„Die enorme Zunahme an Behandlungen wegen Kokainmissbrauchs ist alarmierend. Das wahre Ausmaß wird noch viel größer sein, da wir nur den Bruchteil der Betroffenen in ärztlicher Behandlung sehen“, sagt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der BARMER. Foto: New Africa/stock.adobe.com

BARMER-Suchtatlas: Kokainmissbrauch geradezu explodiert – Starker Zuwachs in Baden-Württemberg

Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Menschen mehr als verdreifacht, die wegen Kokainmissbrauchs in ärztlicher Behandlung sind. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) hervor. Demnach gab es im Jahr 2013 bundesweit 19.700 behandelte Patienten und im Jahr 2023 bereits 65.000.

Das entspricht einem Plus um 230 Prozent. „Die enorme Zunahme an Behandlungen wegen Kokainmissbrauchs ist alarmierend. Das wahre Ausmaß wird noch viel größer sein, da wir nur den Bruchteil der Betroffenen in ärztlicher Behandlung sehen. Auch die aktuelle Kriminalstatistik zeigt, dass die Zahl der Kokaindelikte seit dem Jahr 2023 um gut 27 Prozent gestiegen ist und damit einen neuen Höchststand erreicht hat“, sagt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der BARMER.

Quelle: BARMER

Männer zwischen 20 und 39 Jahren besonders stark betroffen

Wie aus dem BARMER-Atlas weiter hervorgeht, waren 2023 rund 50.600 Patienten und 14.400 Patientinnen wegen Kokainkonsums in Behandlung. Besonders häufig waren Männer zwischen 20 und 39 Jahren sowie 40 und 59 Jahren betroffen. Hier gab es 29.700 beziehungsweise 18.100 Patienten.

„Kokain hat einen stimulierenden und aufputschenden Effekt. Deshalb wird es häufig als Leistungsdroge bezeichnet. Der vergleichsweise starke Kokainkonsum bei jungen Männern könnte auf einen massiven Leistungsdruck hindeuten, dem sie sich offenbar ausgesetzt sehen. Sei es im Beruf oder im Privatleben“, so Marschall. In ganz jungen Jahren oder im Alter spiele Kokain als Suchtmittel hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Jüngere Menschen hätten häufig nicht die finanziellen Mittel, um sich die teure Droge zu beschaffen. Hier sei der Konsum von Cannabis eher verbreitet. Bei älteren Menschen stünden der Alkohol- und Medikamentenmissbrauch im Vordergrund.

Enormer Patienten-Zuwachs in Baden-Württemberg

Laut der BARMER-Analyse gibt es massive regionale Unterschiede bei der Anzahl der Patienten, die aufgrund übermäßigen Kokainkonsums behandelt werden müssen. An erster Stelle stand im vergangenen Jahr demnach Nordrhein-Westfalen mit 15.280 Betroffenen, gefolgt von Niedersachsen mit 7760 und Berlin mit 7230 Patienten. Dahinter liegt Baden-Württemberg mit 5930 Patienten mit der Diagnose Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain. Die wenigsten Betroffenen gab es im Saarland mit 490, in Thüringen mit 810 und in Mecklenburg-Vorpommern mit 960 Frauen und Männern.

Dabei hat es in allen Bundesländern im Zehnjahresvergleich teils enorme Zuwächse gegeben. In Sachsen haben sich die Patientenzahlen beinahe verzehnfacht, von 100 auf 980 Betroffene (880 Prozent). In Thüringen und Baden-Württemberg betrug der Zuwachs 575 Prozent, beziehungsweise 531 Prozent. Die geringste Steigerung lag in Hamburg mit einer Verdoppelung der Fallzahlen vor: Der Zuwachs von 2680 auf 5500 Betroffene von 2013 bis 2023 betrug 105 Prozent.

Quelle: BARMER

Was macht die Droge Kokain mit den Menschen?

Die Droge Kokain ist ein starkes Stimulans, das auf das zentrale Nervensystem wirkt. Es beeinflusst die Neurotransmitter im Gehirn, insbesondere Dopamin, das mit Belohnung und Vergnügen in Verbindung steht. Hier sind die Hauptwirkungen und Folgen des Kokainkonsums:

Wirkungsweise von Kokain:

1. Dopaminfreisetzung: Kokain blockiert die Wiederaufnahme von Dopamin in den synaptischen Spalten, was zu einer erhöhten Konzentration von Dopamin führt. Dies verstärkt das Gefühl von Euphorie und Vergnügen.

2. Stimulation des zentralen Nervensystems: Kokain erhöht die Wachsamkeit, das Energieniveau und die Konzentration. Es kann auch das Selbstbewusstsein steigern.

3. Physiologische Effekte: Kokain kann den Herzschlag beschleunigen, den Blutdruck erhöhen und die Körpertemperatur steigern. Es kann auch die Atemfrequenz erhöhen.

Folgen des Kokain-Missbrauchs:

1. Körperliche Gesundheit:

  • Herz-Kreislauf-Probleme: Kokain kann zu Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkten und Schlaganfällen führen.
  • Atemprobleme: Bei Inhalation kann Kokain die Atemwege schädigen und zu Atemnot führen.
  • Neurologische Schäden: Langfristiger Konsum kann zu Anfällen, Kopfschmerzen und anderen neurologischen Problemen führen.

2. Psychische Gesundheit:

  • Abhängigkeit: Kokain hat ein hohes Suchtpotenzial. Die wiederholte Einnahme kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen.
  • Stimmungsstörungen: Missbrauch kann zu Angstzuständen, Depressionen und Paranoia führen.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Langfristiger Konsum kann Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme verursachen.

3. Soziale und emotionale Folgen:

  • Beziehungsprobleme: Kokainmissbrauch kann zu Konflikten in Beziehungen führen und soziale Isolation verursachen.
  • Finanzielle Schwierigkeiten: Die Kosten für den Erwerb von Kokain können zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

Insgesamt hat der Missbrauch von Kokain schwerwiegende und potenziell lebensbedrohliche Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit. Es ist wichtig, bei Problemen mit Drogenmissbrauch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.   pm/tok