„Die aktuelle Statistik des Medizinischen Dienstes zeigt, dass sich in Deutschland etwa jeder vierte geprüfte Verdacht auf einen Behandlungs- oder Pflegefehler bestätigt. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisberges sein“, sagt AOK-Chefin Dr. Carola Reimann. Foto: Photographee.eu/stock.adobe.com

AOK-Bundeschefin Carola Reimann: Rechte der Patienten bei Behandlungsfehlern stärken

Behandlungsfehler in Kliniken, Therapieeinrichtungen oder Pflegeheimen, durch Haus- oder Fachärzte oder Pfleger sind keine rein technischen, bürokratischen Probleme, sondern immer eng mit menschlichen Schicksalen verbunden, mit Hoffnungen auf Heilung oder Schmerzfreiheit, auf ein normales Leben oder Verbesserungen im beschwerlichen Alltag. Und so fordert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, angesichts der Präsentation der Behandlungsfehler-Statistik des Medizinischen Dienstes Bund eine gesetzliche Weiterentwicklung und Stärkung der Patientenrechte. Betroffene von Behandlungsfehlern sollen künftig sachgerechter und zeitnäher entschädigt werden.


Fehlermeldungen und Überprüfungen: Nur die Spitze des Eisbergs

„In der medizinischen Versorgung können Fehler passieren – wie in jedem Bereich des Lebens. Die aktuelle Statistik des Medizinischen Dienstes zeigt, dass sich in Deutschland etwa jeder vierte geprüfte Verdacht auf einen Behandlungs- oder Pflegefehler bestätigt. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisberges sein. Denn In vielen Fällen gehen die betroffenen Patientinnen und Patienten einem vermuteten Fehler gar nicht erst nach“, so AOK-Chefin Reimann. Es wird Patienten aber auch nicht gerade leicht gemacht, nach einem Behandlungsfehler Ansprüche zu erheben.

Reimann kennt den Grund: „Das hat auch mit den hohen juristischen Hürden zu tun, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind. Aus unserer Beratung wissen wir, dass es für sie oft extrem schwer ist, den kausalen Zusammenhang zwischen einem Behandlungs- oder Pflegefehler und dem entstandenen gesundheitlichen Schaden zu beweisen. Daher fordern wir eine Weiterentwicklung der Patientenrechte und eine Absenkung der Beweislast. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent sollte künftig ausreichen, um den Zusammenhang zwischen einem Fehler und einem Schaden zu beweisen.“

Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Foto: AOK-Bundesverband

„Wir fordern eine Weiterentwicklung der Patientenrechte und eine Absenkung der Beweislast.“
Dr. Carola Reimann
, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes

Informationspflicht für die Gesundheitsfachkräfte gefordert

Und das ist noch nicht alles, was Reimann für nötig erachtet: „Wir unterstützen zudem die Forderung des MD Bund, dass Ärztinnen, Ärzte und weitere Gesundheitsfachkräfte verpflichtet werden, die Patientinnen und Patienten im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers umgehend zu informieren. Solche Infos erhalten sie heute in der Regel nur, wenn sie gezielt danach fragen – doch dafür fehlt den meisten Betroffenen das nötige medizinische Wissen. Die AOK fordert daher, dass Patientinnen und Patienten künftig aktiv und ohne Nachfragen über Behandlungsfehler oder Schäden durch Medizinprodukte informiert werden.“

Aber wie kann man Behandlungsfehler erst gar nicht entstehen lassen? Die AOK-Vorstandsvorsitzende denkt dabei ein Melderegister, in dem Behandlungsfehler aufgelistet und als häufig oder typisch erkannt werden. Daraus könnten dann zum Beispiel Handlungsanweisungen entstehen, die solche Fehler dann vermeiden könnten. „Nicht zuletzt brauchen wir mehr Anstrengungen zur Prävention von Behandlungs- und Pflegefehlern sowie zur Verhinderung von Medizinprodukte- und Arzneimittelschäden. Dazu könnte zum Beispiel der Aufbau eines Registers für die sogenannten Never Events beitragen. Die systematische Meldung und Erfassung dieser vermeidbaren schwerwiegenden Ereignisse in der medizinischen Versorgung kann einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit leisten.“   

In 2024 Regresszahlungen in Höhe von knapp 50 Millionen Euro

Die AOK unterstützt die betroffenen Versicherten nicht nur bei der Aufklärung vermuteter Behandlungs- oder Pflegefehler, sondern auch bei der Verfolgung der Schadenersatzansprüche der Patienten. Dies geschieht etwa durch ergänzende medizinische Stellungnahmen bei Verhandlungen mit Haftpflichtversicherungen oder im Rechtsstreit.

Zugleich sind die Folgekosten von fehlerhaften Behandlungen und schadhaften Medizinprodukten – beispielsweise für Re-Operationen und wiederholte Krankenhausaufenthalte – für die Gemeinschaft der Beitragszahlenden hoch. Die Krankenkassen verfolgen die auf sie übergegangenen Schadenersatzansprüche und machen diese Kosten gegenüber den Leistungserbringern geltend. Das Volumen der von den elf AOKs durchgesetzten Regress-Zahlungen lag allein 2024 bei 49,73 Millionen Euro und damit etwa auf dem Niveau des Vorjahres (2023: 50,80 Millionen Euro). Diese Mittel fließen an die Versichertengemeinschaft der AOK zurück.    pm/tok

Hier können Sie das Positionspapier der AOK-Gemeinschaft zur Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten herunterladen.