Krankenhäuser schließen oder verkleinern ihre kinderorthopädischen Abteilungen. Wartezeiten für Operationen an spezialisierten Zentren von bis zu einem Jahr zur chirurgischen Therapie von Fehlstellungen sind alarmierend. Foto: Silvia Beres/stock.adobe.com

Ist Kinderorthopädie ein Minusgeschäft? – Kinder-OPs auf der Warteliste

Kinderorthopäden, Orthopäden und Unfallchirurgen setzen sich derzeit stark für den Erhalt einer guten kinderorthopädischen Versorgung ein. Diese ist bedroht, da der Aufwand für die kleinen Patienten sehr hoch ist, die aufwändige medizinische Versorgung jedoch nicht bezahlt wird. Ein Minusgeschäft, weshalb Krankenhäuser ihre kinderorthopädischen Abteilungen schließen oder verkleinern.

Kinder müssen zu lange auf Therapien warten

OP-Wartezeiten an spezialisierten Zentren von bis zu einem Jahr zur chirurgischen Therapie von Fehlstellungen kündigen die Verknappung der Ressourcen bereits jetzt schon alarmierend an. „Wenn gesundheitspolitisch nicht gegengesteuert wird, droht eine Unterversorgung im kinderorthopädischen Bereich“, sagt Prof. Dr. Maximilian Rudert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Eine Analyse zeigt jetzt exemplarisch wie wichtig und gleichzeitig unterfinanziert eine gute kinderorthopädische Versorgung ist. Der Beitrag ist in der Fachzeitschrift „Die Orthopädie“ erschienen.

Kindern frühhelfen, damit sie später gesund leben zu können

Die Prävention von Fehlstellungen und das Wiederherstellen eines gesunden Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter sind unerlässlich für ein erfülltes Leben. „Die jungen Menschen haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Sie haben es verdient, dass wir in ihre Zukunft investieren“, sagt Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU).

Er bestätigt die finanzielle Misere für den niedergelassenen Bereich: Die Sonografie der Säuglingshüfte sei ein gutes Beispiel dafür. Diese Untersuchung erfordert viel Zeit, da das Baby während des Ultraschalls beruhigt werden muss und auch die Eltern eingebunden werden müssen. Solch eine ressourcenaufwändige Untersuchung wird aber mit nur 20 Euro vergütet.

Was lassen wir uns gesunde Kinder kosten?

Wie schwierig die Finanzierung ist, zeigt beispielhaft die aktuelle wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Solidarität mit Kindern und Menschen mit Behinderung? Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse hüftrekonstruierender Eingriffe in der Kinderorthopädie“. Sie beleuchtet die Versorgung von Kindern mit Schädigungen im zentralen Nervensystem. Die Kleinen leiden häufig unter Veränderungen in ihrer Muskelkraft und Koordination. Dadurch kommt es zu Instabilitäten im Hüftgelenk mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Alltag.

Diese sogenannte „neurogene Hüftdezentrierung“ behindert bei den betroffenen Kindern Mobilität, Pflegefähigkeit und Lebensqualität. Mit einer speziellen Operationstechnik können orthopädische Chirurgen Hüftgelenke bereits im Wachstum wieder neu einstellen und dadurch Schmerzen verringern, Beweglichkeit verbessern und auch die frühzeitige Entstehung von Gelenkverschleiß verhindern.

Besorgniserregende Finanzierung

Die Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg ist eine der führenden Einrichtungen in Deutschland, die diese hochspezialisierten Operationen durchführt. Die Autorengruppe um Kinderorthopädin Dr. Katharina Gather hat die wirtschaftliche Bilanz dieser lebensverbessernden Operation wissenschaftlich aufgearbeitet. Dabei zeigt sich, dass derartige Versorgungen im DRG-System (diagnosebezogene Fallgruppen) nicht kostendeckend durchführbar sind. Kliniken bleiben am Ende auf vielen Hundert Euro an Kosten sprichwörtlich sitzen.

„Die finanzielle Benachteiligung am Beispiel von hüftrekonstruierenden Eingriffen bei Kindern im DRG-System ist äußerst besorgniserregend“, mahnt Prof. Dr. Tobias Renkawitz, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg und BVOU-Vizepräsident.

Neuberechnung der Prozeduren notwendig

„Nötig ist eine grundsätzliche Neuberechnung der Prozeduren im Bereich der ambulanten und stationären Kinderorthopädie, die den tatsächlichen Aufwand der Einrichtungen realistisch abbildet. Die wissenschaftliche Auswertung aus Heidelberg zeigt dafür einen Ansatz. Anders wird man, trotz Umsetzung von Vorhaltepauschalen, nicht erreichen, dass Familien in unserem Land auch zukünftig Zugang zu einer adäquaten kinder- und jugendorthopädischen Versorgung erhalten“, so Renkawitz.

„Die Studie stellt ein Beispiel für viele andere kinderorthopädische Behandlungen dar, darunter beispielsweise auch Wirbelsäulendeformitäten, und zeigt auf, weshalb dieses Teilgebiet in Summe aller Leistungen einer kinderorthopädischen Abteilung inakzeptable Defizite anhäuft“, sagt Prof. Dr. Anna K. Hell, Präsidentin der DGOU-Sektion Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO). pm