wissen wir, dass neue Reize neue Verbindungen im Gehirn schaffen. Eine monotone Umgebung bietet zwar die Ruhe, die Erwachsene suchen, doch sie fehlt an den Reizen, die Kinder für ihre Entwicklung benötigen.“
Farben, Gefühle, Räume – wie Wandfarben unsere Emotionen steuern
Farben sind viel mehr als dekorative Gestaltungselemente. Sie beeinflussen unbewusst, aber messbar unsere Stimmung, unsere Konzentrationsfähigkeit, sogar unsere körperliche Entspannung. In Wohnungen wirken Wandfarben besonders stark, weil sie uns lange und oft umgeben. Psychologen und Innenraumforscher bestätigen: Die Farbwahl kann darüber entscheiden, ob wir uns in einem Raum wohlfühlen, gestresst sind oder zur Ruhe kommen.
Unser Gehirn verarbeitet Farben sehr schnell – noch bevor wir bewusst erkennen, was wir sehen. Über Millionen Jahre Evolution hat sich ein intuitives Farbverständnis entwickelt: Blau signalisiert Ruhe und Weite, Rot erregt Aufmerksamkeit, Grün steht für Sicherheit und Regeneration. Diese tief prägenden Mechanismen wirken auch in modernen Wohnräumen: Eine rote Wand erhöht nachweislich die Herzfrequenz, ein sanftes Grün senkt Stressparameter.
Zugleich sind Farbwirkungen kulturell überlagert. Während Weiß im Westen für Klarheit und Ordnung steht, symbolisiert es in anderen Ländern Trauer. Trotzdem greifen die psychophysiologischen Grundreaktionen weltweit ähnlich.
Der Raumtyp entscheidet mit
Nicht jede Farbe passt in jedes Zimmer. Was im Wohnzimmer Geborgenheit erzeugt, kann im Arbeitszimmer zu Passivität führen. Helle Töne öffnen Räume optisch, dunkle Farben sorgen für Intimität. Auch Licht spielt eine entscheidende Rolle: Nordzimmer vertragen warme Nuancen, Südzimmer profitieren von kühlen Farben, die Helligkeit einfangen.
Emotionen im Alltag – zwischen Konzentration und Entspannung
Viele Menschen spüren kaum bewusst, wie Farben wirken – doch sie beeinflussen Verhalten und Leistungsfähigkeit. Kinder konzentrieren sich in blau-grünen Räumen länger, Erwachsene schlafen in dunkelblauen Schlafzimmern schneller ein und berichten häufiger von erholsamem Schlaf. Kreativräume profitieren von lebendigen Gelb- oder Orangetönen, allerdings sparsam eingesetzt, um nicht zu überreizen.
Selbst Beige – extrem oft eingesetzt und zuweilen auch unterschätzt – hat eine überraschend starke Wirkung: Es vermittelt Wärme, Ruhe und Bodenständigkeit und dient oft als idealer Hintergrund für moderne Wohnräume. pm/tok
Die folgenden Farben zählen zu den wichtigsten Stimmungsgebern in Wohnräumen:
| Farbe | Stimmungswert, Einfluss, Einsatzort |
| Blau beruhigend und konzentrationsfördernd | Senkt Puls und Stresslevel. Ideal für Schlafzimmer, Arbeitszimmer. Fördert klares Denken und Struktur. |
| Grün regenerierend und ausgleichend | Assoziation mit Natur, Sicherheit. Sehr gut für Wohnzimmer und Rückzugsräume. Reduziert visuelle Ermüdung. |
| Gelb aktivierend und stimmungsaufhellend | Fördert Kreativität und Optimismus. Optimal für Küchen oder Kreativbereiche. In intensiven Tönen aber schnell überstimulierend. |
| Rot energiereich und aufmerksamkeitsstark | Steigert Herzfrequenz und Antrieb. Sparsam einsetzen! Gut als Akzentfarbe in Essbereichen oder Fitnessräumen. |
| Orange kommunikativ und warm | Wirkt einladend und lebhaft. Gut für Esszimmer, offene Wohnbereiche. Gesteigertes Wohlbefinden, aber zu kräftig gewählt, wird es unruhig. |
| Beige warm und harmonisierend | Wirkt entspannend, freundlich, natürlich. Ideal für Wohnzimmer, Schlafzimmer, Flure. Funktioniert hervorragend als ruhige Basis für Akzentfarben. |
| Weiß klar und ordnend | Erzeugt Helligkeit und Weite. Kann steril wirken, wenn es zu kalt gewählt wird. Perfekt, wenn mit Holz oder warmem Licht kombiniert. |
| Grau modern und konzentriert | Neutrale Strukturfarbe. Gut für Arbeitsräume oder minimalistische Wohnbereiche. Zu dunkle Grautöne können bedrückend wirken. |
| Violett inspirierend und mystisch | Steht für Kreativität und Tiefe. Beliebt in Schlafzimmern und Hobbyräumen. Helle Lavendeltöne beruhigen, dunkle Töne wirken edel. |
| Braun erdend und geborgen | Sehr stabilisierende Wirkung. Perfekt in Kombination mit natürlichen Materialien. Dunkle Brauntöne geben Tiefe, helle erzeugen Wohnwärme. |