Problematisch wird die exzessive Onlinenutzung, wenn Soziale Medien zum Lebensmittelpunkt werden und die reale Welt ins Hintertreffen gerät. Im schlimmsten Fall führt das zu massiven sozialen Problemen in Schule und Beruf. Foto: Наталья Добровольска – KI-generiert/stock.adobe.com

Digitaler Kick: Wie Soziale Medien unser Belohnungssystem beeinflussen

Warum sind Soziale Medien für viele Menschen zu einem unverzichtbaren Teil ihres Lebens geworden? Und was kann man tun, wenn der ständige Blick auf Smartphone und Tablet überhandnimmt? Wird aus dem Spaß dann Stress, aus dem Smiley-Stimmungshoch ein tiefes Loch der Sinnlosigkeit?

Likes als Messlatte für die eigene Anerkennung

Wer kennt das nicht. Kaum aufgewacht, greift der moderne Mensch zum Smartphone, prüft die wichtigsten Nachrichten und schaut, was in den Stunden seiner Abwesenheit bei Instagram, TikTok und Co. passiert ist. Zunehmend mehr Menschen achten dabei nicht allein auf die eigentlichen Neuigkeiten, sie brennen darauf zu erfahren, wie andere Menschen auf das reagiert haben, was sie noch am Abend selbst veröffentlicht haben. Die Likes der digitalen Beobachter werden zur Währung, zur Messlatte für die eigene Anerkennung, die man in sozialen Medien erfährt.

„Wenn man ein Like erhält, schüttet das Gehirn das Glückshormon Endorphin aus. Man fühlt sich gut. Wird ein neuer Rekord an Zuspruch erreicht, schüttet es besonders viele Endorphine aus“, erklärt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der BARMER. Doch wer mit dem Hormonfahrstuhl nach oben fährt, der bleibt oft auch nicht vom emotionalen Abstieg verschont. Sinkt der digitale Zuspruch, schüttet das Gehirn wesentlich weniger Glückshormone aus.

Auch vor Stresshormonen bleiben wir nicht verschont, wenn der Blick ungeduldig nach Hinweisen einer Interaktion auf dem Smartphone Ausschau hält. Aus dem Stimmungshoch kann so schnell ein Tief werden.

Wann Medienkonsum zum Problem wird

Andrea Jakob-Pannier betont, dass die intensive Nutzung von Smartphone, Tablet oder Computer für sich genommen kein Problem ist. Moderne Kommunikationsmittel gehören heute zu unserem Alltag. Sie beschreibt stattdessen charakteristische Merkmale für eine Medienabhängigkeit.

Problematisch wird es, wenn Internet und Co. zum Lebensmittelpunkt werden und die reale Welt ins Hintertreffen gerät. Oft kommt es dann zu einer Störung des Tag- und Nachtrhythmus, Schlafmangel und Leistungsdefizite sind die Resultate. Im schlimmsten Fall führt das zu massiven sozialen Problemen in Schule und Beruf.

Zeitaufwand erkennen und Tipps für „good vibrations“ nutzen

Soweit muss es nicht kommen. Die Psychologin rät, zunächst einmal darüber nachzudenken, wie man digitale Medien nutzt. Wie viel Zeit geht dafür drauf, vor allem im privaten Bereich? Und welcher Gewinn wird daraus gezogen? Sind die Emotionen, die Erfahrungen und das Wissen, das man aus sozialen Medien erhält, für das eigene Leben tatsächlich wichtig oder vielleicht doch eher ein banales Geplätscher, das sogleich wieder vergessen ist?

Steht fest, wie viel Zeit für Smartphone und Co. anfallen, kann man sich klarer Gedanken machen über analoge Alternativen, die vielleicht in Vergessenheit geraten sind. Sportliche Bewegung ist eine bewährte Alternative. Sie sind ebenso dazu in der Lage, unser Belohnungssystem verlässlich anschlagen zu lassen.

Für Menschen, die moderne Medien exzessiv nutzen, hat die Psychologin auch einen Vorschlag: „Man kann mit sich selber vereinbaren, wieviel Zeit pro Tag dem Smartphone gehören soll!“ Wer selber aktiv in sozialen Medien ist und dabei die Messlatte der Likes und Views immer höhergeschraubt hat weiß, dass kein Mensch dauerhaft in der Lage ist, neue Rekorde aufzustellen. Likes sind zwar nett, aber sie sind bei weitem nicht der einzige Maßstab für Zufriedenheit. „Ein gutes Verhältnis zu Freunden oder zur Familie und Kollegen ist allemal wichtiger und sorgt viel direkter dafür, dass man sich gut fühlen kann“, fasst Jakob-Pannier zusammen.   pm/tok

Die wichtigsten Auswirkungen im Überblick

Das exzessive Nutzen von Social Media kann weitreichende Folgen für die psychische, physische und soziale Gesundheit des Menschen haben. Hier sind die wichtigsten Auswirkungen im Überblick:


🧠 Psychische Gesundheit

  1. Erhöhtes Stress- und Angstniveau
    Die ständige Erreichbarkeit und der Druck, auf dem Laufenden zu bleiben („Fear of Missing Out“ – FOMO), können zu chronischem Stress und Angstzuständen führen.
  2. Depressionen
    Vergleichsverhalten mit anderen Nutzern – insbesondere durch idealisierte Darstellungen von Leben, Körpern oder Erfolgen – kann zu einem negativen Selbstbild und depressiven Verstimmungen führen.
  3. Suchtverhalten
    Social Media Plattformen sind so gestaltet, dass sie durch Likes, Shares und Benachrichtigungen Dopamin ausschütten – was suchtähnliche Verhaltensweisen fördern kann.

🛌 Auswirkungen auf Schlaf und Konzentration

  1. Schlechtere Schlafqualität
    Blaulicht von Bildschirmen hemmt die Melatoninproduktion, was den Schlafrhythmus stören kann. Spätabendliche Nutzung kann das Einschlafen erheblich verzögern.
  2. Konzentrationsstörungen
    Häufige Unterbrechungen durch Benachrichtigungen oder der ständige Drang, das Handy zu checken, reduzieren die Fähigkeit zur Konzentration und tiefem Denken („Deep Work“).

🤝 Soziale Folgen

  1. Isolation trotz Vernetzung
    Digitale Kommunikation ersetzt zunehmend persönliche Gespräche. Dies kann zu Einsamkeit und einem Gefühl von sozialer Leere führen.
  2. Cybermobbing und soziale Spannungen
    Soziale Netzwerke können ein Nährboden für Mobbing, Trolling oder Gruppenzwang sein, was insbesondere Jugendliche stark belasten kann.

🏃 Physische Gesundheit

  1. Bewegungsmangel
    Längeres Sitzen vor Bildschirmen ersetzt körperliche Aktivität – das steigert das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rückenschmerzen.
  2. Augenermüdung und Haltungsschäden
    „Digital Eye Strain“ und eine gekrümmte Körperhaltung sind häufige Probleme durch übermäßige Smartphone-Nutzung.

🧩 Kognitive Verzerrungen und Informationsverarbeitung

  1. Filterblasen und Echokammern
    Personalisierte Algorithmen verstärken bestehende Meinungen und schränken die Sichtweise auf die Welt ein.
  2. Desinformation
    Die schnelle Verbreitung von Falschinformationen kann zu Fehleinschätzungen, Misstrauen gegenüber Institutionen oder sogar gesellschaftlicher Spaltung führen.