Wenn schon Kinder eine zu hohe Handynutzung ihrer Eltern monieren, sollten alle Alarmglocken läuten. Mütter und Väter sollten überdenken, ob sie die Bedürfnisse des Nachwuchses ausreichend wahrnehmen. Foto. BGStock72/stock.adobe.com

Eltern halten sich trotz exzessiver Nutzung für gute Medien-Vorbilder für ihre Kinder

78 % der Eltern halten sich für mustergültige Mediennutzer. Nur 3 % sehen sich als wirklich schlechtes Vorbild in der Familie. Gleichzeitig sagen 62 % der Befragten, sie würden selbst zu viel Zeit mit Smartphone, Computer und Smart-TV verbringen.

Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Studie „Junge Familien 2023“ der Pronova BKK, für die 1000 Haushalte mit Kindern befragt wurden.

Fast jeder dritte Befragte hält sich sogar für ein sehr gutes Vorbild für die Kinder im eigenen Haushalt. Und dass, obwohl 56 % zugeben, sich manchmal oder häufig bis spät in die Nacht bei Netflix und Co. wiederzufinden. Nur 17 % sind immun gegen einen Serienmarathon und nur 12 % können von sich selbst behaupten, digitale Medien in einem angemessenen Rahmen zu verwenden. Die Deutschen gehen somit sehr selbstreflektiert mit ihrem Medienkonsum um, können ihn aber scheinbar trotzdem nur schwer kontrollieren.

Kinder lernen von ihren Eltern

Wenn die Erwachsenen ihre Augen kaum von den Bildschirmen nehmen können, bleibt das bei Kindern nicht unbemerkt: Zwei Drittel der Eltern werden zumindest selten darauf hingewiesen, dass sie zu viel Zeit mit Smartphone, Computer oder Smart-TV verbringen. 17 % hören diese Kritik sogar häufig in ihrem Haushalt. In einer digitalisierten Zeit fällt es auch Erwachsenen schwer, das richtige Maß an unterhaltsamen und praktischen Tools zu finden. Freunde, Elterngruppen und Kollegen während der Homeoffice-Zeit haben sich an kurze Reaktionszeiten gewöhnt.

„Kinder lernen von ihren Eltern – ab Tag eins. Mütter und Väter sollten Kindern so oft es geht zeigen, dass es Situationen gibt, wo das Handy nicht stören soll. Etwa beim Essen, beim Schlafen und im Straßenverkehr“, sagt Clemens Beisel, Diplom-Sozialpädagoge und Kooperationspartner der Pronova BKK. „Ein wichtiger Pfeiler zur Ausprägung eines gesunden Mediennutzungsverhaltens sind klare Regeln, die für die ganze Familie gelten und dem Kind vermitteln: Du bist mir wichtig – wichtiger als das Handy oder der Ping.“

Kinder brauchen Aufmerksamkeit

Rund jeder zweite Befragte überhört schon einmal das eigene Kind, weil eine WhatsApp-Nachricht aufleuchtete oder die Lieblingsserie läuft. Bei weiteren 29 % ist dies zumindest selten schon vorgekommen. Ebenfalls 49 % verschieben auch mal das Kochen des Abendessens oder das Spielen mit dem Kind, weil digitale Medien gerade für Ablenkung sorgen.

„Wenn schon die Kinder eine zu hohe Handynutzung ihrer Eltern monieren, sollten alle Alarmglocken läuten. Mütter und Väter sollten überdenken, ob sie die Bedürfnisse des Nachwuchses ausreichend wahrnehmen. Wichtig für gesundes psychisches Wachstum ist der Selbstwert – und um diesen zu entwickeln, sind Kinder auf die Aufmerksamkeit ihrer Eltern angewiesen“, sagt Experte Beisel.

Mediennutzung im Auge behalten

In Haushalten mit Kindern werden häufig Regeln zur Länge der Mediennutzung festgelegt. Leben dort Kinder unter zehn Jahre, ist dies in rund acht von zehn Familien der Fall. Allerdings werden besagte Regeln bei 20 % nicht eingehalten. Für ältere Kinder herrschen seltener Vorgaben als für die Jüngeren. Bei den 14- bis 17-Jährigen gibt es lediglich in 43 % der Haushalte Medienregeln, die nur bei 25 % eingehalten werden. Ebenfalls jeder vierte Befragte erlaubt hingegen unbegrenzte Nutzung. Die Erwachsenen begrenzen sich vermutlich selten selbst.

Sozialpädagoge Beisel rät Familien zu einer Bestandsaufnahme: „Eltern sollten zuerst ihren eigenen Medienkonsum reflektieren, wie viel Zeit sie täglich mit Medien verbringen und was sie damit genau tun. Was ist wirklich wichtig und was Ablenkung oder Unterhaltung? Wer seine eigene quantitative und inhaltliche Mediennutzung kennt und gegebenenfalls anpasst, kann auch Kindern besser bei der Regulation helfen.“ pm